Für Sie gelesen: Best of Schule / Niki Glattauer
von Klaus SatzkeArtikel drucken
Niki Glattauer ist mit seinen zahlreichen Büchern und Diskussionsbeiträgen in Presse und TV zu einer Art Markenzeichen für unkonventionelle Ansichten über Schule und Schulreform geworden. Er liebt es, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, verpackt diese in lebens-/schulnahe Anekdoten und lässt in einer bunten Mischung Schüler, Lehrer-Kollegen, Minister und Bildungsexperten zu Wort kommen. Auch das vorliegende Buch mit seinen betont knapp gehaltenen 16 Kapiteln ist bunt, originell, manchmal chaotisch, oft hintergründig-witzig, nicht selten auch kalauernd. So unterschiedlich auch die thematischen Zugänge sind, so konsequent und durchgängig dienen sie dem Hauptanliegen des Autors, der nahezu verzweifelten Situation der Hauptschule / Neuen Mittelschule im großstädtischen Bereich Ausgangs- und Endpunkt der kritischen Auseinandersetzung ist immer wieder die Migrationsproblematik, zu deren Bewältigung Schule einen ganz entscheidenden Beitrag zu leisten hätte und an der sie doch immer wieder scheitert. Der Autor sieht klare Anzeichen für eine bereits existierende Parallelgesellschaft und spricht von einem gesellschaftspolitischen Desaster. In zahlreichen Anekdoten schildert er die brutale Realität der städtischen Rest- und Ghettoschulen, wo die sozialen und familialen Probleme des Umfeldes das Unterrichtsgeschehen prägen und wo die Schulen an der Aufgabe der Vermittlung grundlegender Kulturtechniken scheitern. Die Trennung der Bildungslaufbahnen nach dem Abschluss der Volksschule ist gewissermaßen der Brandbeschleuniger, der die sozial-familialen Benachteiligungen endgültig fixiert, zu massiven Fluchtbewegungen in die Gymnasien und Privatschulen motiviert und den Zurückbleibenden die Aussichtlosigkeit am Arbeitsmarktes vor Augen führt.
Vor diesem dramatischen Hintergrund gesehen erscheint dem Autor das ideologisch bestimmte Hickhack um eine Schulreform, die fast immer nur zu einer Mini-Reform gerät, als reiner Zynismus. Glattauer erklärt daher feierlich: „Ich werde mich zur Schule erst dann wieder zwischen zwei Buchdeckeln äußern, wenn eine Schulreform umgesetzt ist, die diesen Namen auch verdient … „. Er lässt die Schulpolitik mit dieser Drohung allerdings nicht ganz alleine, sondern formuliert gewissermaßen als Vermächtnis 10 Punkte an den Kanzler („Schule wird Chefsache“) mit der Aufforderung, endlich Reformen statt Reförmchen zu machen. Das ist nicht frei von öffentlich wirksamer Theatralik, von der Glattauer ja einiges versteht, ist aber - sachlich betrachtet - Ausdruck seiner Überzeugung, dass mit Kommissionen, Expertisen, Weißbüchern etc. der Karren nicht mehr aus dem Dreck zu ziehen ist. Wie denn nun Kanzler und Co. das Gesetz des bildungspolitischen Handelns an sich ziehen und die Widerstandskämpfer gegen weitreichende Reformen in die Defensive drängen könnten, darauf lässt sich der Autor allerdings nicht ein. Es könnte also eine Weile dauern, bis sich der Autor mit einem neuen Buch zu Wort meldet.
Best of Schule / Niki Glattauer
Kremayr & Scheriau
ISBN 978-3-218-01041-2
Wien 2016