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35 Beratungsrunden und kein Ende?

von Klaus Satzke
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Der neue oberösterreichische SP-Chef hat es - befragt zur aktuellen Lehrerdienstrechtsdebatte - auf den Punkt gebracht: „ Ich kenne die Details natürlich nicht. … Es macht den Eindruck, als sei die Bereitschaft der Lehrergewerkschaft, nur Nein zu sagen, eine sehr hohe. Das ist zu wenig. Ich höre bisher nicht, warum und wieso man dagegen ist.“
Tatsache ist: Die Öffentlichkeit diskutiert seit Monaten ein schulpolitisch wichtiges Thema und die wenigsten kennen die Details. Und die beiden Hauptkontrahenten – Bundesregierung und Gewerkschaft – sind nicht Willens oder nicht in der Lage, die Dinge auf einen Punkt zu bringen, der die wahren Differenzen erklärt.
Ergebnis dieser „Debatte“ ist jedenfalls eine nachhaltige Beschädigung von Ansehen und Berufsmotivation im Lehrerbereich, die das Schulwesen noch lange belasten wird. Wie hat der Bildungspolitik dieses Landes so etwas passieren können?
Vor mehr als 10 Jahren wurde für die Pflichtschullehrer ein neues Dienstrecht beschlossen, dem ein Jahresstundenmodell zugrunde lag und das klarstellte, dass der Lehrerberuf nicht alleine „Unterrichten“ bedeutet, sondern auch Vorbereiten, Planen, Kooperieren, Entwickeln und Fortbilden. Leider wurden die Chancen und Möglichkeiten dieses Modells in Richtung einer individuellen Ausrichtung des jeweiligen Berufskonzeptes nicht ausgeschöpft. Es ist vielmehr gar nichts geschehen, weder eine Ausweitung auf andere Lehrergruppen noch eine Weiterentwicklung des Modells. Wer trägt für diesen unverantwortlichen Stillstand die Verantwortung?
Ebenfalls seit mehr als 10 Jahren wurde und wird die Idee diskutiert, den jungen LehrerInnen beim Berufseintritt mit höheren Bezügen zulasten abgesenkter Bezüge im späteren Berufsphasen – also kostenneutral – entgegenzukommen. Geschehen ist in dieser Frage zunächst ebenfalls nichts. Bis dann 2009 Ministerin Schmied mit der Idee in die Öffentlichkeit trat, die „Anhebung“ der Gehälter von Junglehrern mit einer Erhöhung der Lehrverpflichtung um 2 Stunden zu verknüpfen. In dieser isolierten Form, ohne dass ein umfassendes Dienstrechtskonzept präsentiert werden konnte, war dieser Vorschlag nicht nur der neuen Lehrergeneration gegenüber unfair, sondern auch ein schwerer politischer Fehler, der in der Folge die notwendige Reform des Dienstrechts massiv behinderte. Auch hier ist die Frage zu stellen: Wieso gab es damals kein umfassendes Konzept für ein Dienstrecht, eine Agenda, von der doch jeder wissen musste, dass sie unvermeidlich und notwendig ist?
Ein neues Dienstrecht ist vor allem aus 2 Gründen notwendig:
- Weil sich der Lehrberuf massiv gewandelt hat und nicht mehr alleine durch den Unterricht in einer Schulklasse definiert werden kann (siehe oben, Vorbereiten, Planen, Beraten, Kooperieren, Entwickeln, Fortbilden …).
- Weil mit der „PädagogInnenbildung Neu“ bzw. dem Hochschulgesetz 2013 eine tatsächlich weitreichende Veränderung hinsichtlich Qualität und Abschlussqualifikation beschlossen wurde, die notwendig Konsequenzen im Dienstrecht erfordert.
Fakt ist, dass das Unterrichtsressort die offiziellen Dienstrechtsverhandlungen im April 2011 (!) begann, ohne dass zu diesem Zeitpunkt absehbar war, ob es in dieser Legislaturperiode überhaupt zur Beschlussfassung einer neuen Lehrerbildung (4-jähriges Bachelorstudium + Induktionsphase + Masterstudium) kommen würde.
Die Gewerkschaft hatte wohl den Eindruck, dass sie das unangenehme Thema einer Erhöhung der Lehrerverpflichtung durch Filibustieren hinausschieben kann, und das Unterrichtsministerium wartete zunächst auf eine mögliche Einigung in der Frage einer neuen Lehrerbildung. Wen kann es verwundern, wenn unter diesen Voraussetzungen 35 Verhandlungsrunden ergebnislos verstrichen?
Als dann doch noch das Hochschulgesetz 2013 und damit eine weitrechende Neuordnung der Lehrerbildung beschlossen wurde, war es für eine solide Behandlung dieses Themas im Rahmen der Dienstrechtsverhandlungen schon sehr spät. Jedem musste aber klar sein, dass eine verlängerte Ausbildung und die damit verbundene Höherqualifikation der Lehrer nicht ohne finanzielle Konsequenzen abgehen konnte. Unerklärlich ist, warum nicht schon parallel zur Entstehung des neuen Hochschulgesetzes der Versuch einer Einbeziehung der Interessenvertretung gemacht wurde. Die Lehrergewerkschaften, zumindest jene der Pflichtschullehrer, mussten ja massives Interesse an dieser Ausbildungsreform und der damit verbundenen Anhebung der Bezüge haben. Mangels dieser Einbeziehung brauchten sich die Interessenvertreter nur zurücklehnen, die Vorteile dieser Entwicklung dankend akzeptieren und sich unter dem Druck der AHS-Vertreter auf die Bruchlinien des neuen Ausbildungskonzeptes konzentrieren. Und diese Bruchlinien gibt es zweifellos!
Es ist ein Phänomen der österreichischen Bildungspolitik, dass das Fortschleppen der ungelösten Probleme gleichzeitig immer wieder Argumente für jene liefert, die eine Lösung eben dieser Probleme verhindern. Seit Jahrzehnten wird - vorgeblich zur Erhaltung der Langform des Gymnasiums - eine international übliche Gliederung der Sekundarstufe in eine Mittelstufe und eine Oberstufe verhindert. Bei der Lehrerbildungsreform hat das Fehlen dieser Gliederung ein immer wieder und zurecht gefordertes Stufenlehrerkonzept verhindert, das spezifisch auf die Bedürfnisse der Mittelstufe und der Oberstufe eingeht.
Schlussendlich hat sich die Ministerin Dr. Schmied – wahrscheinlich auch mit Blickrichtung auf das Prestige der neuen Mittelschule – für ein Modell entschieden, das generell und ungegliedert ein Lehramt für die Sekundarstufe vorsieht. Das erfordert Kompromisse, einerseits bei der fachwissenschaftlichen Ausbildung, anderseits bei der Kostenbegrenzung. Jedem Insider musste aber klar sein, dass so ein Modell teuer kommt. Im Wege von Zulagen erfolgt dann doch im Entwurf für ein Gehaltsgesetz eine Differenzierung nach Lehrern, die in der Oberstufe oder der Mittelstufe unterrichten. Dennoch ergibt sich im Endeffekt eine Reform, die insgesamt teuer kommt, aber dennoch aus der Sicht der Lehrer im Bereich der höheren Schulen zu gewissen Einbußen führt. Es fragt sich, ob nicht eine seit Jahrzehnten überfällige Neugliederung der Schulorganisation in Primarstufe, Mittelstufe und Oberstufe am Beginn dieser Legislaturperiode in Angriff zu nehmen gewesen wäre. Die panische Angst zumindest bei manchen Kreisen des Koalitionspartners vor einem möglichen ersten Schritt zur Gesamtschule spielt hier selbstverständlich eine große Rolle, wenngleich diese Angst in einer sachbezogenen Diskussion relativ leicht zu widerlegen wäre. Das Fehlen einer öffentlichen Debatte über solche und andere Fragen ist bedauerlich und führt zu einer Geheimdiplomatie, bei der man dann wissentlich oder unwissentlich immer wieder in eine der ideologischen Fallgruben plumpst.
Fatal ist darüber hinaus, dass im Zusammenhang mit der neuen Ausbildungsgliederung in Lehrer mit Bachelor-Qualifikation und solchen mit Masterqualifikation die Gefahr nicht von der Hand zu weisen ist, dass aus personellen und / oder finanziellen Gründen vermehrt Lehrer eingesetzt werden, die für den Unterricht nicht ausreichend qualifiziert sind, auch wenn das dzt. nicht beabsichtigt sein mag. Hier muss es Klarstellungen oder zumindest Absichtserklärungen über die konkreten Vorgangsweisen geben!
Fazit: Eine unbestritten notwendige Reform des Dienstrechtes benötigt eine langfristige inhaltliche und strategische Planung, um der Komplexität der Fragestellung gerecht zu werden. Man fragt sich, ob die Arbeitsweise der zuständigen Minister, Ministerien und Ministerbüros geeignet ist, mit dieser Komplexität in erfolgversprechender Weise umzugehen.