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Die Kritik des Rechnungshofes am BIFIE oder „Wie viele Schreibtische benötigt die Schulreform?“

von Klaus Satzke
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Ob und In welchem Ausmaß die Kritik des Rechnungshofes am Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung“ (BIFIE) stimmt, kann beim derzeitigen Diskussionsstand schwer beurteilt werden. Wer allerdings weiß, mit welchen vergleichsweise geringen Mitteln die Vorgängereinrichtung des BIFIE , das „Zentrum für Schulversuche“ und später dann das „Zentrum für Schulversuche und Schulentwicklung“ arbeiten musste, der wird sich doch fragen, welche neuen Aufgaben diese große und teure Institution zu leisten hat, welches längerfristige Konzept und welche Philosophie der Schulentwicklung dahinter steht und ob das alles auch so gewollt ist oder ob sich die Dinge in typisch österreichischer Manier halt so irgendwie entwickeln.
Die Geschichte des BIFIE ist nicht zu trennen von der nationalen Umsetzung der internationalen PISA-Studien. Die Kritik an den PISA-Untersuchungen war in den letzten Jahren teilweise ziemlich unsachlich und hat tatsächlich zu hinterfragende Details zum Hauptthema gemacht. Es besteht aber kein Zweifel, dass sich die internationalen Vergleichsstudien als ein Instrument bewährt haben, das in eindrucksvoller Weise notwendige Bildungsdiskussionen auslöst und diesen Diskussionen auch die notwendige empirische Grundlage liefert. Nicht zu leugnen ist allerding auch die Tatsache, dass die PISA-Daten gerne für den bildungspolitischen Schlagabtausch genutzt (missbraucht) werden, aber dann vielfach nicht wirklich zu neuen oder modifizierten Konzepten der Schulentwicklung geführt haben . Das liegt auch, aber nicht nur an der Bildungspolitik. PISA liefert primäre Vergleichsdaten und verweist auf größere Zusammenhänge im Makrosystem Schule (beispielsweise Zusammenhänge zwischen Schulerfolg und familialer Herkunft). Wenn es aber um die einzelne Schule geht, um deren speziellen sozio-ökonomischen Hintergrund, um die Qualifikation des Schulleiters und der Lehrer oder die Qualität des Unterrichtes, dann erfahren wir relativ wenig.
In diesem Sinne ist PISA ist nicht nur eine Erfolgsstory, sondern auch die Geschichte der Überforderung und Überschätzung eines Instrumentes. Das hat– weit über das PISA-Konzept hinausgehend – zum Glauben geführt, dass alleine schon die Übermittlung von empirischen Vergleichsdaten an den jeweiligen Schulstandort zu einer Veränderung jener Faktoren beiträgt, die die Qualität der Schule ausmachen. Die Frage, ob die mit einem enormen Aufwand betriebene Evaluation von Schulen tatsächlich eine systeminnovierende und leistungssteigernde Wirkung besitzt, wird jedenfalls international heftig diskutiert (siehe z.B. Kotthoff „ Bessere Schulen durch Evaluation?“).
Nun verfolgt das BIFIE im Auftrag des BMUKK eine Strategie, die ziemlich klar in erster Linie auf Datenerhebung ausgerichtet ist. Bildungsstandards und Zentralmatura sind die Flagship-Projekte, die bundesweite Vergleichsdaten liefern sollen, die dann an die Schulen zurückgespielt werden. Nichts gegen die Erfassung empirischer Daten, aber es geht hier auch um die Frage, was mit den Daten geschieht, wer mit welchen Methoden welche Schlussfolgerungen zieht, und da hört und liest man auf der Website des BIFIE nur Altbekanntes, das auch schon in der Vergangenheit nicht wirklich funktioniert hat. Die Rede ist von flächendeckender Betreuung aller Akteursebenen, von „Train the Trainer“-Ansätzen und Multiplikatorenausbildung. Solche Konzepte waren in den 70er- und 80er-Jahren innovativ, heute sind sie aber ein alter Hut, von dem man weiß, dass er die Hoffnungen nicht erfüllen kann. Dazu Ölkers (2012): „Die herkömmlichen Angebote der Weiterbildung, die in Form von praxisfernen und kurzzeitigen Kursen organisiert sind, gelten als weitgehend unwirksam, unabhängig davon, wie gut ihre Qualität beurteilt wurde. Zu diesem Schluss kommen nahezu alle vorliegenden Studien.“
Datenerhebungen ohne ein auf die Gegebenheiten des einzelnen Schulortes abgestimmtes Nutzungskonzept tragen die Gefahr in sich, zum Machtinstrument für Schuldzuweisungen zu werden, ohne etwas zur Lösung des Problems beizutragen. Zu fragen ist, ob die am BIFIE gebundenen Budget- und Personalressourcen in erster Linie der Datenerfassung und Datenauswertung dienen (was anzunehmen ist), oder auch für das zentrale Problem der schulstandortbezogenen Schlussfolgerungen zur Verfügung stehen (was nachzuweisen wäre).

Wirklich entscheidend ist die Frage, was an den einzelnen Schulen geschieht, wenn Schulleitung und Lehrerteam mit den empirischen Daten konfrontiert sind, welche Interpretationshilfen ihnen angeboten werden, welche Formen der Selbsteinschätzung und der Fremdbeurteilung für Unterrichtsqualität zur Verfügung stehen, welche ergänzenden und erweiternden Qualifikationen angeboten werden können.

Mit anderen Worten: Eine Umorientierung auf eine reine Outputsteuerung ist nicht nur zu wenig, sondern wäre auch ein Rückschritt. Diese Sorge kommt nicht von ungefähr. In den parlamentarischen Erläuterungen zur Novelle des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes heißt es:

„Die Effizienz des österreichischen Schulwesens soll durch einen Paradigmenwechsel von der
Inputsteuerung und der damit verbundenen Anordnungs- und Erlasskultur hin zu einer Output- und
Prozesssteuerung mit entsprechender Verantwortungs- und Ergebniskultur gesteigert werden.“

Dem gegenüber ist festzustellen, dass nur eine Kombination von Outputsteuerung mit einer Inputsteuerung (Was benötigt die jeweilige Schule? Wo und wie setzen wir die Ressourcen effektiv und effizient ein?) erfolgsversprechend ist. Und Imputsteuerung muss auf der Grundlage von Erkenntnissen der Erforschung von Schulqualität erfolgen. „Eine zentrale Zukunftsaufgabe sind Bildungsstandards, also im Feld entwickelte, elaborierte Aufgabenkulturen, die in ihrer Qualität die meisten Lehrmittel weit übertreffen. Die Lehrkräfte müssen lernen, diesen Vorteil zu nutzen und mit den Standards ihr Handlungsrepertoire zu erweitern. Ohne neue Lehrmittel und gezielte Formen der
Weiterbildung wird die Umstellung auf Bildungsstandards aber nicht gelingen.“ (Ölkers, „Personalentwicklung als Schlüssel zur Schulqualität“, 2002)

Erst wenn Fragen dieser Art geklärt und explizite Konzepte vorliegen, sollte der Anschaffung neuer Schreibtische am BIFIE (natürlich im Rahmen einer ordnungsgemäßen Einholung von Angeboten) nähergetreten werden.