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Aus Bruchstücken ein Ganzes machen – Anregungen zur Schulreform für die neue Ministerin

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Im Interview mit der „Kleinen Zeitung vom 4. 6. 20165 (mit dem Titel „Bin ich jetzt wirklich Ministerin?“) ließ die neue Bildungsministerin Sonja Hammerschmid  einige interessante  Ideen aufblitzen, die sich zu einem Reformkonzept zusammenfügen lassen.  

Sie stellt zur Frage nach der „umstrittenen gemeinsamen Schule“ (der Zehn- bis Vierzehnjährigen) fest, dass „es die gemeinsame Schule in vielen Ländern gibt, aber sie ist auch nicht immer eins zu eins übertragbar“. Das ist richtig, aber in Österreich wird seit der Zeit der Ersten Republik eine Lösung gesucht und eine eigenständige Form entwickelt (Schulversuche mit der Integrierten Gesamtschule 1971 – 1983 mit leistungsheterogenen Stammklassen und fachspezifischen Leistungsgruppen in Deutsch, Englisch und Mathematik, leider 1983 nur in der Reform der bis zu diesem Zeitpunkt in zwei Klassenzügen geführten Hauptschule realisiert). Die ÖVP hat übrigens aus Angst vor  der Gesamtschultendenz die Gliederung des Schulsystems im Schulorganisationsgesetz in Sekundarstufe I (10 – 14) und Sekundarstufe II (15 – 18/19) verhindert.  Die international übliche  Gliederung taucht jedoch aktuell im reformierten Lehrerdienstrechtsgesetz auf.  Dort wird festgestellt, dass bei gleicher Ausbildung der Lehrer der Unterricht in der Sekundarstufe II besser bezahlt wird als der Unterricht in der Sekundarstufe I. Andererseits  werden alle Lehrer der Sekundarstufe I (Unterstufe der AHS, Neue Mittelschule, Hauptschule) einheitlich besoldet.

 Zu den mit der ÖVP vereinbarten Schulversuchen in Modelregionen meint die neue Ministerin: „Modellregionen sind ein guter Startpunkt“.  Aber wofür? Sie sollte beachten, dass im Paket der Bildungsreform ein neuer Schulversuch mit einer gemeinsamen Schule für die Sechs- bis Vierzehnjährigen  vorgesehen ist. Bisher liegt dafür keine Modellbeschreibung vor. Einen Plan für eine  neunstufige gemeinsame Schule stellte bisher nur die Industriellenvereinigung vor. Bei Beginn des Schulversuchs mit dem Schuljahr 2016/17 dauert ein Durchlauf, der evaluiert werden könnte, bis 2025.Es liegt auf der Hand, dass die ÖVP mit ihrem Vorschlag  in erster Linie eine Entscheidung über die Gesamtschule in der Sekundarstufe I (Zehn- bis Vierzehnjährige)  verhindern oder weiter verzögern möchte. Versuche mit Modellregionen dieser Gesamtschulen   wären allerdings wirklich ein Fortschritt. Diese Modellregionen müssten aber alle Schulen eines politischen Bezirks oder eines Bundeslandes (siehe Vorarlberg) umfassen.

 Zur Neuen Mittelschule sagte die Ministerin Hammerschmid: „Man muss genau hinschauen, was sich bewährt hat und was nicht. ... Es ist auch gerechtfertigt, wenn man hier nachjustiert“. Man muss daran erinnern, dass die Neue Mittelschule als Schulversuch mit einer  gemeinsamen Schule aller Zehn- bis Vierzehnjährigen konzipiert war. Erst durch  den Deal der Ministerin Schmid mit der ÖVP im Jahr 2012  (Umwandlung aller Hauptschulen in Neue Mittelschulen, dafür Weiterbestand der Langform der AHS) wurde sie zum „Zweiten Klassenzug“ des Mittelstufenbereichs. Die vergleichende Evaluation mit der Hauptschule wurde abgebrochen. Die Gesamtschule  im Bereich der Sekundarstufe I hat neben allen anderen Aufgaben die Funktionen der Integration (Zusammenleben der Heranwachsenden aus allen Gesellschaftsschichten zur Entwicklung zu  Bürgern eines demokratisch verfassten Staates) und der Selektion (Förderung und Auswahl der Befähigten zum Übertritt in die höheren Schulen der Sekundarstufe II). Die zweite Funktion erfüllt die Neue Mittelschule  unzulänglich (wenig intensiv und intransparent). Das Modell der „Wiener Mittelschule“ war diesbezüglich erfolgreicher als das Modell des Unterrichtsministeriums.

 Der neuen Ministerin ist viel Erfolg bei der Verwirklichung ihrer Ideen zu wünschen. Vielleicht macht ein Hammerschmied endlich Nägel mit Köpfen,ammerschmied Nägel mit Köpfen.

H.S.