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Lehrerbildung Neu – Gibt es ein Konzept oder nur beschönigende Worte?

von K. L. Satzke
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Die 2013 beschlossene Lehrerbildung Neu ist eines der wirklich  wichtigen Projekte im Bildungsbereich mit Langzeitwirkung auf die kommenden Jahrzehnte. Es wurde  - mit erheblichen Schwierigkeiten und unter Zeitdruck – von den Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP 2013  beschlossen und soll im Studienjahr 2015/16 für den Primarschulbereich und 2016/17 für den Sekundarbereich starten. Eine der Voraussetzungen für ein Gelingen der Reform ist die Kooperation zwischen universitärer Lehrerbildung und den Pädagogischen Hochschulen. Dass dieser Prozess nicht leicht wird, musste allen Beteiligten klar sein. Vor allem im Sekundarbereich geht es um nichts  weniger, als um eine Berufsqualifikation, die sowohl den  gymnasialen Aufgaben der Sekundarstufe II (Hinführung zur Universitätsberechtigung) als auch jenen der Sekundarstufe I (Übertritt ins Berufsleben und in die weiterführenden allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen) gerecht werden soll. Diese Anforderungen im Rahmen eines einzigen Qualifikationsprofils für Sekundarlehrer verwirklichen zu wollen, das ist fürwahr eine kühne Zielsetzung!

Nun gibt es nach 2-jährigen  Vorarbeiten durchaus ermutigende Signale. Die von der  Qualitätssicherungskommission angeregten Kooperationverbünde zwischen Universitäten und Hochschulen scheinen sich in den Bereichen Mitte (OÖ, Sbg), West (T, V) und Südost (St, K, B) einigermaßen zu bewähren.

Vom Verbund Nordost (W, NÖ) kann das allerdings nicht behauptet werden, wenngleich sich die Ministerin und der Qualitätssicherungsrat sichtlich bemühen, die Situation zu beschönigen.

Da sich die Hochschulräte und Rektorate der Pädagogischen Hochschulen nahezu lückenlos verschweigen, bedurfte es der Studentenvertretung, dass die Wahrheit ans Licht gelangte. Es ist jedenfalls schon einigermaßen kurios, wenn erst durch die Hochschülerschaft bzw. die Studentenvertretung darauf hingewiesen werden muss, dass nur mehr 3 Monate Zeit bleiben, um zu  koordinierten, gemeinsamen Curricula zu  gelangen. Die Kooperation geht in der Realität eher gegen Null und von einer Abstimmung wichtiger Ausbildungsinhalte kann keine Rede sein!

 Eine der Ursachen für diese Situation liegt sicher bei den gesetzlichen Regelungen. Das novellierte Hochschulgesetz legt für die Pädagogischen Hochschulen im Bereich des Lehramts für den Sekundarbereich eine klare Kooperationsverpflichtung mit den Universitäten fest, nicht aber vice versa das Universitätsgesetz für die Universitäten. Man fragt sich, ob diese Merkwürdigkeit allen Abgeordneten beim Gesetzesbeschluss im Nationalrat bewusst war.

 Auf dieser formal-rechtlich korrekten Basis hat die Uni Wien die Curricula für Bachelor und Master im Rahmen des Lehramts für die Sekundarstufe im Alleingang beschlossen und auch schon dem Qualitätssicherungsrat vorgelegt.

Dazu der  Standard vom 23.6.2015 („Lehrerausbildung: Fortsetzung im Schulchaos“): „Statt einen neuen Lehrplan zu entwickeln, der auf Veränderungen im Schulsystem eingeht und das Beste beider Ausbildungsstätten vereint, münzen die Hochschulen den Studienplan der Uni Wien einfach auf die Pädagogischen Hochschulen um. Geschmückt mit zusätzlichen pädagogischen Lehrveranstaltungen, verkaufen sie das als Durchbruch.“ Der Standard v. 23.6.2015

 Das Merkwürdige an der verworrenen Situation: Von den zuständigen Hochschulräten und Rektoraten ist in dieser Frage keine Meinungsäußerung zu hören. Auch aus der Sicht des Qualitätssicherungsrates (QSR) scheinen die Dinge im Großen und Ganzen richtig zu laufen. Er übt an den vorgelegten Curricula zwar im Detail Kritik, befasst sich aber in seiner Stellungnahme überhaupt nicht mit der Frage einer kooperativen Entwicklung der Curricula zwischen Universitäten und Hochschulen. Der QSR agiert eher wie eine ministerielle  Abteilung, die sich an genau geregelte Verfahrensprozeduren hält, aber keine echte Steuerungsfunktion wahrnehmen will.

Was ist mit Steuerungsfunktion gemeint? Es geht eben primär nicht um Details der Curricula-Entwicklung, sondern um das fehlende bzw. nicht ausreichend kommunizierte Gesamtkonzept. Es geht um die Frage, wie im Rahmen eines einheitlichen Ausbildungsganges die künftigen Sekundarlehrer einerseits auf die spezifischen Aufgabenstellungen der Mittelstufe (also der Mittelschule und der Unterstufe der AHS) und andrerseits auf jene der Oberstufe vorbereitet werden können. Diese Fragen können sicher nicht durch ein nur eben leicht modifiziertes Ausbildungscurriculum der alten Gymnasiallehrer-Ausbildung beantwortet werden! Dafür bedarf es eines Rahmenkonzeptes, das die großen Leitlinien einer inhaltlich neu ausgerichteten Lehrerbildung erkennen lässt. Ohne derartige Leitlinien ist nicht auszuschließen, dass unter dem Titel Lehrerbildung neu die tradierte Form der gymnasialen Lehrerbildung einfach fortgeführt wird. Klar sollte auch sein, dass es vor diesem Hintergrund auch um die Fragen der Ressourcenverteilung und des Personaleinsatzes geht! Aber zu allererst sollte doch die Öffentlichkeit erfahren, welche neuen anspruchsvollen Qualifikationen sie von den Absolventen der neuen Lehrerbildung erwarten darf!

 Vor kurzem hat sich der Unterrichtsausschuss mit dem Stand der Umsetzung im Bereich der Lehrerbildung Neu auseinandergesetzt. Dem Bericht der Parlamentskorrespondenz ist zu entnehmen, dass sich aus der Sicht des Qualitätssicherungsbeirats die Pädagogischen Hochschulen und die Universitäten noch nicht auf gleicher Augenhöhe begegnen und vor allem ein Mangel an angemessen qualifiziertem Ausbildungspersonal (wissenschaftlich fundierte Fachdidaktik) festzustellen ist und dass es insbesondere an den Hochschulen große Defizite im Forschungsbereich gibt. Wahre Worte, wenngleich in eine beschönigende, diplomatische Sprache gefasst. Das ist – zumindest an den PHs - das Resultat einer jahrzehntelangen falschen Personalpolitik durch Kuratorien und Hochschulräten. Auch da hat niemand genau hingesehen und die Dinge laufen lassen. Aber wo ist das Konzept gegen eine sich anbahnende Fehlentwicklung?

Harald Walser von den Grünen forderte lt. Protokoll „eine klarere Strukturierung der Zusammenarbeit und eine Harmonisierung der LehrerInnenausbildung für die 10-14-jährigen SchülerInnen bzw. die darauf folgende Altersgruppe“. Goldene Worte, aber wie soll das kurzfristig im Rahmen der laufenden Arbeitsprozesse umgesetzt werden? Er kann doch nicht der Einzige in dieser Runde sein, der erkannt hat, dass es um eine Richtungsentscheidung geht, bei der aber die wichtigsten Ziele noch gar nicht auf den Tisch gelegt sind. Wäre diese Klärung  nicht die vordringlichste Aufgabe für die Arbeit des Qualitätssicherungsrates? Die Lehrerbildung Neu ist kein Selbstläufer und sie sollte daher konsequenter Weise im Mittelpunkt der mit großen Worten angekündigten Beratungen über eine Schulreform stehen!

Wie sich die Bilder gleichen! Siehe „Die Zeit“: http://www.zeit.de/2015/24/lehrer-ausbildung-bilanz

K.S.