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Schulverwaltungsreform - „Und täglich grüßt das Murmeltier“

von Klaus Satzke
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Als Ministerin Heinisch-Hoschek kurz nach Amtsübernahme in beträchtliche Schwierigkeiten geriet (Budgetkürzungen, Bifie-Krise und Datenleck etc.), schien es, als würde auch noch die Frage der Bund-Länder-Kompetenzen neuerlich in Diskussion gelangen. Berücksichtigt man die nahezu reflexartig hinausposaunten Positionen – hier Föderalismus und Schulnähe anstelle von Zentralismus, dort Einheitlichkeit des Schulwesens gegen Länderwillkür – dann kann man nur froh sein, wenn diese Diskussion wieder sanft entschlafen ist. Wirkliche Freude kann aber nicht aufkommen angesichts der Tatsache, dass damit eine der wesentlichen Fragen einer Systemreform des österreichischen Schulwesens wieder einmal auf die lange Bank geschoben wird.
Ist eine Systemreform wirklich notwendig? Eindeutig ja, bedenkt man, dass seit 2003 mit jeder Veröffentlichung von PISA-Ergebnissen helle Aufregung herrscht und dringender Handlungsbedarf gesehen wird, aber dennoch im Verlauf von mehr als 10 Jahren immer wieder ähnlich schlechte Resultate erzielt werden. Mit anderen Wort: Seit über 10 Jahren ist es insgesamt 3 Ministern, 9 Amtsführenden Landesschulratspräsidenten inklusive 9 Landesschulratsdirektoren, weit über 200 Schulinspektoren, 14 Pädagogischen Hochschulen und den dort eingerichteten Abteilungen für Lehrerfortbildung nicht gelungen, eine auch nur bescheidene Verbesserung der Lesekompetenz bei Schülerinnen und Schülern herbeizuführen.
Überraschen kann das niemanden, der die Erkenntnisse des Rechnungshofes über den Zustand der Schulverwaltung (siehe RH – Bericht „Schulaufsicht“ v. 27.8.2009) kennt. Dort heißt es unter der Überschrift „Schulverwaltung aus dem Jahr 1962 nicht mehr zeitgemäß“:
Konkrete Vorgaben für bildungspolitische Ziele nicht in ausreichendem Maße vorhanden.
Gründe:
• Komplexe Kompetenzverteilung
• Fehlende Übereinstimmung von Ausgaben-, Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung
• Unterschiedliche Sichtweisen bzw. Interessenslagen
• Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten, Zielkonflikte

Noch deutlicher drückt es die Expertengruppe aus, die dem RH-Bericht zugearbeitet hat:

„Eine einheitlich geführte und wirkungsvolle Ressourcen- und Ausgabensteuerung fehlt.
Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung kann durch die unterschiedliche Kompetenzlage nicht wahrgenommen werden.“

Warum findet die Bildungspolitik dieses Landes auf diese klaren und eindeutigen Aussagen keine Antworten?

Zum einen deshalb, weil es im Gegensatz zu den Sonntagsreden primär um Interessenwahrung und Kompetenzrangeleien geht, nicht aber um die Schule und die Ergebnisse der Bildungsbemühungen.

Zum anderen deshalb, weil die Formulierungen im § 14 der Bundesverfassung letztendlich nur auf eine Klärung von Kompetenzabgrenzungen angelegt sind. Die Bundesverfassung hat damals 1962 - ganz im Geiste der 60er-Jahre – den Versuch unternommen, zu einem Macht- und Interessenausgleich zu gelangen, indem sie Bundesbehörden in den Ländern (die Landesschulräte) vorsieht, die aber vom Landeshauptmann bzw. einem von ihm „eingesetzten“ Amtsführenden Präsidenten geleitet werden.

Dieser Versuch ist gescheitert! Diese Ausgangslage ist verantwortlich dafür, dass sich im Schulwesen bei wichtigen Entwicklungsaufgaben nichts bewegt (siehe PISA ohne Folgen) und man bei wichtigen Führungs- Lenkungs- und Gestaltungsaufgaben grandios scheitert. Der Verfassungskonvent hat das Problem erkannt und Bildungsdirektionen vorgeschlagen. Auf den Begriff hat man sich geeinigt, aber jede Seite versteht darunter etwas anderes. Eine primäre Länderkompetenz würde daran nichts ändern, sie würde vielmehr die nicht Nicht-Kommunikation verschärfen und Schulentwicklungsaufgaben in 9 Ländervarianten aufsplittern. Der Bund würde damit jedenfalls endgültig seine Führungs- und Lenkungsaufgaben aus der Hand geben. Aber auch eine klare Bundeskompetenz unter dem Titel von Bildungsdirektionen stellt keine wirkliche Lösung dar, weil auch das keine echte Systemreform wäre und einfach zu kurz greift.

Schulsysteme in den modernen Industrie- und Informationsgesellschaften können sich nicht an diesen alten und überholten Kategorien orientieren.
Das österreichische Schulwesen hat eine nachgeradezu lächerlich klein dimensionierte Schulautonomie, es fehlt an ernst zu nehmenden Formen einer demokratischen Mitwirkung und Kontrolle (siehe beispielsweise die Kollegien der Landesschulräte), es gibt keine regionale, schulartenübergreifende Koordination (etwa im Sinne von Bildungsregionen) und es besitzt bislang kein funktionierendes System-Monitoring (sie aktuelle BIFIE – Krise).

Notwendig ist eine Systemreform, die endlich von der falschen und irreführenden Gegenüberstellung hier Bund, dort Länder, hier Föderalismus, dort Zentralismus abrückt, die wesentlichen Komponenten des Systems klar benennt, deren Ineinandergreifen sichert und Schulentwicklung an Stelle von Schulverwaltung zum Mittelpunkt der Überlegungen macht.
Vor dem Hintergrund dieser Aufgaben immer wieder in die alten Muster zentral – föderal zurückzufallen, ist so etwas wie geistige Umweltverschmutzung.