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Gedanken zur Novellierung des Universitätsstudienrechts

von Helmut Seel
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Der Wissenschaftsminister lässt nicht locker: Die Novelle zum Universitätsgesetz wurde in die Begutachtung gesandt. Der (ohnehin nicht mehr ganz) freie Zugang zum Universitätsstudium  ist der ÖVP ein Dorn im Auge. Sie möchte daher die Finanzierung der Universitäten auf neue Beine stellen. Für alle Studienrichtungen soll die Zahl der Studienplätze festgelegt werden, wenn die „zukünftige kapazitätsorientierte studierendenbezogene Universitätsfinanzierung“ realisiert wird. Neben der Zahl der Interessenten soll die Lehrqualität (gemessen an der Zahl der Studienabschlüsse und der Studiendauer) ein Finanzierungsfaktor sein. Dies entspricht der Ideologie des Neoliberalismus, der sich die ÖVP verpflichtet sieht. Dieser ist bestrebt, die Leistungen der öffentlichen Hand zu begrenzen und zu kontrollieren. Die ÖVP folgt dabei der Ordnung der Fachhochschulen. Dort gilt - gesetzlich festgelegt -, dass Studienrichtungen bedarfsorientiert eingerichtet (aber auch eingestellt) werden und  deren Zahl der Studienplätze limitiert ist.

Die Universitäten  haben hingegen in ihren Disziplinen das gesamte Feld der Wissenschaften zu repräsentieren, und zwar unabhängig von einer aktuellen gesellschaftlichen  Wertschätzung. Es muss sie unabhängig von der Zahl der jeweiligen  Studieninteressenten geben. Im Zuge der Entwicklung der Wissenschaften wächst die Zahl der Fächer  durch Spezialisierung und  Neuentdeckung. Dazu ein historisch orientierte Betrachtung.

In alter Tradition bildet die Universität für bestimmte gesellschaftlich bedeutsame Berufe aus. In der mittelalterlichen Universitätsstruktur, die bis ins 18. Jahrhundert bestand,  geschah dies in den „oberen Fakultäten“ der  Medizin, Jurisprudenz und Theologe: Ärzte, Richter und Anwälte,  Priester treten in die entsprechenden Berufsfelder ein. Dies ist bis heute so geblieben.  Und hier lässt sich auch ein konkreter gesellschaftlicher Bedarf abschätzen und festlegen (vgl. die „bedarfsorientierte“ Studienplatzfestlegung zur Abwehr ausländischer Studienbewerber für das Medizin- und das Psychologiestudiun).  Dazu ist im 19. Jahrhundert die Ausbildung der Lehrer der höheren Schulen gekommen. Ist die Zahl der für diese Ausbildungen Interessierten zu groß im Hinblick auf den Bedarf der jeweiligen Berufsfelder,  so kann die Zahl der Studienplätze limitiert werden, und man kann die Ausbildungskapazitäten danach ausrichten. Aber in diesen Disziplinen wird auch vertiefende und erweiternde Forschung betrieben, die sich nicht wie ein Ausbildungsprogramm normieren lässt. Ähnliches gilt für Universitäten, die 1975 aus den „alten“ Hochschulen entstanden sind: Technik, Bodenkultur, Veterinärmedizin, Welthandel, Montanistik, Kunst.

In den Philosophischen Fakultäten der „alten“ Universitäten entstanden im 19. Jahrhundert die „freien“ Wissenschaften“, die Natur- und Kulturwissenschaften. Ihnen sind meist keine beruflichen Wirkungsfelder spezifisch zuzuordnen. Sie sind im Fächerkanon der allgemeinbildenden höheren Schulen in langer Tradition  abgebildet. In diesem fehlen bezeichnender Weise die Fächer Gesundheitslehre und Rechtskunde bis heute, während die Informatik Aufnahme gefunden hat Die „freien“ Wissenschaften betreiben  „Grundlagenforschung“. Manche von ihnen entwickeln, abhängig von den Veränderungen in der Gesellschaft, neue Berufsfelder. Als Beispiel kann die Psychologie dienen. Einerseits kann es gar nicht genug psychologisches Wissen in der Gesellschaft geben, anderseits kann auch ein Bedarf an Psychotherapeuten und Gesundheitspsychologen abgeschätzt werden.

Im  breiten Feld der Natur- und Geisteswissenschaften ist die Limitierung von Studienplätzen wesensfremd. Gerade in diesen will aber die Novellierung des Universitätsgesetzes Einschränkungen bringen. Beispielsweise in den Sprachen und der Pädagogik. Es muss jedoch im Zeitalter die Internationalisierung ein Anliegen sein,  so viel fremdsprachliches Verständnis neben der sprachlichen Kompetenz wie möglich zu gewinnen. Es geht ja nicht bloß um die Vermittlung der Fremdsprachen. Und die Verbreitung erziehungswissenschaftlichen Wissens kann doch  die Qualität des Aufwachsens in der Gesellschaft wesentlich beeinflussen.

Die Begrenzung der Studienplätze bringt differenzierte und komplizierte Aufnahmeprüfungen mit sich, deren Inhalt an fachlichem Vorwissen durch das österreichische Schulsystem, welches zu wenig studienorientierte Vertiefung zulässt, nicht vermittelt wird. Die „allgemeinen Universitätsreife“ , welche die höheren Schulen verleihen, muss durch eine „besondere  Universitätsreife“ , die studienrichtungsbezogen an den Universitäten  zu erwerben ist, ergänzt werden. In privaten Paukkursen wird daher auf diese Prüfungen vorbereitet. Dies  verlängert die Ausbildung und erzeugt zusätzliche Kosten. Im Hinblick auf Bildungschancengleichheit ist dieses System kontraproduktiv. Ferner verlieren  wohl alle Maßnahmen im Bereich der Reform der Reifeprüfung an den höheren Schulen angesichts der Entwertung dieser Prüfung ihren Sinn.  

Angesichts der  Verlängerung des Lebensalters der Menschen kommt außerdem dem Seniorenstudium wachsende Bedeutung zu. Das „vierte“ Lebensalter nach dem Ausscheiden aus dem Beruf und damit aus der  Arbeitswelt gibt die Chance, den individuellen Interessen an neuem Wissen nachzugehen, ohne primär an Abschlüsse zu denken. Aber auch die Zahl der „nicht traditionellen Studienwerber“, zu denen  die „älteren Menschen“ zählen, soll limitiert werden.

Der freie Zugang zu allen Universitätsstudien muss grundsätzlich erhalten bleiben, die Limitierung von Studienplätzen kann an den Universitäten nur die (umstritten bleibende) Ausnahme sein. Die Fachhochschulen können nicht als Vorbild herangezogen werden. Die SPÖ besteht zu Recht auf den freien Zugang zu allen Studien an den Universitäten. Den ersten Vorstoß der ÖVP dagegen konnte man durch den Beschluss der globalen Universitätenfinanzierung für die kommenden Jahre ohne die Stimmen der ÖVP im derzeitigen „freien Kräftespiel“ im Nationalrat unterlaufen. Den neuerlichen Vorstoß des Wissenschaftsministers sollte man jedoch im Trubel des Wahlkampfs nicht übersehen. Die „zukünftige kapazitätsorientierte studierendenbezogene Universitätsfinanzierung“ sollte keine Zukunft haben. Die österreichischen Interessen in den Studien, die in Deutschland von „Numerus clausus“-Bestimmungen betroffen sind, kann man auch anders sichern.

H.S.