Klaus Satzke / Warum Ja zum Volksbegehren "Bildungsinitiative"?

von Klaus Satzke

Auch wenn realistischer Weise zu berücksichtigen ist, dass ein Volksbegehren in Österreich noch selten wirklich etwas bewegt hat, so ist die Initiative von Dr. Androsch doch zumindest ein Akt der Psychohygiene, im günstigsten Fall ein Hoffnungsschimmer.

Was die Psychohygiene betrifft, ist sich die derzeitige politische Nomenklatur offenbar gar nicht bewusst, welch ein unerträgliches Schauspiel die sich selbst blockiende Bildungspolitik wieder einmal abgibt, wieder einmal, weil ja seit Jahrzehnten geübte Praxis, unerträglich, weil sich dieses Schauspiel vor dem Hintergrund eines breiten Reformbewusstseins bei nahezu allen relevanten Meinungsträgern vollzieht.

Ein Hoffnungsschimmer ist das Volksbegehren deshalb, weil es nicht einfach nur eine breite Bildungsdebatte erzwingen will, sondern weil es vom Geist des Widerstandes gegen eine skandalöse Politik des „Nicht-Handelns" getragen ist.

Die zynischen Ablenkungs- und Umlenkungsmanöver mit der Absicht, eine echte Bildungsdebatte auf eine Kompetenzdebatte zwischen Bund und Ländern umzufunktionieren, sind daher auch nur als ein weiteres Skandalon anzusehen, das ein bereits volles Fass endgültig zum Überlaufen bringt. Tatsächlich geht es um ein umfassendes, langfristiges Bildungskonzept, das in Entwicklungsschritten zu konkretisieren und umzusetzen ist. Man kann der durchaus engagiert kämpfenden Bildungsministerin Dr. Schmied den Vorwurf nicht ersparen, dass sie der Öffentlichkeit bislang einen derartigen Entwurf schuldig geblieben ist. Aktuelles Beispiel: Der finanzielle mehr oder weniger abgesicherte Ausbau ganztägiger Schulformen (im Übrigen ohne Qualitätsstandards und Erfolgsindikatoren) ist begrüßenswert, er ersetzt aber nicht ein umfassendes Bildungskonzept. Er verändert nichts am Zustandsbild einer Bildungspolitik, die mit einer Unmenge von (zumeist gar nicht schlechten) Expertenpapieren herumwachelt, Ankündigung auf Ankündigung setzt, und zu guter Letzt nur erklärt, warum etwas politisch nicht umsetzbar ist.

Es erscheint unvermeidlich, dass sich die Bildungspolitik neue Rahmenbedingungen schafft, nicht nur, um endlich sichtbare Veränderungen im Bildungssystem herbeizuführen, sondern auch, um sich selbst unter neuen Rahmenbedingungen neu zu definieren.

Beispiele dafür:

Erforderlich ist ein echter, umfassender Autonomieansatz, der wichtige Entscheidungen von diversen Verwaltungsebenen auf die Schulebene verlagert.

Hand in Hand damit muss es zu einer massiven Stärkung der Entscheidungs- bzw. Mitentscheidungsrechte der Schulpartner kommen, ebenso wie zum Aufbau eines neuen, zeitgemäßen Monitoring- und Kontrollsystems anstelle eines überholten Systems der Schulaufsicht.

Verwaltungsreform muss zwar in die bestehenden, überkomplizierten Kompetenzverhältnisse nachdrücklich eingreifen, sie muss aber vor allem auch sicherstellen, dass die im internationalen Vergleich hohen österreichischen Bildungsinvestitionen, die die Schulen in einem deutlich höheren Maß erreichen.

Die Finanzierung des Bildungssystems muss sich schließlich und endlich von einem bislang reinen Input-System verabschieden und zu einem vernünftigen Kompromiss zwischen Input- und Output-Strategien vorstoßen, bei dem sich die Bildungspolitik nicht auf Ankündigungen beschränkt, sondern an Hand von Daten und Fakten Ergebnisse nachweist.

Für eine systemische Entwicklung eines Schulwesens, das weder auf Einzelschulen noch auf Bundesländergrenzen zu reduzieren ist, wird es eines Konzeptes der Bildungsregionen bedürfen, das die Zusammenhänge innerhalb und zwischen den Schulen sowie die Wechselwirkungen zwischen Schule und Gesellschaft berücksichtigt.

Es wäre sicher falsch, das Bildungsvolksbegehren auf zu viele und zu kontroversielle Punkte auszudehnen, es wäre aber angesichts einer ratlosen Bildungspolitik auch falsch, es auf eine gut gemeinte Sammlung von konsensfähigen Ratschlägen zu reduzieren.