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Die Bildungsreform 2016: „'s ist all´s nur Chimäre, doch mich unterhalt´s!“ (J. Nestroy)

von Helmut Seel
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Die Regierungsparteien hatten den Termin lange vorher fixiert: Im November 2015 musste nach der Steuerreform die große Bildungsreform über die Bühne gehen! Einig war man sich in der Sache zu diesem  Zeitpunkt allerdings nicht geworden, die Positionen waren weiterhin ideologisch einbetoniert, die Machtgelüste der Landesfürsten ungestillt. Mit beachtlichen schauspielerischen Leistungen führten Bundesministerin Heinisch-Hosek und Staatssekretär Mahrer eine Einigung vor, die es in wichtigen Punkten gar nicht gab. Dies gilt, auch wenn die Ministerin die Reform gagenüber der Presse am  29 .2. verteidigte.

 In der Verwaltungsreform reden alle von Bildungsdirektionen als Ersatz der Landesschulräte.  Verstanden wird darunter jedoch  hinsichtlich Zuständigkeit und Zugehörigkeit Unterschiedliches: Zuständigkeit für alle Lehrer? Bundes- oder Landesbehörde ?  Der Machtkampf zwischen Ministerium  und den Landeshauptleuten ist noch im Gang. Durch die Reform des Lehrerdienstrechts wurde die Situation noch schwieriger.

Es zeigt sich: Wenn nur irgendwo die Festung der Reformverweigerung der ÖVP  angenagt wird, entstehen Bruchlinien im System. Es ist die Reform der Lehrerbildung, die 2013 durchgesetzt wurde. Die ÖVP blockierte zwar die Einführung eines speziell qualifizierten Mittelstufenlehrers (Sekundarstufe I, Schulstufen 5 - 8), um die Langform der AHS nicht zu gefährden.  Sie stimmte aber der Einführung eines Sekundarstufenlehrers für die Schulstufen 5 -13 und damit der Lehrerbildungsreform zu.

 Hier kommt die Dienstrechtsreform ins Spiel, die von der der Lehrergewerkschaft nach dem Prinzip „Gleiche Bezahlung für gleiche Leistung, unterschiedliche Bezahlung für unterschiedliche Leistung!“ geführt wurde. Durch ein ausgeklügeltes System von Zulagen werden die gleichen Bezüge in der AHS- Unterstufe und in der Mittelschule (Sekundarstufe I) vorgesehen und bessere Bezahlung des Unterrichts in der Oberstufe des Schulsystems (Sekundarstufe II)  sichergestellt. Damit spricht ein wichtiges Argument mehr gegen die Beibehaltung einer zweigeteilten Lehrerpersonalverwaltung und für eine Vereinheitlichung auf Bundesebene.

 Einer Reform der Schulorganisation ging man aus dem Weg. Nicht einmal  die im Lehrerdienstrechtsgesetz bereits vorgesehene Gliederung des Schulsystems in eine Sekundarstufe I  bzw.  II wurde in Aussicht genommen. Vielmehr wurde Vernebelungstaktik  eingeschlagen: Die Bestrebungen um eine gemeinsame Schule  für die Zehn- bis Vierzehnjährigen, das zentrale Anliegen der SPÖ, werden totgeschwiegen. Vielmehr wird von einer gemeinsamen Schule der Sechs- bis Fünfzehnjährigen gesprochen, für welche ab dem Schuljahr 2016/17 Schulversuche in  einer offenbar noch in Diskussion stehenden Größenordnung eingeführt werden können. Das Konzept einer solchen Schule wurde bisher in Österreich noch nicht ernsthaft diskutiert, auch wenn eine solche Schulform in einem Papier der Industriellenvereinigung („Beste Bildung für Österreichs Schulen“) zur Diskussion gestellt worden ist. In den skandinavischen Staaten ist diese Schulorganisation bereits zur unumstrittenen Tradition geworden. Aber von einer derartigen Veränderung war bisher nie die Rede. In Österreich kämpfte die Sozialdemokratie nahezu ein Jahrhundert lang  für eine gemeinsame Schule für die Zehn-  bis Vierzehnjährigen. Unbestritten ist die Notwendigkeit einer grundlegenden Erneuerung der Volksschule. Das Klassenlehrer-Modell hat ausgedient. In der Eingangsstufe arbeitet ein Lehrerteam. In der 3. und 4. Schulstufe unterrichten  zwei Lehrer, einer mit sprachlichem, der andere mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt. Beide Maßnahmen sind längst in Schulversuchen erfolgreich erprobt (1970 – 1978 „Eckmayr“-Modell)

 Im Augenblick ist jedoch für die ÖVP wichtig: Diese neuen Schulversuche (Modellregion „Schule der 6 – bis 14-jährigen“) laufen im ersten  Durchgang bis 2026, früher braucht man sich keiner Gesamtschuldiskussion mehr zu stellen. Das Gymnasium bleibt weiterhin unbestrittenes Bildungsinstrument einer privilegierten Gesellschaftsschicht. Wahrlich ein bildungspolitischer Geniestreich der ÖVP!  Und eine sozialdemokratische Unterrichtsministerin will dies als erfolgreichen Kompromiss verkaufen? Damit betreibt sie vielmehr einen Verrat an der sozialdemokratischen Bildungspolitik.