Keine Frage, Bildungsminister ist einer der undankbarsten Jobs, den die künftige Bundesregierung anzubieten hat. Offensichtlich handelt es sich um eine Sisyphusarbeit, bei der schon Millimeter an Raumgewinn ein Riesenerfolg sind. Und das, obwohl nahezu alle Bildungsjournalisten in diesem Land eine Bildungsreform urgieren. Und das, obwohl das Wirtschaftsforschungsinstitut und das Institut für höhere Studien immer wieder die Schwerpunkte einer Bildungsreform benennen. Und das, obwohl Industriellenvereinigung, Bundeswirtschaftskammer und Arbeiterkammer – nur in Nuancen unterschiedlich – argumentieren, dass der Reformmangel für Österreich zukunftsgefährdend sind.
Und dennoch gelang es bislang keinem Minister, die veröffentlichte und öffentliche Meinung (siehe Bildungsvolksbegehren) hinter sich zu sammeln. um den notwendigen Reformdruck zu erzeugen. Immer wieder verheddern sich Reformansätze
Unter diesen Bedingungen bedarf es eines besonderen Qualifikationsprofils für den jeweiligen Ressortleiter: Notwendig wären
Dieses - sicher unvollständige - Qualifikationsprofil soll hier zum Anlass eines Plädoyers für einen Fachminister gemacht werden, eines Ministers, der nicht gezwungen ist, 2 Jahre Orientierungsübungen zu machen, bevor er sich an wichtige Themen heranwagt, der sich nicht von der eigenen Partei mundtot machen lässt, wenn es darum geht, Profil zu zeigen, der in der Lage ist, mit den Mächtigen im Schulsystem in Augenhöhe zu verhandeln und der auf den reichhaltigen Fundus von wissenschaftlichen Erkenntnissen zurückgreifen kann, die mehrheitlich in die gleiche Richtung weisen.
Die Überlegungen der NEOS (koalitionsfreier Raum) und der Grünen (parteiunabhängiger Minister) sind ja durchaus gut gemeint, sie gehen aber an der Tatsache vorbei, dass auch solche politische Rahmenbedingungen einer geeigneten Person bedürfen. Und was die Personenauswahl betrifft, ist besondere Vorsicht angezeigt. Es kann ja kein Zufall sein, dass über Jahrzehnte hinweg hohe Systemkenntnis nahezu ein Ausschließungsgrund für die Funktion eines Bildungsministers ist. Man fragt sich, warum sich die Parlamentsparteien Schulsprecher und Unterrichtsausschussvorsitzende halten, wenn diese nie für ein Ministeramt ins Spiel gebracht werden. Helmut Seel war ein Leben lang Wissenschaftler, Schulentwickler und erfolgreicher Schulsprecher, aber für ein Ministeramt wurde dann doch ein Banker gekürt. Bernd Schilcher war ein exzellenter Amtsführender Landesschulratspräsident in der Steiermark (damals noch mit viel moderaterem Umgang mit der eigenen Partei), der sich wohl auch den Mühen einer Ministerschaft unterzogen hätte, wenn er dazu eingeladen worden wäre. Kann es Zufall sein, dass Hans Matzenauer, Amtsführender Präsident des Stadtschulrates für Wien und ebenfalls Schulsprecher der SPÖ im Parlament, nicht in das Amt am Minoritenplatz gebeten wurde? Man muss kein Freund der bildungspolitischen Ansichten von Gerhard Schäffer sein, um zum Urteil zu gelangen, dass er als Unterrichtsminister eine bessere Figur gemacht hätte als Elisabeth Gehrer.
Gewiss, es wäre naiv, würde man die innerparteilichen Mechanismen in unseren ursprünglich einmal großen Regierungsparteien nicht sehen wollen, aber sind diese Mechanismen nicht die Ursache dafür, dass unsere Alt-Parteien so alt aussehen? Eigentlich müsste man Personen, die die oben genannten Qualifikationen ausweisen, hegen und pflegen, weil hier ein absoluter Mangel besteht. Stattdessen bemüht sich die Politik ständig um den Nachweis, dass Minister angeblich für jedes Amt unter jedweden Bedingungen geeignet sind. Die aktuellen Namen, die in den Planspielen um die Ministerämter genannt werden, weisen wieder deutlich in diese Richtung!
Vielleicht kann ein Blick zu den Landesschulräten die Ursachen erhellen, die für diese Situation verantwortlich sind. Insider wissen, dass ohne die Landesschulräte in den Ländern keine Schulreform vom Minoritenplatz aus zu machen ist. Aber welch eine kuriose Konstruktion! Der Landesschulrat ist eine Bundeseinrichtung in den Ländern, die formal von einem Bundesbeamten (Landesschulratsdirektor) geleitet wird. Die politische Macht liegt aber in Wahrheit beim Landeshauptmann (in der Funktion als Landesschulratspräsidenten), der sich von eigenen Gnaden einen Amtsführenden Präsidenten hält. Und so nebenher gibt es dann auch noch einen zuständigen Landesrat für Schulangelegenheiten, der irgendwie auch mitmischt. Kann es Zufall sein, dass man den Amtsführenden Präsidenten mit dem lächerlichen Argument der Ämterkumulierung den Weg zu Parlamentsfunktionen verwehrt hat? Kann es Zufall sein, dass sich die Landeshauptmänner und - frauen trotz erwiesener Unkenntnis in regelmäßigen Abständen immer wieder zu Schulfragen äußern? Kann es Zufall sein, dass der Konflikt, den Ministerin Claudia Schmied mit Landeshauptmann Pröll (Verländerung der Bundeslehrer) hatte, letztlich das Ende ihrer Karriere als Ministerin einläutete?