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Bildung im kommenden Koalitionsabkommen

von Elfriede Schmidinger
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Auch wenn Bildungsfragen im vergangenen Wahlkampf kein besonderes Gewicht hatten, ist zu wünschen, dass ihnen im kommenden Koalitionsabkommen eine bedeutsamere Rolle zukommt. Dies wird vor allem notwendig sein, wenn auch für die Zukunft zumindest der Erhalt des gegenwärtigen Wohlstands gesichert sein soll.

Bei einer evidenzbasierten Beschäftigung mit diesen Fragen („ideologiefrei“ und „evidenzbasiert“ ist ja gerade in Mode, siehe etwa Wahlprogramm der FPÖ) sollte man sich dann aber auch tatsächlich  auf empirische Daten und Analysen stützen, wie sie u.a. Prof. L. Wößmann vom Institut für Wirtschaftsforschung der Universität München seit Jahren veröffentlicht. Zur Beantwortung der Frage, was ein leistungsstarkes und chancengerechtes Bildungssystem bedingt, analysiert er die internationalen Schülerleistungstestergebnisse mit mikroökonomischen Methoden.

Bei diesen Analysen ergibt sich für den Zeitraum zwischen 1960 und 2000 für die OECD-Staaten ein linearer Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum. In der Rangreihe der durchschnittlichen Schülerleistungen in den OECD-Staaten nimmt Österreich nur einen mittleren Rangplatz ein. Es ließe sich unser Wirtschaftswachstum also noch signifikant steigern, wenn wir unser Bildungssystem so weiterentwickeln, dass im Schnitt bessere Schulleistungen erreicht werden. Eine Steigerung der Mathematikkompetenzen, wie sie mit den PIAAC[1] gemessen werden, führt so auch zu einem Anstieg des Bruttoerwerbseinkommens je Arbeitsstunde. Im Durchschnitt aller Staaten lag diese Steigerung bei 17,8 %, 17,9 % erzielt Österreich. Im Vergleich zu Deutschland mit einem 23,5% Anstieg des Bruttoerwerbseinkommens gibt es auch hier Potential nach oben.

Dafür liegt Österreich, wie wir schon länger wissen, im Spitzenfeld bei den Bildungsausgaben pro Schüler/in. Die Bildungsausgaben stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit den (PISA-Mathematik-)Leistungen. Unsere höheren Ausgaben bewirken im internationalen Vergleich keine besseren Leistungen. Dieser Vergleich kann uns jedoch zeigen, wie bzw. welche institutionelle Rahmenbedingungen effektiver zu besseren Bildungsergebnissen führen. So erreichen die deutschen Bundesländer, die mit dem Zentralabitur externe Abschlussprüfungen eingeführt haben, im Vergleich mit jenen Bundesländern, die dies nicht getan haben, mehr Punkte im PISA-Test, die - mit einer Ausnahme - auch über dem Durchschnitt liegen. Die PISA-Ergebnisse in den Bundesländern ohne externe Prüfungen liegen dagegen alle unter der Durchschnittsmarke von 500 PISA-Punkten. Zentrale Abiturnoten, die es nun mit der Zentralmatura auch in Österreich gibt, besitzen nach den Analysen von Schwerdt/Hößmann einen höheren Informationswert für die Arbeitgeber/innen als schulintern vergebene Noten. Eine um eine Standardabweichung verbesserte Abiturnote bringt nach fünf Jahren ein ca. 6% höheres Einkommen im Vergleich zum 2%igen Anstieg des Einkommens bei schulintern vergebenen Noten. Externe Abiturnoten bieten den Arbeitgeber/innen zuverlässigere Informationen über die Leistungen der Bewerber/innen, gleichzeitig sind die zu erwartenden höheren Einkommen ein stärkerer Lernanreiz für die Schüler/innen.

Eine zusätzliche strukturelle Bedingung für gute Schulleistungen stellen auch Autonomiemaßnahmen dar, wie die Gewährung von Freiheiten bei der Entscheidung, was unterrichtet wird. Selbständige Schulen (in privater Trägerschaft), die aber vollständig vom Staat finanziert werden, erzielen den größten Leistungsvorsprung in PISA-Mathematik-Punkten. Solche Bedingungen fördern den Wettbewerb zwischen den Schulen, der sich offensichtlich positiv auswirkt.

Leistungsstarke Schulen und Schulsysteme sind nicht gleichzeitig chancengerecht. Wößmanns Analysen zeigen, dass eine frühe leistungsbezogene Aufteilung der Schüler/innen die Abhängigkeit der Leistungen vom familiären Hintergrund und damit die Ungleichheit verstärkt. Der Vergleich der Staaten mit eingliedrigen Bildungssystemen mit Staaten mit mehrgliedrigen, wie das österreichische Bildungssystem, zeigt diesen Einfluss deutlich. Eingliedrigen Schulsystemen, wie in Neuseeland, Kanada und Norwegen gelingt es sogar die bei Schuleintritt auf Grund des familiären Hintergrundes gegebene Ungleichheiten (IGLU-Testung) bis zum Ende der Sekundarstufe I (PISA-Testung) deutlich zu verringern. In Deutschland, das mit Österreich nach der vierten Schulstufe im internationalen Vergleich die früheste Aufteilung in verschiedene Schultypen vornimmt, verstärkt sich dagegen die Ungleichheit in diesem Zeitraum in einem besonders hohen Ausmaß. Auch das „Experiment“ einer Schulreform in Bayern zur Vorverlegung der Aufteilung der Schüler/innen von der 7. auf die 5. Klasse der Haupt- und Realschule im Jahr 2000 führte zu schlechteren Schülerleistungen bei den drei darauf folgenden PISA-Testungen sowohl in der Hauptschule als auch in der Realschule.

Die Kenntnis dieser Daten und vieler anderer, die uns die Bildungsforschung zur Verfügung stellt, können den Verhandler/innen des Koalitionsabkommens Wegweiser zu nachhaltigen Entscheidungen sein, wenn sie es denn  tatsächlich ernst meinen sollten mit dem Anspruch einer „evidenzbasierten“ Bildungspolitik.

Quellen:

L. Wößmann, Elemente eines leistungsstarken und chancengerechten Bildungssystems. Vortrag am 20. 9. 2017 beim ÖFEB-Kongress 2017 leistungsstark . chancengerecht . inklusiv ? PH Vorarlberg in Feldkirch

G. Schwerdt, L. Wößmann, The information value of central school exams. In: Economics of Education Review, Vol. 56, Feb. 2017, 65-79



[1] Programme for the International Assessment of Adult Competencies