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Alle Jahre wieder; Die OECD kritisiert das österreichische Schulsystem wegen der zu geringen sozialen Mobilität

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Der „Kleinen Zeitung“ ist das einen Leitartikel wert (13. 9.:„Bildung wird noch immer vererbt“), steht Österreich doch  hinsichtlich der sozialen Durchlässigkeit an letzter Stelle der europäischen OECD-Staaten. Die Bildungsministerin findet dies als ein „alarmierendes Ergebnis“, denn „Chancengleichheit  für alle Kinder, unabhängig von  Einkommen, Herkunft oder Bildungsgrad der Eltern ist das erklärte Ziel“. Ihr Vorhaben. dazu mehr Geld in die Neuen Mittelschulen zu pumpen, ist allerdings nicht zielführend. Mit dieser Neuen Mittelschule ist kein Staat zu machen, sie bleibt immer der Zweite Klassenzug des Schulsystems in der Sekundarstufe I. Die Bildungswissenschaftlerin Prof. Spiel weiß es schon: Es „liegt an den vielen Schnittstellen im Bildungssystem. Nach der Volksschule muss ja schon gewählt werden, in welchen Schultyp man wechselt. Gebildetere Eltern geben ihre Kinder viel häufiger  ins Gymnasium.“  

Aber das Wort „Gesamtschule“ als gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen kommt als Mittel zur Problemlösung niemandem  über die Lippen.  Dabei ist der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ zu entnehmen, dass die skandinavischen Staaten mit ihrer langen Gesamtschultradition die ersten Plätze bei der sozialen Durchlässigkeit erreichen. Leider bekennen sich nur die Grünen zu dieser schulorganisatorischen Form. Aber von der sozialdemokratischen Bildungsministerin Hammerschmid hätte man doch ein verbales Bekenntnis erwartet.  Die Koalition mit der ÖVP steht  ohnehin vor ihrem Ende. In der ÖVP ist das Gymnasium „in Stein gemeißelt“. Ihre Ideologie, dass eine privilegierte Schicht in dieser Gesellschaft existiert, welche die „wahren Leistungsträger“ sind, und dass dieser Schicht auch eine exklusive Schule entspricht, leitet sie. Die Bildungslaufbahn der Kinder dieser Gesellschaftsgruppe wird durch das Elterninteresse am Ende der Grundschule entschieden. In dieser Hinsicht konsequent ist die Positionierung der FPÖ. Auch sie hält am Gymnasium  fest,  solange sie von akademischen Burschenschaftern beherrscht wird.  Ihre Urahnen in der Ersten Republik dachten anders: Im Parteiprogramm der Deutschnationalen wurde die Gesamtschule nachdrücklich gefordert.

Die Gesamtschulgegner brauchen also keine Angst zu haben. Es wird nach der Nationalratswahl keine tragfähige Koalition ohne Gesamtschulverweigerer geben. Trotzdem sollte man die Gesamtschule durch eine Reform  der Neuen Mittelschule vorbereiten, da  doch auch noch andere Gründe als die Chancengerechtigkeit für sie sprechen:

  • Die bessere Entdeckung und Förderung von Begabungen,
  • transparente Leistungsforderungen und Leistungsbeurteilungen als Grundlage für  Leistungsmotivation,
  • klare  Vorbereitung auf die differenzierten Abschlüsse der Sekundarstufe I und der damit verbundenen Übertrittsberechtigungen,
  • gezielte Maßnahme zur Unterstützung lernschwacher Schüler zur  Verhinderung der schlechten Ergebnisse, wie sie in den PISA-Studien nachgewiesen werden.

Leider fehlen in den ausgelaugten städtischen Neuen Mittelschulen die wichtigen Lernvorbilder. Vergleichsuntersuchungen haben nachgewiesen: Schlechte Schüler profitieren von der Gesamtschule, gute Schüler lernen gleich gut wie im Schultypensystem.  Die Leistungen in der sozialen Integration werden in der Neuen Mittelschule begrenzt bleiben. Sie gelingt besser, wenn der schulische Sozialverband die gesamtgesellschaftliche Situation repräsentiert.

Erst in solchen Gesamtschulen könnten die vorgesehenen finanziellen Unterstützungen  wirkungsvoll eingesetzt werden, welche die Bildungsministerin verspricht. In diesem Rahmen macht ein differenzierter Mitteleinsatz Sinn, weil die schulischen Rahmenbedingungen vergleichbar sind. In den großstädtischen Neuen Mittelschulen werden  die zusätzlichen Ressourcen  keine nachhaltige Wirkung haben, aber ganztägige schulische  Betreuung lässt sich selbstverständlich  bereits für die Neue Mittelschule einrichten.

Häufig wird von Gesamtschulgegnern gedroht, dass im Fall der Einführung der Gesamtschule für die Zehn- bis Vierzehnjährigen die Eltern noch stärker in die Privatschulen ausweichen würden. Dem könnte ein Riegel vorgeschoben werden: Aufkündigung der Konkordatsbestimmungen über die Bezahlung der Lehrer in dem konfessionellen Privatschulen. Ist es nicht absurd, dass der Staat die Zerstörung des staatlichen Schulsystems selbst finanziert?

H.S.