Bildungspolitik, leidenschaftlich Rot?


In seinem  Buch „Leidenschaftlich Rot“ vertritt Gerhard Zeiler die Auffassung, die Forderung nach einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen sollte „ in Zukunft nicht im alleinigen Zentrum der Bildungsüberlegungen“ der SPÖ stehen. Nun könnte man einwenden, dass sich die Heftigkeit des Kampfes um die Gesamtschule zuletzt ohnehin in sehr engen Grenzen gehalten hat, aber zweifellos hat sich die SPÖ bei diesem Thema immer wieder in zeit- und energieraubende Auseinandersetzungen mit der ÖVP verstrickt.  Problematisch wäre es allerdings, wenn die Tatsache der relativ aussichtslosen Auseinandersetzung mit der ÖVP dazu führt, die extrem schwierige Situation in der Sekundarstufe I,  also  im Bereich Neue Mittelschule und AHS zu beschönigen. Was man der SPÖ-Bildungspolitik vorwerfen muss, das ist ihre Unfähigkeit, auf die Folgen der Strukturmängel im Bereich der Sekundarstufe I klar hinzuweisen, obwohl  die Probleme der betroffenen SchülerInnen und Eltern so offensichtlich sind.  Österreich befindet sich in diesem Bildungsbereich auf dem Weg zu einer Drittel-Gesellschaft. Tendenziell werden bis zu Zweidrittel der SchülerInnen in höhere Schulen gehen, ein Drittel in die sozial deklassierte Pflichtschulen, wobei gleichzeitig enorme regionalen Unterschieden entstehen. Die bildungsaffinen Eltern kämpfen mit allen Mitteln darum, dass ihr Kind auf keinen Fall in den Bereich des deklassierten Drittels absteigt, bildungsferne Eltern reagieren hilflos, aber mit  Aggression und Desinteresse auf diese Schulsituation. Die bildungspolitische Antwort auf diese Situation muss nicht unbedingt „Gesamtschule“ lauten, vor allem dann nicht, wenn  die Durchsetzung ohnehin in weiter Ferne liegt. Aber Struktur-Konservativismus hat eben einen Preis! Dringend notwendig  ist daher  eine bildungspolitische Ansage, die weder schön redet  noch gesund redet, sondern klar macht, dass mach man sich gegen die Folgeerscheinungen eines extrem früh differenzierenden Schulwesens  mit allen Mitteln zur Wehr setzen muss, das heißt  insbesondere mittels zusätzlicher personeller und finanzieller Ressourcen und eines nachhaltigen Qualitätsmanagements. Zu dieser Thematik, die insbesondere im großstädtischen Bereich drängend ist, findet man bei Zeiler kaum Hinweise. Er setzt auf flächendeckende Ganztagsschulen und ein zweites Kindergartenjahr. Aber das sind Projekte, die – so wichtig und richtig sie sind - nur langfristig Wirkung zeigen können. Eine Neuorientierung der Bildungspolitik wird darauf nicht warten können, sondern muss Antworten für das Hier und Heute geben

KS