Herr Bundesminister, die Informationsdefizite im Bereich Lehrerbildung Neu sind unerträglich!
Mit der Novellierung des Hochschul- und Universitätsgesetz wurden 2013 (!) die gesetzlichen Grundlagen für eine umfassende Erneuerung der LehrerInnenbildung in Österreich geschaffen. In einem mehrjährigen Entwicklungsprozess sollte ein vier Jahre dauernden Bachelorstudiums aufgebaut werden, an das ein Masterstudium anschließt, das zumindest ein oder zwei Jahre dauert.
Nach einem nunmehr fast neunjährigen Entwicklungsprozess ergibt sich für uns der Eindruck, dass es keine ausreichende Information der Öffentlichkeit über die wesentlichen Ergebnisse der Umsetzung gibt. Dies trotz der Tatsache, dass die beteiligten Institutionen zum Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems verpflichtet sind und ein Qualitätssicherungsrat eingerichtet worden ist, der dem Parlament in den vergangenen Jahren zahlreiche Berichte vorgelegt hat. Wir finden, dass sich dieses Berichtssystem in einer Fülle von Detailinformationen erschöpft und die großen Linien der Lehrerbildungsreform sowie die mit dem Reformprozess verbundenen Fragen der institutionellen Kooperation nicht ausreichend sichtbar werden.
Auch bei der zuletzt geführten Diskussion im Rahmen eines ORF 2-Interview vom 29.6.2022 zum Thema Lehrermangel war von Minister Pollaschek nahezu nichts über die Situation an den Ausbildungsinstitutionen (Universitäten und Pädagogische Hochschulen) und die Entwicklung der Studierenden- und Absolventenzahlen zu hören. Was dringend Not tut, das ist eine grundlegende Information
- über den Status quo der „LehrerInnenbildung Neu“ sowie
- eine Analyse der aufgetretenen Probleme und
- einen Ausblick auf die Erfordernisse in den kommenden Jahren.
Der angekündigter Evaluationsbericht wird diese Forderung nicht gerecht werden, weil es um eine längst fällige bildungspolitische Gesamteinschätzung geht sowie um einen Maßnahmenkatalog zur Bewältigung der unmittelbar anstehenden Probleme.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wäre aus unserer Sicht die Beantwortung folgender Fragen von großem Interesse:
- Das Hochschulgesetz sieht vor, dass neue Studien zur Erlangung eines Lehramtes im Bereich der Sekundarstufe (Allgemeinbildung) nur in Kooperation mit einer oder mehrerer Universitäten bzw. Hochschulen angeboten werden können. Welche Kernpunkte haben diese Vereinbarungen und welche Formen der Arbeits- und Ressourcenaufteilung haben sich ergeben?
- Sind diese Vereinbarungen in den vier entstandenen Verbund-Systemen in den wesentlichen Bereichen übereinstimmend oder unterschiedlich? In welcher Weise wird dadurch die Mobilität der Studierenden erleichtert bzw. erschwert? Wo sind diese gleichlautenden Vereinbarungen veröffentlicht?
- Entsprechend dem Hochschulgesetz sind von den beteiligten postsekundären Bildungseinrichtungen gleichlautende Curricula zu erlassen. Welcher Systematik folgt die Zuordnung der Studien- bzw. Fachbereiche zu den jeweiligen Bildungseinrichtungen bzw. welche qualitativen Konsequenzen (Qualifikation der Lehrenden) und quantitativen Auswirkungen (Anteil der beteiligten Institutionen am Gesamtvolumen der Studienveranstaltungen) haben sich daraus ergeben?
- Gem. § 39b (4) des Hochschulgesetzes darf nur an einer der beteiligten Bildungseinrichtungen die Zulassung zu einem gemeinsam eingerichteten Studium erfolgen. Zu welcher konkreten Vorgangsweise hat diese Bestimmung geführt?
- Haben die Kooperationsvereinbarungen und ihre Umsetzung nach Einschätzung des Bundesministers zu einem koordinierten Nebeneinander zwischen den universitären und den hochschulischen Ausbildungsangeboten, zu einer institutionellen Verflechtung oder zu einer Dominanz eines der beiden Bereiche geführt? Zeichnen sich in diesem Zusammenhang Unterschiede bei Bachelor- und Masterstudien ab?
- Welche maßgeblichen Veränderungen hat es im Bereich der Personalentwicklung und Personalstruktur an den Pädagogischen Hochschulen, gegliedert nach Hochschullehrpersonen, zugewiesenen Bundes- und Landespersonal, bei Lehrbeauftragten und Personal in Mitverwendung seit dem Wirksamwerden des Hochschulgesetzes 2013 gegeben?
- Wie sieht die Entwicklung der Studierendenzahlen für Lehramtsstudien im Primarschul- und Sekundarschulbereich seit 2013 aus?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Entwicklung der Studierendenzahlen für die aktuellen Probleme der Lehrerversorgung an der allgemein bildenden Pflichtschulen und höheren Schulen?
- Welche Fächerkombinationen im Bereich der Lehramtsstudien im Sekundarschulbereich dominieren? Ergeben sich daraus Probleme für die Sicherstellung eines Unterrichtes durch entsprechend qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer?
- Welche Formen der institutionellen Weiterentwicklung hat es in den zurückliegenden Jahren gegeben? Welche Relevanz hat die Einrichtung von Fachdidaktischen Zentren jeweils innerhalb der vier Verbundsysteme oder übergreifend?
- Das Ministerium ist mit der Pädagogischen Hochschule St. Gallen eine Partnerschaft zur Evaluation des Reformprozesses eingegangen. Was ist der aktuelle Planungsstand und wie lauten die grundlegenden Evaluationsziele bzw. welches wissenschaftliche Konzept wird bei dieser externen Evaluation verfolgt?
Für die Redaktion
K.S.