Die AHS-Langform (Gymnasium und Realgymnasium) ist ein Unikum der österreichischen Schulorganisation. Diese weist auf ein dreistufiges Schulsystem hin wie in vielen anderen süd- und westeuropäischen Schulsystemen: Primarstufe – Sekundarstufe I - Sekundarstufe II. Letztere Gliederung hat die ÖVP in Österreich immer wieder bildungspolitisch verweigert, um die Einheit der achtstufigen AHS durch eine Substruktur nicht in Frage zu stellen. In falsch verstandener bildungsgeschichtlicher Tradition folgte man der Argumentation für des neuhumanistischen deutschen Gymnasiums mit seiner menschenbildenden Gewaltleistung im acht- oder sechsstufigen Lehrgang in den Alten Sprachen. In den heutigen Gymnasien finden sich übrigens nur mehr Restbestände dieses Bildungsgutes.
Die Gliederung der Sekundarstufe kommt nun plötzlich über das Besoldungsrecht zustande. Im der neuen Regelung der Lehrerbezüge in der AHS- Langform wird zwischen dem Unterricht in der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II unterschieden. Durch ein ausgeklügeltes Zulagensystem gibt es für den Oberstufenunterricht mehr Geld. Und ein Zweites: Die Bezahlung der Lehrer in der AHS-Unterstufe und in der Hauptschule bzw. Neuen Mittelschule ist gleich: Gleiche Bezahlung für gleiche Leistung im Unterricht in der Sekundarstufe I. Dies ist wohl auch in der weitgehenden Übereinstimmung der Lehrpläne begründet.
Fazit eins: Die AHS-Langform ist keine einheitliche „Langform“ mehr.
Die Dienstrechtsreform hat ihre Grundlage in der Lehrerbildungsreform. In der „PädagogInnenbildung NEU“ war die Ausbildung eines eigenen Mittelstufenlehrers vorgesehen, ausgerichtet auf die spezifischen entwicklungspsychologischen Bedingungen und die fachlichen Strukturen des Mittelstufenbereichs. Ausgerichtet aber auch auf ein ausgewogenes Verhältnis von demokratiepolitisch geforderter Integration und Differenzierung zur Selektion der Befähigten. Da das Schulorganisationsgesetz die Gliederung in Sekundarstufe I (Mittelstufe) und Sekundarstufe II (Oberstufe) nicht kennt, sondern nur Primarbildung und Sekundarbildung unterscheidet, musste die neue Lehrerbildung darauf Bezug nehmen,
In Zukunft werden daher die Lehrer für den gesamten Sekundarbereich (Schulstufen 5 – 13) einheitlich in Kooperation der Universitäten und Pädagogischen Hochschulen ausgebildet: 8 Semester Bachelorstudium – 2 Semester Schulpraktikum – 4 Semester Masterstudium. Hauptschullehrer/Mittelschullehrer, Gymnasiallehrer und Lehrer der BHS werden die gleichen Studien und Abschlüsse aufweisen. Wie allerdings in der AHS-Langform unterschieden werden wird, wer in der besser bezahlten Oberstufe lehren darf und wer in der Unterstufe unterrichten muss, ist noch schleierhaft.
Fazit zwei: Die AHS-Langform verliert das Privileg der universitären (akademischen) Ausbildung ihrer Lehrer.
Die Prüfsysteme der Zentralmatura wurden vom BIFIE unter Bezugnahme auf die traditionellen Reifeprüfungsergebnisse in den Langformen der AHS entwickelt. Diese Schulorganisation erlaubt die Ausrichtung auf die Leistungen bei der Matura über acht Schuljahre. Im vergangenen Schuljahr wurden diese Prüfsysteme auch bei der Zentralmatura in den Oberstufenrealgymnasien angewendet. Dieser Schultyp ist bildungspolitisch von besonderer Bedeutung. Er bietet in Österreich geeigneten Schülern, welche in der Sekundarstufe I die Hauptschule/Mittelschule besuchen, einen Weg zur Matura und erhöht damit das Ausmaß an Bildungschancengerechtigkeit im Schulsystem. Für die Vorbereitung auf die Reifeprüfung stehen in diesem Schultyp realistischer Weise drei Schuljahre zur Verfügung.
Erwartungsgemäß wurden in den Oberstufenrealgymnasien schlechtere Leistungen als den AHS-Langformen erzielt .Diese Unterschiede werden jedoch von der Schulverwaltung als zufällig und unsystematisch bewertet. Das kann überraschen.
Fazit drei: Man lernt in der AHS-Langform nicht mehr für die Matura als in den Oberstufenrealgymnasien.
Trotz all dem ist jedoch zu erwarten, dass die AHS-Langform als Protektorat der ÖVP weiterbestehen wird, obwohl die Gründe für ihr Bestehen schwinden. Sie dient als Institution der Bildungsvererbung, deren Ausmaß im österreichischen Bildungssystem in internationalen Vergleichen kritisiert wird. So lange eine Schullaufbahnentscheidung bereits nach der vierten Volksschulklasse bei den Zehnjährigen getroffen werden kann, wird die Schullaufbahn der Kinder in hohem Maß vom Interesse der Eltern abhängen. An die immer wieder im österreichischen Schulsystem aufgewiesenen beträchtlichen Bildungsdefizite hat man sich gewöhnt, PISA erzeugt kein schulpolitisches Unbehagen mehr.
H.S.