Die Umwandlung der Schulinspektion in ein Qualitätsmanagement und die Folgen


Bereits 2011 wurde Regelungen für ein sogenanntes Qualitätsmanagement in das Bundes-Schulaufsichtsgesetzs aufgenommen. 2017 erfolgte dann im Rahmen der neu geschaffenen Bildungsdirektionen (Bildungsreform-Paket bzw. Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetz) die Integration dieses Qualitätsmanagements in  ein sogenanntes  Bildungscontrolling (Qualitätsmanagement, Bildungsmonitoring und Ressourcencontrolling). Seit diesem Zeitpunkt ist die ehemalige Schulaufsicht (Bezirks- und Landesschulinspektoren) ein Teil des Pädagogischen Dienstes bei den Bildungsdirektionen und nimmt dort Aufgaben des Bildungscontrollings wahr.

Die Konsequenzen aus diesen Veränderungen sind durchaus weitreichend und es überrascht, dass sie vor und während des Gesetzwerdungsprozesses nur wenig diskutiert wurden. Zunächst soll hier einige Fakten zum Qualitätsmanagement geliefert werden.

Bildungscontrolling wird im Gesetz als ein umfassendes  Planungs- und Berichtswesen  auf allen Ebenen der Schulverwaltung und der Schulen verstanden, das die einzelnen Schulen zu Entwicklungsplänen, Qualitätsberichten und Qualitätsprogramme verpflichtet. Die Schulen haben sich dabei an die Vorgaben eines „nationalen Entwicklungsplanes“ zu orientieren.

 

Die Zielsetzungen alleine schon dieser Entwicklungspläne sind laut Gesetz außerordentlich umfangreich und arbeitsintensiv. Sie haben zu enthalten:

           1. Schwerpunktthemen,

           2. Zielsetzungen in Hinblick auf die Schwerpunktthemen,

           3. Rückblick und Ist-Stand-Analysen zu den Schwerpunktthemen,

           4. Maßnahmen zur Umsetzung der Zielsetzungen,

           5. Maßnahmen zur Überprüfung der Zielerreichung,

           6. Fortbildungspläne sowie

           7. Angaben zum strategischen und operativen Qualitätsmanagement der Schule.

 

Für die die Aufgabe des Bildungsmonitoring durch die Bildungsdirektion sieht das Gesetz ebenfalls einen äußerst umfassenden Aufgabenkatalog vor, der im Folgenden gekürzt wiedergegeben wird:

            1. Eine Definition und Beschreibung von Schulqualität … unter Verwendung von operationalisierbaren Kriterien und Indikatoren,

           2. die Erfassung wichtiger Bereiche der Schulqualität und der Rahmenbedingungen (zB Lernergebnisse, Behaltequoten, soziales Umfeld, Schulklima, Bildungsverläufe, Ressourcen usw.) nach wissenschaftlichen Kriterien auf Basis regelmäßig und zentral erhobener bzw. gesammelter und aufbereiteter Daten und Kennzahlen (Bildungsmonitoring),

           3. eine Definition von Benchmarks in festzulegenden zentralen Qualitätsbereichen auf Bundesebene, die Orientierungsgrößen für das Qualitätsmanagement auf den einzelnen Ebenen des Schulsystems darstellen,

           4. ein periodisches Planungs- und Berichtswesen (Entwicklungspläne, Qualitätsberichte, Qualitätsprogramme) sowie periodische Bilanzierungen und Zielvereinbarungen auf und zwischen allen Ebenen der Schulverwaltung und der Schulen (einschließlich Schulcluster) (Qualitätsmanagement). …,

           5. die Bereitstellung von Instrumenten und Expertise für die verpflichtend durchzuführende Selbst-evaluation nach definierten Qualitätsstandards anhand der für die Schulqualität maßgeblichen Kriterien und Indikatoren sowie von Unterstützungsangeboten für die Schulen …,

           6. die periodische, standardisierte Überprüfung von Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler (zB Bildungsstandard-Überprüfung, standardisierte Reife- und Diplomprüfung) und

           7. ein standardisiertes Controlling des Personal- und Ressourceneinsatzes auf allen Ebenen des Schulsystems (Ressourcencontrolling).

 Von den Bildungsdirektionen ist das Qualitätsmanagement auf Landesebene durch die Beamtinnen und Beamten der Schulaufsicht auszuüben. Sie haben damit das periodische Planungs- und Berichtswesen sicherzustellen sowie für die Bereitstellung von Instrumenten zu Steuerung und (Selbst‑)Evaluierung der Schulqualität zu sorgen bzw. sich um einschlägige Unterstützungsangebote zu bemühen.

Das alles sind Aufgaben,  die den neuen „Pädagogische Dienst“ im Rahmen der Bildungsdirektionen voll beschäftigen wird, sobald die gesetzlichen Anforderungen voll wirksam sind. Es ist offenkundig, dass durch die unmittelbare Einbindung der Schulinspektoren in die Bildungsdirektionen  das Aufgabenprofil stärker in Richtung eines allgemeinen Managements zur Erstellung von Planungen, Erhebungen und Berichten durch die Schulen geht. Abgesehen von der Sicherstellung einer „umfassenden Berichtskultur“ (was nicht ohne einen gewissen Druck von statten gehen wird) ist unübersehbar, dass das neue Verständnis von Bildungscontrolling zu einer jährlich wachsenden Zahl von Testverfahren führt, mit denen die Schulen und damit auch die Schulaufsicht konfrontiert ist. Das frühere, zweifellos paternalistische System der Schulaufsicht durch Bezirks- und Landesschulinspektoren, das unbestreitbar auch Schwächen hatte, basierte und funktionierte  auf der persönlichen Kenntnis um die vielen sehr spezifischen  Rahmenbedingungen (personell, sozial, familial, wirtschaftlich),  innerhalb deren die einzelnen Schulen arbeiteten müssen.  Sie mündete im Idealfall in eine dosierte, vom Wissen um eine schwierige Problemlage getragene Kontrolle und  Beratung bzw. ermöglichte auch das rasche Erkennen von Fehlentwicklungen vor Ort. Diese Schulaufsicht ist nun in den pädagogischen Dienst der Bildungsdirektion integriert und agiert dort nicht mehr schulspezifisch sondern schulartenübergreifend und in mancher Hinsicht schulfern. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein Qualitätsmanagement-System kreiert wurde, dessen  Vorbilder aus dem anders gearteten, ökonomischen Bereich stammen. Ein Bereichsleiter über hundert Supermarktfilialen würde wohl auch sein Qualitätsmanagement ähnlich mittels Fragebögen, Erhebungen, Berichten und Überprüfungen anlegen. Man kann sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass diese Ideen und Konzepte sehr zeitgebunden in das erste Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende passen, als die Vorstellungen eines allumfassenden Masterplanes für Bildung en vogue („Zukunftskommission“ / Günter Haider)waren und als Antwort für die wegen schlechter PISA-Ergebnisse unter Druck geratene Bildungspolitik  dienten.

Als nicht untypisch für die österreichische Schulentwicklung mag auch die Tatsache gedeutet werden, dass dieser System-Change bis heute nie vollständig vollzogen wurde, obwohl die grundlegenden Regelungen bereits in der Novelle von 2011 enthalten sind. Von einem „Nationalen Bildungsplan“ und dessen Interpretation durch 9 Bildungsdirektionen ist der Öffentlichkeit jedenfalls bislang nichts bekannt geworden und erst kürzlich (siehe Meldung der Presse vom 20. Oktober 2021) hat der Minister die Schulen von der erstmaligen Abgabe von  Schulentwicklungsplänen im Hinblick auf die aus der Corona-Krise erwachsenen Belastungen in diesem Schuljahr entbunden.

K.S.