Ortwin Wingert / Ein verfehlter Ansatz im reformierten Schulversuchsparagraphen


Statt der ursprünglich vorgelegten §§ 129 und 129a soll nun ein Zusatz zum § 7 SchOG vorgenommen werden, mit dem befürchteten Ergebnis, dass es zu einer Drei- oder gar Vierteilung der Sekundarstufenschulen (Hauptschule, Gymnasium, Neue Mittelschule, Sonderschule) kommt, die man in Deutschland vor rund 30 Jahren mit negativem Erfolg versucht hat.
Das ursprüngliche Ziel der SPÖ, eine Erprobung der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-jährigen in einem größeren Gebiet, wird mit dem vorliegenden Zusatz zum § 7 des Schulorganisationsgesetzes nicht erreicht, zumindest eingeschränkt oder sogar verhindert.

Auf Antrag eines Landesschulrates (Stadtschulrates für Wien) beginnen in den Schuljahren 2008/09 bis 2011/12 Modellversuche „zur Individualisierung von Schullaufbahnen" in klar definierten Schulstandorten. „Allgemeinbildende höhere Schulen innerhalb des politischen Bezirkes haben in erforderlicher Anzahl und Klassen weiterzubestehen" (Regierungsvorlage zu § 7a(2) SchOG).

Es wird aber ziemlich treuherzig behauptet, diese Vorgangsweise sei ein (möglicher) Fort¬schritt der Schulorganisation, schafft aber de facto in einigen Standorten (Wien und Niederösterreich verweigern sich noch, jetzt auch Salzburg) im Burgenland, in der Steiermark und in Kärnten jene Dreiteilung der Sekundarstufenschulen (Hauptschule, Gymnasium, Neue Mittel¬schule), die man in Deutschland vor rund 30 Jahren gemacht hat - mit negativem Erfolg.

Dazu gibt es auch schon verfassungsrechtliche Bedenken, da der § 7 SchOG zur Einführung von neuen Modellversuchen zur Weiterentwicklung der Schulorganisation, in diesem Fall der Sekundarstufe I dient, also der Schulen für alle 10- bis 14-jährigen. Sie sind außerdem von der Zustimmung von 2/3 der LehrerInnen und Eltern abhängig.

Die vorliegende Fassung des § 7a SchOG zielt lediglich auf Hauptschulversuche zur Erpro¬bung von „neuen" Unterrichtsmethoden ab, etwa die Auflösung der 50-Minuten-Einheit oder ein Einschränken des Sitzenbleibens. Insgesamt scheint das eine stark reduzierte Neuauflage der HS-Versuche aus den 70er Jahren, allerdings ohne die damals mögliche österreichweite und flächen¬deckende Versuchsstruktur und der weitgehenden Unterstützung durch die Schul¬versuchs¬zentren in Klagenfurt, Graz und Wien, mit zahlreichen wissenschaftlichen Schul¬versuchs¬begleitern (Schulaufsichtsbeamte oder Professoren an den Pädagogischen Akade¬mien) im Zusammenhang mit der 3. Novelle des SchOG 1969. Das vorgelegte Seel-Eckmayr-Modell zur „integrierten Gesamtschule" war allseits anerkannt. Es führte zu einem bemerkenswerten pädagogischen Aufschwung bei Schülern und Lehrern. Leider führte er nicht zum gewünschten Erfolg. Es kam zur Reform der Hauptschule (7.SCHOG-Novelle 1983) statt der erhofften Einführung einer allgemeinen Gesamtschule für die 10- bis 14-jährigen SchülerInnen. Die ÖVP begründete es damit, dass sich die AHS-Unterstufe nicht in ausreichendem Maße beteiligt hatte. - Hat man daraus gelernt? Offensichtlich nicht:

Die von Frau BMin Dr. Schmied eingesetzte Expertenkommission wurde bisher durch die politischen Kontroversen eher behindert. Ein klar erkennbares Konzept liegt (noch) nicht vor.

Da wären die Möglichkeiten der ursprünglich vorgesehenen §§ 129 und 129a juridisch optimal gewesen und im Vergleich zu den nun vorliegenden §§ 7 und 7a des SchOG bildungspolitisch in vieler Hinsicht förderlicher gewesen, besonders dann wenn man die Ergebnisse der Expertenkommission und die für Dezember 2007 angekündigten PISA -Befunde abgewartet hätte, statt voreilig einem (schlechten) politischen Kompromiss zuzustimmen. Bei der vorliegenden Situation ist es nun sehr schwer positive Aspekte zu finden. Gesamtschule - bitte warten!

Der Zeitpunkt hat offensichtlich kein vernünftiges Ergebnis zugelassen. Die ÖVP hat schon im Koalitionsübereinkommen signalisiert, dass sie weiterhin ein elitäres Schulwesen wünscht - nicht so sehr aus pädagogischen, sondern aus sozialpolitischen Gründen. Frau BMin Dr. Schmied war erstaunlich mutig, hat aber in Wahrheit nicht mit den Urängsten der ÖVP gerechnet: Die Pflichtschule (und deren Pflichtschullehrer) und die höhere Schule (und deren Professoren) müssen so erhalten bleiben und die Differenz darf keinesfalls verkleinert werden. Die ÖVP sagt nicht offen, aber insgeheim: Elitär niemals egalitär!

Die abgeschaffte 2/3-Zustimmung im Parlament bei Schulgesetzen wurde durch ein stringentes Koalitions¬abkommen ersetzt. Vielleicht gibt es dereinst eine Koalition der Vernünftigen?! Dann, wenn die nächsten PISA-Ergebnisse als bildungspolitisches Erdbeben die österreichische Republik erzittern lässt?

Kann man dann ruhig und besonnen über konkrete Details zur Organisation des künftigen Schulwesens miteinander reden:
- Wie geht die Aus- und Fortbildung der LehrerInnen weiter?
- Wie verhindert man dienst- und besoldungsrechtliche Barrieren?
- Wie wird der Unterricht neu gestaltet?
- Was haben die SchülerInnen davon?
- Wie und was sollen sie lernen?
- Wie gestaltet man eine zeitgemäße Leistungsbeurteilung?
- Wer und wie evaluiert man schulische Ergebnisse?
- Was soll die Schule kosten?

Das sind ganz einfache Fragen und sie sind sicherlich noch zu ergänzen. Traut sich das die SPÖ-ÖVP-Koalition zu?

Eines ist aber sicher:
Ohne dazu motivierte LehrerInnen wird es keine Schulreform geben! Und:
Eine Schulreform ohne spürbaren Nutzen für die SchülerInnen darf es nicht geben!
Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Bildung!