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Anmerkungen zum Studieren in Österreich

von Helmut Seel
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Das Institut für Höhere Studien führt in zweijährigem Abstand Erhebungen „ Zur sozialen Lage der Studierenden in Österreich“ durch. Vor einigen Tagen wurde die Untersuchung des Jahres 2011 präsentiert. Bedenkenswerte bzw. bedenkliche Daten wurden dabei berichtet: Mehr als die Hälfte der Studierenden (52 %) muss wesentliche Teile ihrer Lebenshaltungskosten (durchschnittlich rd. 1000 Euro) durch Arbeit neben dem Studien sichern. - Nur rd. 14 % der Studierenden erhalten Studienbeihilfe (durchschnittlich 279 Euro). – Nur weniger als die Hälfte der Studierenden haben keine finanziellen Probleme, rd. 30 % sehen sich mit großen finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. - Die Studierenden der Medizin und der Veterinärmedizin weisen die geringsten Anteile an arbeitenden Studenten auf (Selektionsmerkmal ?). Die Situation hat sich gegenüber 2009 verschlechtert, die Kosten für Wohnung (9 %) und Ernährung (5 %) sind stärker als die Gesamtinflation gestiegen, Die Studienbeihilfen wurden hingegen nicht valorisiert.

Vor dem Hintergrund dieser Daten muss die Diskussion über die Einführung bzw. Erhaltung der Studiengebühren geführt werden. Bekanntlich wurden die 2001 eingeführten Studiengebühren (500 ÖS = 363,36 Euro, bzw. 726,72 Euro für Langzeitstudenten und Nicht-EU-Bürger) 2008 für die Studierenden in der Normstudienzeit (Österreicher und Studierende aus EU-Staaten) abgeschafft. Dieses Gesetz wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, eine Novellierung in der vorgegebenen Zeit erfolgte jedoch nicht. Die Rechtslage ist unklar, manche Universitäten heben derzeit Studiengebühren von Langzeitstudierenden und Nicht-EU-Ausländern ein. Dies trifft insbesondere Studierende, welche infolge ihrer Berufstätigkeit die Regelstudienzeiten nicht einhalten können.

Die Salzburger Landeshauptfrau Burgstaller hat in diese Diskussion einen neuen Aspekt eingebracht.. Während bisher die Notwendigkeit der Studiengebühren in erster Linie mit den finanziellen Schwierigkeiten der Universitäten und Hochschulen begründet wurde und eventuell ein Disziplinierungseffekt im Hinblick auf die Studiendauer als Rechtfertigung angeführt wurde, begründet Burgstaller die Einführung von Studiengebühren mit einem Umverteilungseffekt. Die von 40 % der Studierenden aus den wohlhabenden Elternhäusern erhobenen Studiengebühren sollen zum Ausbau der Zahl und Höhe der Studienbeihilfen für Studierende aus einkommensschwächeren Familien verwendet werden.

Dass die Unterrichtsministerin darauf im Interview mit dem „Kurier“ mit Ablehnung reagiert hat, weil damit „nicht mehr Geld für die Universitäten übrig bleibt“, ist verwunderlich und zeigt, dass sie der Meinung anhängt, mit Studiengebühren die Finanzierung der Universitäten zu sichern, nachdem der Staat die notwendige öffentliche Finanzierung nicht zu erhalten vermag. Dies liegt auf der Linie der kürzlich präsentierten Studie des Wirtschaftsförderungsinstitut „Hochschulen 2025: eine Entwicklungsvision“. Dort ist zu lesen, dass die notwendige Anhebung des Aufwands für die Hochschulen auf 2 % des BIP nur durch Erhöhung des privaten Finanzierungsanteils, und zwar in erster Linie durch Studiengebühren, deren Höhe sich bis 2020 gegenüber der Gegenwart mindestens verdoppeln müsste, erreicht werden könne.

Dies kann nicht die hochschulpolitische Linie der SPÖ sein. Die Finanzierung der Hochschulen ist über das Budget des Staates zu realisieren, das insbesondere durch gerechtere Formen der Besteuerung entsprechend auszuweiten ist. Unverständlich ist, dass die Unterrichtsministerin im Interview den Burgstaller-Vorschlag als Akademikersteuer betrachtet, welche sie ablehnt.

Gerade deswegen verdient der Vorschlag Burgstallers eine sorgfältige und wohlwollende kritische Prüfung. Jedenfalls ist dabei zu bedenken:
- Die objektive und gerechte Bestimmung des Einkommens der Eltern ist schwierig. Lohnsteuerpflichtige unselbständig Bedienstete erscheinen immer gegenüber den Selbständigen mit Gestaltungsmöglichkeiten bei der Einkommenstuer und den Bauern mit Pauschalierung der Einkommensteuer benachteiligt.
- Die modifizierte und differenzierte Verwendung des Begriffs „Studiengebühren“ ist schwer zu kommunizieren. Ist er einmal eingeführt, besteht die Gefahr, dass er im Sinn der EU-Richtlinie über die Freizügigkeit der Dienstleistungen gebraucht wird, welche die Berufsausbildung insbesondere im tertiären Sektor des Bildungssystem als marktfähige Dienstleistung im Sinne des Verständnisses von „Bildung als Ware“ betrachtet, die ihren Preis haben muss.