« vorheriger Artikel | Home | nächster Artikel »

Die Entdemokratisierung im Bildungswesen schreitet voran – und die SPÖ wirkt mit !

von Helmut Seel
Artikel drucken

Vor Jahren war ein politisches Ziel der Sozialdemokraten, alle Bereiche der Gesellschaft mit Demokratie zu durchfluten. Und vor einigen Jahrzehnten kritisierten die Sozialdemokraten noch die undemokratische Struktur der Bezirksverwaltungen, mit den von Landeshauptmanns Gnaden eingesetzten Bezirkshauptleuten. Eine Trendumkehr ist bei der SPÖ zu bemerken: Die SPÖ ist bereit, dass die Bezirksschulräte im Zuge der Verwaltungsreform abgeschafft werden. Gemeint sind damit aber nicht nur die Ämter und die zugeordneten Bezirksschulinspektoren, sondern die Kollegialorgane in der Zusammensetzung nach den Landtagswahlergebnissen im Bezirk. Ein wesentliches Kennzeichen der Demokratie ist die Mitbestimmung an Entscheidungen und die Interessenvertretung der Betroffenen. Es kann nicht bestritten werden, dass auf regionaler Ebene berechtigte schulorganisatorische und personelle Interessen bestehen, die von zentraler Stelle nicht entsprechend wahrgenommen und berücksichtigt werden können – und wollen, wenn parteipolitische Differenzen bestehen.

Die Abschaffung von Kollegialorganen zur Mitbestimmung ist ein Zeichen der Entdemokratisierung. Gelobt wird das häufig als ein Zeichen der Entpolitisierung, Doch Demokratie ist ohne Politik nicht zu haben. Politik ist Interessenvertretung und Auseinandersetzung mit anderen Positionen und Sichtweisen. In diesem Sinn ist jeder verantwortungsbewusste Staatsbürger ein Politiker. Die Forderung nach Entpolitisierung kann daher vor allem zwei Wurzeln haben. Entweder ist die Macht der politischen Entscheidung bereits - und noch - in einer Hand. Oder man möchte die politische Auseinandersetzung und Entscheidungsfindung durch mediale Meinungsmache ersetzen. Für die Einsparung einiger budgetärer Mittel ist die Entdemokratisierung ein zu hoher Preis.

Und kritisiert man, dass die Entscheidungsbereiche der Bezirksschulräte ohnehin nur marginal wären, so wäre ja auch denkbar, mehr Kompetenzen von der zentralen zur problemnäheren regionalen Ebene zu verlagern, wobei statt der politischen Bezirke im ihrer historischen Begrenzung auch an größere, eventuell bundesländerübergreifende Bildungsregionen gedacht werden könnte, deren Verwaltung (Ämter, Kollegialorgane) alle Ebenen des Schulsystems zu betreuen hätten. Doch diese Idee des Verfassungskonvents zur Reform der Schulverwaltung hat jedoch in den Überlegungen der „Arbeitsgruppe Bildungsverwaltungsreform“ keinen Platz mehr.

Die SPÖ ist aber offenbar sogar zu weiteren Zugeständnissen in Richtung des Ersatzes demokratischer Mitbestimmungsorgane durch autoritäre Strukturen bereit. Im vorliegenden „Zwischenbericht“ der Arbeitsgruppe wird auch in Erwägung gezogen, den Ersatz der Kollegialorgane der Landesschulräte in ihrer den Landtagswahlergebnissen entsprechenden Zusammensetzung durch Expertenbeiräte zu ersetzen, den Bundesländern zu übertragen. Hier kommt wohl das Interesse des mit absoluter ÖVP-Mehrheit ausgestatteten Bundeslandes Niederösterreich zum Ausdruck, welches durch die Chefverhandlerin der ÖVP, der Innenministerin Mikl-Leitner, gesichert erscheint. Diesen Schritt der Entdemokratisierung als Abschaffung der Mitbestimmung sollte die SPÖ nicht mehr mitvollziehen, auch wenn sie die Idee der demokratischen Struktur der Bezirksverwaltungen endgültig aufgegeben hat. Die SPÖ sollte doch aus der Universitätsreform im Universitätsgesetz 2002 gelernt haben, dass Entdemokratisierung in Form der Abschaffung der Mitbestimmung und Einsetzung autoritärer Strukturen ein wesentliches Besttreben einer konservativen neoliberalen Politik ist. Bei den Universitäten kann man dies wenigstens jetzt noch kritisieren, wurde das UG 2002 doch durch die schwarz-blau/orange Mehrheit und gegen die Stimmen der SPÖ im Parlament beschlossen.

Unabhängig von den Entdemokratisierungsplänen solle man die vorgesehene Reform der Schulaufsicht beurteilen. Insbesondere für die Mittelstufe wäre eine distriktübergreifend fachspezifische Aufsicht dringend geboten, um den Leistungsstand der Schüler der Neuen Mittelschule anzuheben und die Durchlässigkeit zur AHS-Unterstufe und die Gleichheit der Abschlussberechtigungen zu sichern. Und die Schulaufsicht für die Volksschule sollte Grundschulexperten übertragen werden.

Zum dringend notwendigen verbesserten Controlling des Lehrereinsatzes bleibt es bei einer Reihe von Absichtserklärungen. Hier könnte sicher die beabsichtigte Übertragung der PflichtschullehrerInnenverwaltung zur Bundesbehörde Landesschulrat in weiteren Bundesländern hilfreich sein. Problemlösend wird dies aber kaum wirken, liegen doch die größten Verstöße gegen die Lehrerkontingentierung im Finanzausgleich gerade n jenen Bundesländern, in denen diese Überführung bereits stattgefunden hat. Dies liegt wohl an der Beibehaltung der Weisungsbindung an die Landesregierungen.

Interessant an den Vorschlägen der Arbeitsgruppe zum Ausbau der Schulleiterbefugnisse etwa bezüglich der Leitung mehrerer Schulen auch unterschiedlicher Schularten durch einen Leiter mit erweiterten Befugnissen. Aber auch hier sollte man gegen die Entstehung und den den Ausbau autoritärer Strukturen wie im Hochschulsektor sensibel sein. Vor gar nicht allzu langer Zeit hat man in den Kreisen sozialdemokratischer Lehrer die Wahl der Schulleiters durch den Lehrkörper noch ernsthaft diskutiert. Aber: Tempora mutantur !

Alles in allem betrachtet: Man merkt, dass das Ende der Gesetzgebungsperiode naht. Es braucht dringend ein Papier, das Fortschritte in der Verwaltungsreform dokumentiert. Auch wenn man in den zentralen Fragen wie etwa einer Zusammenfassung der Schul- und Lehrerverwaltung auf Bundesebene nicht weitergekommen ist. Im Gegenteil: In keiner der vorgeschlagenen Änderungen wird einer Verländerung der Schulverwaltung ein Riegel vorgeschoben. Dafür sorgt schon die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe. Aber man kann sicher sein, dass die Unterrichtsministerin das Ergebnis als Erfolg verbuchen wird.