Ganztägige Schulangebote - Stimmt die Richtung?


Der Ausbau der Ganztagsschulen ist einer der bildungspolitischen Schwerpunkte der SPÖ, sowohl  im  Grundsatzprogramm 2018 als auch im Wahlprogramm 2019. Noch in der letzten Legislaturperiode  hatte der Kurzzeit- Kanzler Kern eine Bildungsmilliarde  (es wurde dann allerdings deutlich weniger als 1 Mrd.) für den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen angekündigt. Kostenfreie, gemeinsame Ganztagsschulen sollen die Antwort auf soziale und familiale Benachteiligungen sein, u. a. auch im schwierigen Feld der Migrationsprobleme. Und tatsächlich sind in den vergangenen Jahren beträchtliche finanzielle Mittel in den Ausbau geflossen, sogar mehr, als die  Länder verwenden konnten  oder  wollten.

Angesichts dieser Investitionen sollten die grünen Koalitionsverhandler, aber auch die SPÖ in der ungewohnten Oppositionsrolle einen Blick in den Nationalen Bildungsbericht 2018 werfen. Das könnte Bewusstsein schaffen für dringend erforderliche Maßnahmen, damit sich die Investitionen der jüngeren Vergangenheit und Zukunft auch lohnen.

Die   Überprüfungen und Beobachtungen (umfassende wissenschaftliche Evaluationen fehlen bezeichnender Weise) verweisen auf das Phänomen, dass sowohl im traditionellen Leistungsbereich als auch beim sozialen Klima kaum erkennbar positive Effekte erkennbar sind. Auch der Rechnungshofbericht 2018 gelangt zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen. Er verweist darauf, dass gerade bei jenen Zielgruppen, für die eine Verbesserung der Lernchancen besonders wünschenswert wäre, nur geringe Kompensationseffekte festzustellen sind.

Der Nationale Bildungsbericht verweist in diesem Zusammenhang auf die Kostenbeiträge, die viele Familien davon abhalten, ganztägige Betreuungsangebote überhaupt in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus mögen auch sozio-kulturelle und familiale Faktoren eine Rolle spielen, für deren wissenschaftliche Analyse aber bislang keine Mittel vorhanden waren.

Unübersehbar ist der Trend zu  Organisationmodellen, die die herkömmliche Halbtagsschule durch ein (oft nur fallweise angenommenes) Nachmittagsangebot mit Aufgabenbetreuung und etwas Freizeit ergänzen. Das mag vielleicht im Interesse ohnehin bildungsfreundlicher Mittelschicht-Familien sein, die ihren Kindern ergänzend Nachhilfekurse und diverse Vereinsangebote finanzieren können. Für sozial und milieubedingt benachteiligte SchülerInnen ist ein so strukturiertes Angebot aber jedenfalls unzureichend.

Weiters konstatiert der Nationale Bildungsbericht einen Mangel  an unabhängiger Begleitforschung, die insbesondere den Fragen der Qualität des Angebotes nachgeht, dessen Dauer und Intensität sowie der pädagogischen Ausgestaltung. Man sollte sich die Dramatik der Situation vor Augen führen! Die erfreulicherweise investierten finanziellen und personellen Mittel mögen arbeitsmarktpolitisch sinnvoll sein, die bildungspolitischen Investitionen aber verpuffen weitgehend wirkungslos, wenn hier nicht gegengesteuert wird.

Der Nationale Bildungsbericht ist eine wissenschaftliche Studie im Auftrag des zuständigen Bildungsministers, die dem Parlament vorgelegt wird. Schon der Bildungsbericht 2015 hat auf die Probleme sehr deutlich hingewiesen, aber entsprechende Reaktionen blieben aus. Kein Wunder, wenn im aktuellen Bericht 2018 vom Eindruck einer  „gewissen bildungspolitischen Ignoranz“  gesprochen wird, die hinter dem offensichtlichen Nicht-Handeln zu vermuten ist.

KS