Alle Macht dem Entwicklungsrat!
von Klaus Satzke
In einer Pressekonferenz am 20.11.2012 haben Bildungsministerin Dr. Schmied und Wissenschaftsminister Dr. Töchterle „ein zukunftsorientiertes und konsensfähiges Modell vorgelegt, auf dessen Basis im Studienjahr 2014/15 die ersten Studienangebote der Pädagog/innenbildung NEU für die Bereiche Elementarpädagogik, Primarpädagogik, Sekundarpädagogik (Sek I, Sek II) starten können“ (Papier zur Pressekonferenz). Dass hinter diesem Modell eine bildungspolitische Einigung steht, wird dadurch unterstrichen, dass die Grundzüge des Modells Gegenstand eines „Vortrags an den Ministerrat“ waren und bei der Regierungsklausur im November 2012 (Luxemburg) zur Kenntnis genommen wurde
Wenn man sich an die teilweise chaotischen, jedenfalls aber außerordentlich widersprüchlich verlaufenen Diskussionsphasen um eine Reform der Lehrerbildung seit der ersten Ankündigung im Jahre 2008 erinnert, dann kann man bei Durchsicht der Unterlagen zunächst einmal aufatmen. Da ist zumindest auf dem Papier einiges gelungen, von dem man nicht zu hoffen wagte, dass es gelingt. Zumindest liegt mit dem vorliegenden Modell und seinen ersten Konkretisierungen ein Instrument vor, an Hand dessen es der Öffentlichkeit möglich sein wird, die weiteren vorgesehenen Entwicklungsschritte in dieser Legislaturperiode an den angekündigten Entwicklungszielen zu überprüfen.
Jedenfalls wurde mit der Einrichtung des Entwicklungsrates eine Konstruktion gefunden, die auch bei anderen schwierigen Reformvorhaben Vorbild sein könnte: Eine kleine Gruppe von unbestrittenen Experten, denen weder besondere Eigeninteressen noch ein unmittelbares Naheverhältnis zur aktuellen Parteipolitik nachgesagt werden kann, entwickelt im Vorfeld politischer Entscheidungen ein Strategiepapier, das auf Qualitätszielen aufbaut, Rahmenbedingungen (Bedarfsanalysen, Struktur-, Curricular- und Personalentwicklung) für notwendige Entwicklungen benennt und Einrichtungen zur Qualitätskontrolle vorsieht.
Was sind die zentralen Punkte der politischen Vereinbarung?
- Es gibt eine einheitliche Struktur (Bachelor – Induktionsphase – Master) für die Ausbildung von PädagogInnen im Elementar-, Primar- und Sekundarbereich.
- Es geht um eine zumindest „durchlässige und zwischen den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen abgestimmte Ausbildung auf tertiärem Niveau zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen“ (Vortrag an den Ministerrat).
- Die Aus- und Weiterbildungen für den Bereich Sekundarstufe (allgemeinbildend) „sollen in gemeinsamer Umsetzungsverantwortung von Pädagogischen Hochschulen und Universitäten erfolgen. Dabei sollen bestehende Entwicklungsverbünde bzw. Kooperationsmodelle weiter forciert und gleichzeitig neue Verbünde und Formen der Zusammenarbeit beider Institutionen entwickelt werden“ (Vortrag an den Ministerrat).
- Es gibt einen Katalog von professionellen Kompetenzen, der sicherstellen soll, dass die inhaltliche Ausgestaltung der Curricula nach internationalen Standards qualitätsgesichert ist.
- Um dies zu gewährleisten, wird von der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur gemeinsam mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung ein Zertifizierungsrat eingerichtet, der die Prüfung der Curricula auf Wissenschaftlichkeit und Professionsorientierung für die Praxis sicherstellen soll.
- Die Umsetzung dieser Ziele soll im Rahmen eines Stufenplans durch BMUKK und BMWF in enger Abstimmung mit dem Entwicklungsrat und den betroffenen Ausbildungseinrichtungen unter Einbeziehung der zentralen Interessensvertreter erfolgen.
- Die für die Umsetzung erforderlichen gesetzlichen Regelungen sollen von den zuständigen Ressorts noch in dieser Legislaturperiode veranlasst und in den Ministerrat eingebracht werden.
- Parallel dazu werden die Verhandlungen zum Lehrerdienstrecht von den verantwortlichen Ministerien weiter vorangetrieben, um möglichst rasch eine umfassende Reform des Pädagog/innenberufs in Österreich zu erreichen.
Wo liegen die Vorzüge?
- Alle Lehramtsstudien führen im Regelfall zu einem Masterabschluss. Das soll eine hohe Qualität der Lehrerausbildung sichern und Debatten über unterschiedliche Niveaus der Lehrer an verschiedenen Schularten beenden.
- Durch die Formulierung von „professionellen Kompetenzen“ (eine Art von Qualitätsstandards für die Lehrerbildung) sollte eine völlig überzogene Debatte über eine angeblich bedrohte universitäre Autonomie beendet werden. Es muss doch jedem einsichtig sein, dass eine Berufsausbildung im öffentlichen Interesse nicht ohne Qualitätsansprüche auskommen kann und dass diese Qualitätsansprüche nicht je Ausbildungsstandort unterschiedlich festgelegt werden können.
- Eine institutionelle Integration von Universitäten und Hochschulen wird nicht ausgeschlossen und es gilt der Grundsatz, dass aus den Stärken beider Institutionen zumindest ein engmaschigeres Konzept der Zusammenarbeit resultieren sollte.
Wo liegen die Problemzonen dieser Vereinbarung?
- Die Verhandlungen zum neuen Dienstrecht für Lehrer erhalten mit dem vorgelegten Ausbildungsmodell in einer sehr späten Phase eine zusätzliche und auch zentrale Thematik. Man kann nur hoffen, dass die Interessensvertretung der Pflichtschullehrer die Chance erkennt und wahrnimmt, sich aus der Ecke einer Ausbildung 2. Klasse herauszubewegen.
- Die eigentliche Entwicklungsarbeit für eine institutionelle Kooperation ist noch nicht einmal ansatzweise begonnen worden. Mit der Grundkonstruktion eines Entwicklungsrates, der im Auftrag und in Kooperation mit den beiden Ministerien agiert, liegt eine labile Konstruktion vor (Interessenlagen der beiden Minister; Koalition im Wahlkampf; allfällige neue Rahmenbedingungen nach der NR-Wahl), andererseits wird man aber ohne Nachdruck und eine gewisse Autorität nicht erfolgreich wirken können.
- Es bleibt weitgehend offen, welches Instrumentarium im konkreten Konfliktfall zur Verfügung steht, aber immerhin ist mit dem Zertifizierungsrat eine Einrichtung gegeben, die „Uneinsichtige“ von der Zulassung zum Kreis der anerkannten Lehrerbildungsinstitutionen ausschließen kann.
- Zu erinnern ist daran, dass es ja auch schon zu Zeiten von Ministerin Gehrer aus Anlass des Akademiestudiengesetzes die Konstruktion eines ExpertInnenrates gab, die die notwendige Entwicklungsarbeit begleiten und beeinflussen sollte. Damals wurde in bester ministerieller Intrigenkunst die „Planungs- und Evaluierungskommission“ in die Position eines isoliert agierenden Beratungsgremiums manövriert, das am Ende zwar eine kritische Analyse vorlegte, aber damit nichts bewirken konnte.
- Zu bedenken ist auch, dass es bei einer Regierungskonstellation, an deren Reformfähigkeit oft gezweifelt wird, nicht selten zu mutigen Anläufen kommt, die dann mit einer Vielzahl von Einzelproblemen unterminiert werden, bis sie schließlich im Sande verlaufen. Zum Zeitpunkt der konkreten Umstellungsschritte (Studienjahr 2014/15) ist jedenfalls die gegenwärtige Regierung nicht mehr im Amt.
- Vor allem ist zu berücksichtigen, dass die Aufgabe der Personalentwicklung an den Pädagogischen Hochschulen zwar mit dem neuen Dienstrecht für Pädagogische Hochschulen eine gute Grundlage besitzt, aber für die derzeitigen Kollegien nicht ohne schmerzliche Veränderungen vor sich gehen kann.
