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Minister Polaschek will eine kürzere Lehrerausbildung - Evidenzbasierte Daten und Fakten fehlen!

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Knapp vor Jahreswende 2022 kündigte Minister Polaschek über die Medien (u. a.  Standard vom 8.11.2022) an, dass er eine kürzere Lehrerausbildung für die Sekundarstufe will. Fünf statt sechs Jahre Ausbildung sollen laut dem Bildungsminister reichen. Auch der Bachelor sollte von 6 Semestern auf 4 Semester verkürzt werden. Auf evidenzbasierte Daten kann er sich dabei aber nicht stützen. 

Erinnern wir uns! Mit dem Hochschul- und Universitätsgesetz 2013 wurde die Ausbildung der LehrerInnen für die Primar- und  Sekundarstufe unter dem Titel “Lehrerbildung Neu” grundlegend reformiert.  Die sichtbarste Neuerung war eine deutliche  Verlängerung des Studiums, was  von Anfang an mit dem Versprechen verbunden war, dass es zu einer nachhaltigen Qualitätsverbesserung kommen soll.  Das, was der Minister da angekündigt hat, das ist also keine Kleinigkeit. Es ist gewissermaßen ein Hü auf das Hot der Reform von 2013. Und es stellt sich die Frage: Kann man so etwas machen, ohne eine ausreichende fakten- und evidenzbezogene Basis zu haben? Es kann doch wohl nicht so sein, dass dieser Plan nur eine Antwort auf den aktuellen Lehrermangel ist! Schon 2013 war jedenfalls allen Beteiligten klar, dass die Reform „Lehrerbildung  Neu“ einer umfassenden Evaluation bedarf, die Rechenschaft darüber ablegt, ob die Qualitätsziele auch tatsächlich erreicht werden und ob sich die hohe zeitliche Investition in eine langes Studium auch lohnt.  Das Hochschulgesetz 2013 nennt das Ziel einer externen Qualitätssicherung der Lehramtsstudien und richtete hiefür einen Qualitätssicherungsrat ein.

Somit stellt sich die Frage, auf welche evidenzbasierten Erkenntnisse sich Minister Polaschek stützen kann.  Fragt man im Ministerium nach, dann wird man nach einigen Wochen auf die Publikation „PädagogInnenbildung / Evaluationen und Analysen (Vertrieb Klosterladen Stift Heiligenkreuz) verwiesen. Auf den ersten Blick ist erkennbar, dass hier ein  voluminöses Werk von annähernd 700 Seiten vorliegt, das zum Teil sehr spezielle Fragenkreise (Aufnahmeverfahren, Digitale Kompetenzen, Diversität und Inklusion, Mint und Mädchenförderung, Prävention und Antisemitismus, aber auch “Evaluierung der PädagogInnenbildung Neu” mit den Teilbereichen Primarstufe und Sekundarstufe Allgemeinbildung und Berufsbildung) enthält.

Die Enttäuschung ist allerdings groß, wenn man feststellen muss, dass das Untersuchungsdesign im besonders sensiblen Bereich der “Sekundarstufe, Allgemeinbildung” lediglich auf einer Befragung von Studierenden beruht. Befragt werden Studierende  und Junglehrpersonen darüber, wie sie ihre erworbene professionelle Kompetenz selbst einschätzen bzw. wie die Studierenden ihre diesbezüglichen Lerngelegenheiten an den Hochschulen bewerten. Wenn hier von Enttäuschung die Rede ist, dann wendet sich das nicht gegen das Untersuchungsdesign selbst, weil natürlich eine Befragung und Selbsteinschätzung der involvierten Lehramtsanwärter durchaus interessant ist. Enttäuschend ist vielmehr das Faktum, dass man damit der Komplexität der Fragestellung einer Gesamtevaluation in keiner Weise gerecht wird. Immerhin geht es im gegenständlichen Fall der „Lehrerbildung Neu“ um eine Umstellung

  • in institutioneller Hinsicht (Kooperation Hochschule- Universität, Zusammenschlüsse in Verbünden), 
  • in zeitlicher Hinsicht (Mindestdauer 12 Semester in der Sekundarausbildung), 
  • in inhaltlicher Hinsicht (umfassende Curriculumentwicklung, Neuordnung der pädagogisch-praktischen Studien) und 
  • in personeller Hinsicht (Weiterentwicklung vorhandener personeller Ressourcen, Gewinnung zusätzlicher personeller Ressourcen). 

Zugutehalten muss man den Verantwortlichen der Studie, dass sie ziemlich schonungslos die Schwächen der Untersuchung offenlegen:

  • Aufgrund der beschränkten Rücklaufquote handelt es sich um keine repräsentative Zufallsstichprobe.
  • Es sind keine Vergleiche zwischen den einzelnen Hochschulen bzw. Universitäten und Verbünden möglich.
  • Die Rücklaufquote bei den Junglehrpersonen ist zu klein, um in die Gesamtheit der Stichprobe einbezogen zu werden.
  • Beginn und Mitte des Bachelorstudiums der Befragten fiel unter den Sonderfall von pandemischen Bedingungen (Covid-19)

Das vom Qualitätssicherungsrat mehrfach formulierte Ziel einer Gesamtevaluierung  wurde mit dem vorliegenden Forschungsdesign jedenfalls nicht erreicht, ja nicht einmal angestrebt. Lehrerbildung bleibt so gesehen nach wie vor eine Black-Box, in die hohe Erwartungen und ebenso hohe finanzielle und personelle Ressourcen investiert werden, über deren Ergebnisse wir aber sehr, sehr wenig wissen. Für die Absichtserklärungen von  Minister Polaschek bedeutet das, dass er Grundsatzentscheidungen über einen Umbau der Lehramtsstudien anstrebt, ohne sich auf evidenzbasierte Fakten stützen zu können. Es geht ihm, wie dem Wilden mit seiner Maschin: “I hob zwoar ka Ahnung wo i hinfoahr, aber dafür bin i gschwinder duat.“

K.S.