Helmut Seel / Hoffentlich nicht wieder ein bildungspolitisches Eigentor !

von Helmut Seel

Im Vorfeld der Diskussionen wurde deren Wichtigkeit für die 4. bzw. 8 Schulstufe betont, wohl unter dem Aspekt der bevorstehenden Übertritte in weiterführende Schulen. Als Unterrichtsgegenstände wurden für die 4. Schulstufe Deutsch und Mathematik, für die 8. Schulstufe Deutsch, Mathematik, Englisch und Naturwissenschaft (?) ins Auge gefasst. Die Bundesministerin Dr. Schmied hat ausdrücklich und nachdrücklich den Orientierungscharakter der Bildungsstandards hervorgehoben und eine Funktion als Benotungshilfe (und damit als Festlegung von Zugangsvoraussetzungen in bestimmte Schultypen) abgelehnt. Leider finden sich diese Festlegungen nicht im Gesetz und sind daher für eventuelle Nachfolger (Nachfolgerinnen) im Ministeramt nicht bindend.

Es war jedenfalls interessant zu beobachten, wie außerordentlich sich der Schulsprecher der ÖVP, der Abgeordnete Neugebauer, für die Einführung der Bildungsstandards einsetzte und gemeinsam mit der Bundesministerin die Neuerung im Schulwesen begrüßte. Der erfahrene Beobachter der Bildungspolitik stutzt: Rechnet der Abgeordnete Neugebauer etwa damit, dass eine neuer Unterrichtsminister/eine neue Unterrichtsministerin, der von der ÖVP in einer neuen Bundesregierung gestellt werden könnte, diese Ermächtigung dazu benützen könnte, über Bildungsstandards die Aufnahmebedingungen von der Volksschule in die AHS-Unterstufe und von der Hauptschule (oder einer möglichen Neuen Mittelschule) in die AHS-Oberstufe oder in die BHS festzulegen ? Der jährlich immer wieder auftauchende Gedanke bezüglich der notwendigen Wiedereinführung einer Aufnahmeprüfung macht jedenfalls nachdenklich.

Die nur sehr allgemein gehaltene Bestimmung im neuen Absatz 1 a des § 17 SchUG könnten es der Bundesministerin (dem Unterrichtsminister einer neuen Bundesregierung) aber auch ermöglichen, eine sinnvollere und wichtigere Zielgruppe für Bildungsstandards ins Auge zu fassen, wenn man durch das Aufdecken von Bildungsdefiziten in einzelnen Klassen und Fächern einer Verbesserung der Schulleistungen erreichen möchte, und dies für die Vereinheitlichung der Schulleistungen in den folgenden übertrittsrelevanten Schulstufen nützen wollte. Die Bildungsstandards hätten daher am Ende der 3. Schulstufe der Volksschule bzw. der 7. Schulstufe der Mittelstufenschulen besonderen Sinn. Dann könnte man jeweils in der folgenden Schulstufe durch besondere Fördermaßnahmen bestehende Leistungsdefizite ausgleichen und gleichmäßige Leistungen in allen Klassen der jeweiligen Schulstufen vor den anstehenden Übertritten sichern. So gelagerte Bildungsstandards könnten dann auch nicht als Instrumente der Auslese missbraucht werden.

Nur am Rande sei angemerkt, der vorliegende Gesetzestext bezüglich seiner Anwendung auf die Hauptschule lückenhaft ist. Er wird nämlich der bestehenden Vorschrift der Leistungsbeurteilung nicht gerecht, welche sich auf das System der Leistungsgruppen, besonders im Hinblick auf die zuerkannten Übertrittsberechtigungen, bezieht. Die Bildungsstandards müssten dann für die einzelnen Leistungsgruppenanforderungen gesondert erstellt werden. Eigentlich dürften sie als Zielgruppe nur die Ebene der III. (niedersten) Leistungsgruppe ins Auge fassen. Durch deren Anforderungen wird der positive Abschluss der Hauptschule festgelegt. Man könnte aber auch hier die Funktion der Leistungsstandards anders interpretieren und nur die Voraussetzungen für die positive Beurteilung in der I. (obersten) Leistungsgruppe als Auslesehilfe ins Auge fassen.

Zurück zum Titel ! Ein bildungspolitisches Eigentor hat sich die SPÖ bereits im Zusammenhang mit der Abschaffung der Zweidrittelmehrheit für die Beschlussfassung über Schulgesetze (unter Beibehaltung der weiterhin verfassungsmäßig abgesicherten Differenzierung in den Sekundarschulen) 2005 geschossen. Denn noch im gleichen Jahr konnte dadurch die ÖVP mit der FPÖ mit einfacher Mehrheit im Parlament eine Reform der Pflichtschullehrerbildung (Hochschulgesetz 2005) durchsetzen, die nicht den 1999 zwischen SPÖ und ÖVP akkordierten Absichten entsprochen hat. Die SPÖ konnte zwar im Parlament dagegen stimmen und einen Alternativentwurf eines Gesetzes über Bildungsberufe einbringen, verhindern konnte sie die Einführung des ÖVP-Konzepts aber nicht. Es genügte ja die einfache Mehrheit einer Kleinen Koalition zur Beschlussfassung.

Nun wurde der Unterrichtsminister mit einer weitgehenden Verordnungsermächtigung ausgestattet, welche auch dazu genützt (missbraucht) werden könnte, ein Instrument zu einer rigiden Zugangskontrolle zu den höheren Schulen zu schaffen. Dies würde dann zwar die bildungspolitischen Interessen der SPÖ zur Öffnung der Bildungschancen konterkarieren, verhindern könnte man dies aber (wieder) nicht. Man könnte aus der Erfahrung lernen - wenn man nur wollte !