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SPÖ und Universitäten – ein schwieriges Verhältnis

von Helmut Seel
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2002 wurde von der schwarz-blauen Koalition das neue Universitätsgesetz (UG 2002) beschlossen. Die SPÖ hat dieses Gesetz im Parlament abgelehnt, weil es nicht den Vorstellungen einer sozialdemokratischen Bildungspolitik entspricht. Als Regierungspartei hat sie nun dieses Gesetz zu vollziehen, weil eine neuerliche Reform nicht realisierbar scheint.

Das UG 2002 ist das Produkt einer extremen neoliberalen Bildungspolitik, gegen welche die SPÖ bei der Entstehung des Universitätsorganisationsgesetzes 1993 (UOG 1993) noch erfolgreich angekämpft hat. Zweifellos war eine Erneuerung des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 (UOG 1975) notwendig geworden. Die weitreichende Demokratisierung der Universitäten im UOG 1975, welches alle Entscheidungen in Kollegialorgane gelegt hatte, in denen eine Mehrheit der Professoren nicht mehr vorgesehen war, konnte unter den Größenordnungen der Universitäten im Jahr 1975 noch fruchtbar realisiert werden. In den Massenuniversitäten der neunziger Jahre war diese Organisationsform nicht mehr angemessen. Im UOG 1993 wurde den Kollegialorganen (Senat, Fakultätskollegium, Institutskonferenz) eine Richtlinien- und Kontrollfunktion zugeordnet, die Entscheidungskompetenz der Funktionsträger (Rektor, Dekan, Studiendekan, Institutsvorstand) wurde gestärkt. So konnte auf neue Bedingungen und Entwicklungen rascher und sachbezogener reagiert werden. In diesem Sinne wurde den Universitäten nun ein Globalbudget zugewiesen, um den problembezogenen universitätsspezifischen Mitteleinsatz zu verbessern. Die Universitäten blieben aber Einrichtungen des Staates und die notwendige organisatorische Autonomie sowie die Lehr- und Forschungsfreiheit gemäß Artikel 16 des Staatsgrundgesetzes 1867 (als Teil der Bundesverfassung) wurden weiterhin durch verfassungsrechtliche Ausnahmebestimmungen im Gesetz gesichert.

Das UG 2002 machte die Universitäten in einer überzogenen Automatisierungs- und Privatisierungstendenz zu Körperschaften öffentlichen Rechts und ihr Personal zu Privatangestellten der Universitäten mit eigenem Kollektivvertrag. Die bisherigen Mitbestimmungsregelungen wurden im Interesse einer autoritären Führungsstruktur abgeschafft. Der Staat hat nun zwar die Finanzierung der Universitäten zu leisten, sein Einfluss über nur lose Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten bleibt jedoch gering. Über den Einsatz des Globalbudgets entscheidet der Rektor ebenso wie über die Einstellung von Universitätspersonal. Sowohl die Entscheidung über die Organisationsstruktur der Universität als auch die Gestaltung der Curricula der Studien wird in die Autonomie der Universität übertragen. Die eigentliche Leitungsfunktion der Universitäten übernimmt der jeweilige Universitätsrat, der auch den Rektor aus einem Senatsvorschlag wählt und die Rektoratsentscheidungen zu genehmigen hat. Der Einfluss des Staates wird indirekt dadurch gewährleistet, als das zuständige Regierungsmitglied die Hälfte der Mitglieder de Universitätsrats bestellt.

Die stärkere Eigenfinanzierung über die Einwerbung von „Drittmitteln“ sowie über Studiengebühren („Zweitmittel ?“) wird angestrebt. Studiengebühren wurden daher 2001 eingeführt und auch im UG 2002 festgelegt. Hier kommt auch die aus neoliberalem Geist entwachsende EU-Richtlinie über die Freizügigkeit der Dienstleistungen, zu denen auch das Angebot marktfähiger Berufsausbildungen zählt, zum Ausdruck. Die Hochschulstudien zählen nach EU-Recht zum Bereich der Berufsausbildungen. Die Studiengebühren sollen daneben wohl auch eine Lenkung bzw. Reduzierung der Studentenströme bewirken. Ihre Begründung durch eine disziplinierende Wirkung auf die Studenten entspricht durchaus der autoritären Struktur des UG 2002.

Die Abschaffung eines Teils der Studiengebühren (EU-Bürger in der Regelstudienzeit) im Jahr 2008, deren gesetzliche Regelung aus Formalgründen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, hat diese Entwicklung unterbrochen. Die derzeitigen Unklarheiten sind die Folge des Fehlens einer verfassungsgerechten gesetzlichen Grundlage. Die SPÖ ist daher gut beraten, wenn sie den Bestrebungen der ÖVP zur Wiedereinführung genereller Studiengebühren (auch unter dem vom Wissenschaftsminister bevorzugten Namen Studienbeiträge) Widerstand entgegensetzt. Dies ist besonders zu beachten angesichts der WIFO-Studie „Hochschule 2015: ein Entwicklungsvision“, die für die zukünftige Hochschulfinanzierung bei gleichbleibendem staatlichen Engagement wesentlich höhere Studiengebühren als notwendig erachtet. SPÖ-Politik muss es sein, eine ausreichende Hochschulfinanzierung durch den Staat zu sichern, eventuell durch die Erweiterung steuerlicher Einnahmen.

Hingegen könnte eine Regulierung der Studentenströme, die insgesamt nicht eingeschränkt werden dürfen, durch Zugangsbegrenzungen bei manchen Studienrichtungen sinnvoll sein und problemlösend wirken. Studienrichtungsspezifische Zugangsprüfungen sind aber in jedem Fall „numerus clausus“- Regelungen vorzuziehen. Ein solches System könnte auch eine dringend notwendig Reform der AHS-Oberstufe unterstützen.

Bezüglich des Rechtsstatus der österreichischen Universitäten ist man im UG 2002 über das Ziel hinausgeschossen. Das zeigt auch ein Blick nach Deutschland. In den Hochschulgesetzen der deutschen Bundesländer wird ein Doppelstatus der Hochschulen festgelegt. Die Hochschulen (sie umfassen immer Universitäten, Fachhochschulen und wo vorhanden Pädagogische Hochschulen) sind Körperschaften öffentlichen Rechts und gleichzeitig Institutionen des Staates, d. h. der einzelnen Bundesländer. Staatlich geregelt ist das Personalwesen (Hochschullehrer Landesbedientete), die Haushaltsmittel, die Hochschulorganisation einschließlich allfälliger Studienplatzregelungen und die Gebührenfrage (Verwaltungsbeitrag 50 Euro pro Semester, länderspezifisch eventuell Genehmigung zur Einhebung von Studiengebühren im Autonomiebereich).

In den Hochschulgesetzen der deutschen Bundesländer sind sowohl die Universitäten als auch die Fachhochschulen und – wo noch bestehend - die Pädagogischen Hochschulen geregelt. In Österreich bestehen für Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen hingegen eigene gesetzliche Regelungen, Im Fachhochschulebereich sind nur die Studien geregelt, ein Organisationsgesetz fehlt. Den Pädagogischen Hochschulen mangelt es an hochschuladäquater Autonomie im Bereich der Verwaltung und der Sicherung der Lehr- und Forschungsfreiheit. Bei einer zukünftigen einheitlichen Regelung des Hochschulbereichs in Österreich sollte man sich an den deutschen Gesetzen orientieren. Dazu ist die Rücknahme der überzogenen Universitätsautonomie und der Weiterentwicklung im Bereich der Fachhochschulen und der Pädagogischen Hochschulen notwendig. Die SPÖ sollte eine solche Entwicklung im tertiären Bereich des Bildungswesens vorantreiben.