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Helmut Seel / Unterrichtspraktikum für die Pflichtschullehrer ?

von Helmut Seel
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Die Absicht, die Pflichtschullehrerbildung auf das Niveau der Ausbildung der AHS-Lehrer anzuheben, wird in der Absichtserklärung des Akademiestudiengesetzes 1999 klar formuliert: §1: „Der Bund wird innerhalb von acht Jahren hochschulische Einrichtungen für die Ausbildung der Pflichtschullehrer schaffen. .... Die erforderlichen organisations- und studiendienrechtlichen Regelungen an den hochschulischen Einrichtungen sind entsprechend den für Hochschulen oder Universitäten üblichen Standards auszuführen. .... Die Studienabschlüsse an diesen hochschulischen Einrichtungen sind kompatible akademische Grade. .... Die Beziehungen zur universitären Lehrerbildung sind so zu gestalten, dass Synergien erzielt werden. ...."

Die Lehrerbildung an den Universitäten wurde 1974 durch das „Gesetz über geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Studienrichtungen" als Diplomstudium mit akademischer Graduierung (Magister) eingerichtet. Dieses vermittelt aufgrund der Einbeziehung der schulpraktischen Ausbildung (Einführungsphase und Übungsphase des Schulpraktikums) eine abgeschlossene Berufsvorbildung. Dadurch wurde die vormalige Staatsprüfung für das Lehramt für höhere Schulen mit der anschließenden schulpraktischen Ausbildung im Probejahr abgelöst.

Da infolge der hochschuladäquaten Autonomie der Studiengestaltung die Schulverwaltung nunmehr keinen Einfluss auf die Studienplangestaltung der Lehramtsstudiums nehmen konnte, wurde das frühere „Probejahr", das im Anschluss an die staatliche Lehramtsprüfung die schulpraktische Ausbildung mit einem Einführungsdienst verbunden hatte, durch das „Unterrichtspraktikum" (Gesetz über das Unterrichtspraktikum 1988) ersetzt. Es stellt einen Einführungsdienst dar (eigenverantwortliche, aber beaufsichtigte Lehrtätigkeit verbunden mit verpflichtender Fortbildung durch die Schulverwaltung). Die Universitäten wurden bei der Gestaltung dieses Ausbildungsabschnittes ausdrücklich ausgeschlossen. Ziel des „Unterrichtspraktikums" ist (vgl. § 1): „Das Unterrichtspraktikum soll die Absolventen der Lehramts- und Diplomstudien in das praktische Lehramt an mittleren und höheren Schulen einführen und ihnen Gelegenheit geben, ihre Eignung für das Lehramt zu erweisen." Die Absolvierung des Unterrichtspraktikums ist Voraussetzung für die Aufnahme in den Schuldienst. Es ist vergleichbar mit dem Referendariat in der deutschen Lehrerbildung. Dort wird allerdings das Universitätsstudium für alle Lehrerkategorien mit einer ersten Staatsprüfung abgeschlossen, das Referendariat mit zweijähriger Dauer mit der zweiten Staatsprüfung zum Lehramt.

Die bisherige Ausbildung zu den Pflichtschullehrer-Kategorien (Volksschule, Hauptschule, Sonderschule) mit einer jeweils sechssemestriger Dauer an den Pädagogischen Akademien sah kein Unterrichtspraktikum vor. Die pädagogischen Akademien hatten den Charakter von Schulen (Regelung im Schulorganisationsgesetz), die abschließenden Lehramtsprüfungen waren daher staatliche Prüfungen. Ihre Absolventen wurden ohne Einführungsmaßnahmen in den Schuldienst aufgenommen.

Angesichts der Überführung der Ausbildung der Pflichtschullehrer von der Pädagogischen Akademie zur Pädagogischen Hochschule (Hochschulgesetz 2005) ist daher zu klären: Hat die Abschlussprüfung an den Pädagogischen Hochschulen, die zur Graduierung zum „Bachelor of Education" führt, den Charakter einer akademischen Prüfung oder einer Staatsprüfung ?

Falls die Abschlussprüfung an der Pädagogischen Hochschule den Charakter einer Staatsprüfung haben sollte, ist keine Gleichwertigkeit mit dem Abschluss der universitären Lehrerbildung gegeben. Damit wäre klargestellt, dass die Pädagogischen Hochschulen keinen mit der Universität vergleichbaren Hochschulstatus hätten.

Hat jedoch die Abschlussprüfung an den Pädagogischen Hochschulen - wie es dem Status einer autonomen Hochschule entspricht und im Akademiestudiengesetz 1999 gefordert wurde - den Charakter einer akademischen Abschlussprüfung, müsste wohl analog zur universitären Lehrerbildung für die Absolventen ein Einführungsdienst in Form eines „Unterrichtspraktikums" vorgesehen werden.

Es liegt im Interesse der Studienanfänger an den Pädagogischen Hochschulen, sie raschest über den Charakter ihres Studienabschlusses und der sich daraus ergebenden Folgen zu informieren.

Schwierigkeiten werden sich in Zukunft bei der Einrichtung und Durchführung eines „Unterrichtspraktikums" als Einführungsdienst analog zum deutschen Referendariat ergeben, da die bisherigen Träger dieser Ausbildung, die der staatlichen Schulverwaltung zugeordneten „Pädagogischen Institute", durch das Hochschulgesetz 2005 den Pädagogischen Hochschulen inkorporiert wurden. Die Problemlösung erscheint schwierig: Eine Weisungsgebundenheit der Pädagogischen Hochschulen zerstört deren Hochschulstatus.

Vielleicht sollte man als Maßnahme zum Abbau des traditionellen Misstrauerns der Schulverwaltung bezüglich der universitären Lehrerausbildung das bisherige „Unterrichtspraktikum" den Universitäten als einen wesentlichen Teil der Lehrerausbildung (Induction Period) anvertrauen. Es bestünde dann eine Chance, das von Teilnehmern und Absolventen des „Unterrichtspraktikums" hinsichtlich seiner Ausbildungsleistung derzeit massiv kritisierte „Unterrichtspraktikum" besser zu nützen. Wird heute da und dort die Qualität der pädagogischen Ausbildung der AHS-Lehrer kritisiert, kann dies kaum die Universitäten treffen, die in der leider im Vergleich zur Pflichtschullehrerbildung viel knapperen Ausbildungszeit qualitativ mindestens gleichwertige Ausbildungsleistungen erbringen wie die Pädagogischen Akademien. Hingegen wird wohl die Zeit des Unterrichtspraktikums in der derzeitigen Form bezüglich der Ausbildungsleistung eher vergeudet.

Für die Pflichtschullehrer könnte man dann in den Curricula der Studiengänge an den Pädagogischen Hochschulen Maßnahmen im Sinn einer Einführungsphase in den Schuldienst vorsehen.