Schulautonomie und was sich alles dahinter verbirgt!

von Klaus Satzke

Es soll an dieser Stelle gar nicht bestritten werden, dass der vorliegende Begutachtungstext des sogenannten Autonomiepaketes eine Reihe von sinnvollen Reformen enthält, die den Schulen und in besonderer Weise den Schulleitern erweiterte Entscheidungsfreiräume eröffnen und sie von den Notwendigkeiten des Einholens von Genehmigungen durch die Schulbehörden befreien.

Was bei aller Freude über etwas mehr Autonomie für die Schulen nicht übersehen werden kann, das ist die Tatsache, dass im Paket

Zunächst sei daran erinnert, dass  der Rechnungshof seit mindestens eineinhalb Jahrzehnten mehr als deutlich darauf aufmerksam macht, dass mit dem österreichischen Schulwesen in den Bereichen „Zielerreichung“ und „Schulverwaltung“ etwas nicht stimmt. Zitat „Effizientere Schulverwaltung –

Vorschläge des Rechnungshofes für Reformen im Bildungsbereich“ (Reihe 2016/1)

Konkrete Vorgaben für bildungspolitische Ziele sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Aufgrund fehlender Zielvorgaben und Indikatoren kann die Schulqualität nicht beurteilt werden, die Zielerreichung ist nicht messbar. Die Gründe dafür sind im Wesentlichen die verfassungsrechtlich komplexe Kompetenzverteilung und die fehlende Übereinstimmung von Aufgaben–, Ausgaben– und Finanzierungsverantwortung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Diese führen zu Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten und Zielkonflikten.

 Der wahre Grund für die Einrichtung der Bildungsreformkommission im Frühjahr 2015 war wohl die Einsicht, dass „etwas geschehen müsse“ und dass es nicht genügt, wieder einmal eine Expertengruppe einzurichten. So kam es zum Unikum einer Reformkommission, die sich größtenteils aus Landeshauptmännern zusammensetzte und wohl kaum pädagogische Fachkompetenz einbringen konnte. Dahinter stand wahrscheinlich die Überlegung, dass Machtfragen am besten im Kreis der Mächtigen behandelt werden können. Dass ein Handel zwischen den Mächtigen nicht zu etwas wirklich Neuem, sondern nur zu einem neuen Kuhhandel führen müsse, das war absehbar. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die aufwendig angekündigte Autonomiereform (einen ersten Autonomieschritt gibt es ja bereits seit 1993) verdecken sollte, was man im Hinterzimmer – jedenfalls weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit – ausgekungelt hat.

Ergo wurde  mit josephinistischer Geste den Schulen die neue Freiheit angekündigt! Autonomie war und ist für diese Strategie bestens geeignet, weil eine Erweiterung der Entscheidungsfreiräume für die einzelne Schule durchaus wünschenswert ist. Es macht auch durchaus Sinn, dass die Schulen über die Verwendung von Werteinheiten selbst entscheiden können, es macht Sinn, dass sie für Abweichung von den traditionellen Schulzeitregelungen keine Genehmigung der Schulbehörde benötigen, und es macht Sinn, dass der Schulleiter bei der Auswahl neuer Zugänge von Lehrern ein Wörtchen mitreden kann.

Das hat allerdings  rein Garnichts mit den vom Rechnungshof aufgezeigten Problemen im Makro-Bereich des Schulwesens zu tun. Die Konstruktion der neuen Bildungsdirektionen wird zwar  einige punktuelle Verbesserungen bringen, aber an der Gesamtproblematik einer Bundesbehörde unter  Dominanz der Landespolitik wird sich substanziell nicht wirklich etwas ändern. Der Landessschulrat war bisher eine Bundesbehörde besonderer Art unter Dominanz des jeweiligen Landes und die beabsichtigte Bildungsdirektion wird nun eine gemeinsame  „Bund-Länderbehörde“ sein, weiterhin  unter der Dominanz des Landes.

Die Bestellung des/der  Bildungsdirektors/-direktorin erfolgt durch die / den Unterrichtsminister/in im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann / der Landeshauptfrau auf dessen / deren Vorschlag. Kommentar überflüssig! Durch Landesgesetz kann ein Präsident vorgesehen werden, der dem Bildungsdirektor vorsteht (Fachaufsicht)! Kommentar ebenso überflüssig! 

Was das Qualifikationsprofil des Bildungsdirektors sowie das Aufgabenprofil der neuen Behörde betrifft, stehen im Entwurf unbestreitbar  vernünftige Dinge, keinesfalls handelt es sich aber um die vom Rechnungshof eingeforderte  Vereinfachung und Klärung des schwierigen Verhältnisses zwischen Bundes- und Landeskompetenzen.

Völlig zu Recht weist der Abgeordnete Walser (Die Grünen) darauf hin, dass man bei den vorgesehenen Gutachterkommissionen zur Schulleiterbestellung nur die alte Proporzmentalität fortgesetzt, sie eher noch verschärft hat. Die Abschaffung der Kollegien bei den Landesschulräten und deren Ersatz durch ein zahnloses Beratungsgremium ist schlichtweg der Nachweis, dass den Verhandlern der Abbau von demokratiepolitisch wichtigen Einrichtungen wichtiger erschien, als deren Erneuerung. Immerhin kommt es zu einem Abbau der bisherigen  Parallelstrukturen zwischen Schulämtern der Länder und dem bisherigen Landesschulrat (von etlichen Bundesländern allerdings  schon seit Jahren vorweggenommen). Und sicher ist auch die Abrechnung der Pflichtschullehrer zentral über das Bundesrechenzentrum ein großer Fortschritt. Immerhin  bekommt der Bund damit erstmals einen detaillierten Einblick in die Verwendung der Personalressourcen in den Bundesländern.

 Eine der zentralen Aufgaben der Bildungsdirektionen wird die Einrichtung eines „alle Ebenen der Schulverwaltung und der Schulen umfassenden Bildungscontrollings“ sein, dessen Aufgaben im Detail im Verordnungswege geklärt werden sollen. Dazu zwei Anmerkungen:

Auch wenn man der Sachlogik dieses Konzeptes („Autonomie braucht auch Kontrolle“) bis zu einem gewissen Grad zu folgen vermag, so stellt sich doch die Frage, ob die Schulen / Schulleiter organisatorisch, finanziell und dienstrechtlich auf diese umfänglichen nicht-unterrichtlichen Aufgaben ausreichend vorbereitet sind. Analoge Formulierungen stehen zwar seit etlichen Jahren im Bundes-Schulaufsichtsgesetz, blieben dort bislang aber „totes Recht“. Zwar  existiert  im Rahmen des Landeslehrer-Dienstgesetzes seit 2001 ein Jahresstundenmodell für die Pflichtschullehrer, das ausdrücklich auch nicht-unterrichtliche Tätigkeiten nennt. Diese Bestimmungen haben aber bislang nie eine reale Anwendung erfahren, vor allem aber fehlen diesbezügliche Bestimmungen im Dienstrecht der anderen Lehrergruppen völlig und es gab nicht einmal den Versuch einer Angleichung der unterschiedlichen Dienstrechte.

 Aus der Berücksichtigung von Ergebnissen der Bildungsstandardüberprüfungen in  Kombination mit einem Prozess-Controlling  „auf allen Ebenen“ entsteht jedenfalls ein aufwendiges System von Planungs-, Beschreibungs- und Auswertungsvorgängen, das zur Frage führt, wer das alles leisten kann, wie darauf vorbereitet wird und welche Unterstützungen den Schulen dabei zur Verfügung stehen.

 Aus der Position des Außenstehenden  kann man dem Modell des Bildungscontrollings durchaus Einiges abgewinnen, aber aus der Innensicht der Betroffenen ist da wohl noch eine Menge zu klären. Aufwendig präsentiert und diskutiert wird in der Öffentlichkeit allerdings die insgesamt betrachtet eher harmlose Autonomieerweiterung. Und die Lehrer- Gewerkschaft zerbricht sich offenbar vor allem den Kopf darüber, wie die vormaligen Schulleiter in einer Cluster-Konstruktion auch noch irgendwie abgegolten werden.

Die Welt der Bildungspolitik ist voller Merkwürdigkeiten und Überraschungen – das bestätigt sich wieder einmal auch beim Entwurf des Bildungsreform-Gesetzes 2017