Lehrerdienstrechtsverhandlungen - Mangelt es an Professionalität?

von Klaus Satzke

Schlimmer hätte es gar nicht kommen können. Das neue Dienstrecht für Lehrer ist nun endgültig zu einem Gegenstand des frühsommerlichen Wahlkampfgeplänkels geworden. Aber man sollte sich nicht täuschen – es handelt sich um einen Nebenschauplatz, weil es der Politik nicht ernsthaft um Inhalte geht, sondern nur um eine kleine Schlammschlacht, bei der der Gegner halt ein paar Schmutzflecken abbekommen soll. So läuft es in der Bildungspolitik allzu häufig! Aus der Sicht der „großen“ Politik sind Bildungsfragen ein sekundäres bis tertiäres Thema, das man gerne für ein niveauloses Hickhack benutzt. Chancen für Veränderungen (siehe Bildungsvolksbegehren) bleiben in diesem Zusammenhang regelmäßig ungenutzt.
Sicher, es ist schon Chuzpe, wenn der ÖVP-Obmann erst einen bewusst unannehmbaren Vorschlag (Aufrechterhaltung unterschiedlicher Besoldung bei gleicher Ausbildung) aus dem Hut zaubert und dann den Kanzler öffentlich für „überfordert“ erklärt, wenn dieser eine gesetzliche Regelung ohne Konsens mit der Gewerkschaft andenkt. Bildungspolitik als Mühlespiel oder vielleicht doch nur als „Mensch ärgere dich nicht“?
Zu fragen ist aber auch, wie es in dieser Frage zu einem derartigen Verhandlungsdesaster kommen konnte, gibt es doch niemanden, der nicht die Notwendigkeit eines neuen Dienstrechts bestätigt.

  1. Da ist einmal daran zu erinnern, dass schon zu Ministerin Gehrers Zeiten (2001) eine Dienstrechtsreform – begrenzt auf den Bereich der Pflichtschullehrer - beschlossen wurde. Angekündigt wurde damals, dass daraus schrittweise ein neues Dienstrecht für alle Lehrergruppen werden sollte. Wer ist verantwortlich dafür, dass diese Schritte nicht und nicht erfolgten bzw. nicht entsprechend vorbereitet wurden?
  2. Auch das Projekt einer Anhebung der Anfangsgehälter für Junglehrer im Rahmen einer gleich bleibenden Lebensverdienstsumme wurde bereits unter Gehrer andiskutiert, aber weitergegangen ist nichts. Kann man glauben, dass hier ein unlösbares Problem vorliegt oder steckt dahinter Unfähigkeit mit System?
  3. Wie ist erklärlich, dass sich Im Juni 2013 plötzlich die Berufsschullehrer melden und mitteilen, auf sie wurde bisher bei den Verhandlungen zur Gänze vergessen. Ist es denkbar, dass zu Verhandlungsbeginn nicht für jede Lehrergruppen detaillierte Analysen der offenen Probleme gemacht wurden? Ist das nur unprofessionell oder steckt Absicht dahinter?
  4. Noch absurder ist es, wenn das neue Dienstrecht Voraussetzungen für den Ausbau der ganztägigen Schulangebote schaffen soll, aber die Karten darüber, was das im Konkreten bedeutet, nicht klar auf den Tisch gelegt werden. Wie hoch sind die aufgeschlüsselten Kosten für den Ausbau und um welchen erweiterten Leistungskatalog der Lehrer geht es? Geht es um die Lernbetreuung oder um die Freizeitbetreuung? Für letztere sind ja keine Lehrerstunden vorgesehen! Ist es denkbar, dass ein derartiger, aufgeschlüsselter Katalog gar nicht existiert oder wird er der Öffentlichkeit vorenthalten?
  5. Gut in Erinnerung ist, wie Ministerin Schmied am Höhepunkt der Krise über die versuchte Erhöhung der Lehrverpflichtung um 2 Stunden immer wieder in die Debatte warf, sie brauche diese Stunden für die Schulentwicklung, aber nie klare und detaillierte Aussagen traf, was das im Detail beinhaltet. Dabei wäre es ja argumentierbar, dass große Schulentwicklungsvorhaben wie der Ausbau der ganztägigen Betreuung auch gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten, also auch der Lehrer, erfordern. Aber derzeit ist keine klare Argumentationslinie und keine klare Kostenrechnung erkennbar!
  6. Und was soll in diesem Zusammenhang das Gerede über die Lehreranwesenheit am Schulort? Geht es um Absitzen von Zeit oder geht es um nicht-unterrichtliche Tätigkeiten (z.B. Beratung) oder geht es um zusätzlichen Unterricht (Lernbetreuung)? Stehen hinter diesen Unklarheiten unklare Vorstellungen oder „nur“ eine verheerende Öffentlichkeitsarbeit?
  7. Der Vorschlag aus dem ÖVP-Bereich, die Besoldung unterschiedlicher Lehrergruppen trotz gleich langer Ausbildung auch weiterhin unterschiedlich zu belassen, ist angesichts der gemeinsamen Regierungsvorlage zur Lehrerbildung absurd. Aber muss dieser Gesetzesentwurf aufgrund bindender Bundesvorschriften nicht ohnehin eine klare Kostenrechnung über die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen enthalten? Eine solche Kostenrechnung muss unter anderem Aussagen über zu erwartende Auswirkungen im Besoldungsbereich enthalten. Wieso erfährt die Öffentlichkeit nichts über die dem Gesetz angeschlossene Kostenrechnung?
  8. Die Lehrergewerkschaft ist zweifellos ein schwieriger und gewiefter Verhandlungspartner. Aber macht man es ihr nicht auch zu leicht, angesichts so vieler Unklarheiten und Ungeschicklichkeiten? Ein neues Dienstrecht ist zweifellos eine hochkomplexe Aufgabe, die unter anderem auch viel Insiderwissen erfordert, das von einem Minister nicht unbedingt zu erwarten ist. Steht der Ministerin ein Beraterteam zur Seite, das mit dieser Komplexität der Aufgabenstellung umgehen kann und will?

Gewerkschaften sind gewohnt, in derartige Verhandlungen gut vorbereitet und mit einer klaren Rollenverteilung einzutreten. Das wird man ihnen nicht vorwerfen können, aber es wäre wohl notwendig, im eigenen Verhandlungsteam ähnlich professionell vorzugehen!