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Die Universitäten in der neuen Lehrerausbildung: Nur Partner, nicht Herrscher !

von Helmut Seel
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Die Universitäten sind auf den Entwicklungsrat für PädagogInnenbildung nicht gut zu sprechen. In seinem Vorschlag über die „Gesetzlich zu fixierenden Anforderungen an die Ausbildung von PädagogInnen“, den die zuständigen Bundesminister bereits zum Reformprogramm der Regierung deklariert haben, hat er nicht die Universitäten als die Träger der zukünftigen Lehrerbildung vorgeschlagen. Sie haben vielmehr die zukünftigen Institutionen der PädagogInnenausbildung beschrieben: „Anbieter der erforderlichen Bachelor-, Master- und Aufbaustudien sollen eigenständige und international konkurrenzfähige Forschung in allen für PädagogInnenbildung relevanten Wissenschaftsbereichen sowie eine berufsfeldbezogene institutionalisierte Praxisanbindung aufweisen und über die dafür nowendige personelle Ausstattung verfügen.“ Dem entsprechen die Universitäten derzeit nicht. Dessen sind sie sich wohl auch bewusst, wollen sie doch nur die Sekundarstufen-Lehrerbildung herausschneiden, und damit ein hierarchisiertes Institutionensystem prolongieren.

Die Problematik ist allerdings grundlegender. Sie liegt in der falsch verstandenen Autonomie bezüglich der Curricula. Die Universitäten wehren sich gegen staatliche Einflussnahme. Sie vergessen aber, dass sie ihren derzeitigen Unabhängigkeitstatus einer fragwürdigen politischen Entscheidung verdanken. Eine schwarz-blau/orange Koalition hat sie im Geiste einer neo-liberalistischen Privatisierung und nach einem für Österreich untauglichen Muster US-amerikanischer Privatuniversitäten im Universitätsgesetz 2002 geschaffen. Nach Abschaffung der Mitbestimmung herrscht nun der Universitätsrat, der sogar den Rektor wählt. Als Trostpflaster hat man den Universitäten die Autonomie in der Curriculumgestaltung zugesprochen. Die Reform der deutschen Universitäten ist nicht so weit gegangen. Diese sind noch immer Institutionen des Staates und Körperschaften öffentlichen Rechts gleichzeitig und die Universitätsangehörigen öffentlich Bedienstete.

Die protestierenden Universitäten vergessen ferner, dass die österreichischen Universitäten Jahrzehnte lang auch als staatliche Einrichtungen ihre notwendige organisatorische (Satzungsrecht, Rektorswahl) und wissenschaftliche (gem. Artikel 17 StGG) Autonomie durch verfassungsrechtliche Ausnahmebestimmungen in den Universitätsgesetzen besessen haben und Modalitäten gefunden wurden bezüglich einer notwendigen staatlichen Einflussnahme auf die Studiengestaltung.

Die Universitäten vergessen aber auch, dass ihr Selbstverständnis in der Lehre als BerufsVORbildung der Zielstellung einer LehrerAUSbildung nicht entspricht und dies einen anschließenden und ergänzenden staatlichen Ausbildungsschritt im Sinne des deutschen zweijährigen Referendariats erforden würde. Das Unterrichtspraktikum kann dies keinesfalls leisten und soll daher in der Induktionsphase der neuen Lehrerausbildung aufgehen. Wenn man eine Analogie sucht: Mit Recht wurde das Medizinstudium von den alten Universitäten getrennt, und eigene Medizin-Universitäten wurden gegründet. Neben den Forschungsaufgaben werden dort Ärzte AUSgebildet. Die einleitende Charakterisierung der Ausbildungsstätten der PädagogInnenbildung Neu erfordert Pädagogische Universitäten.

Die Universitäten, denen die Lehrerbildung für die Lehrer der höheren Schulen derzeit anvertraut ist, sollten zunächst diese ernstnehmen und modernisieren. Der Vorsitzende des Österreichischen Wissenschaftsrats J. Mittelstraß kritisiert zu Recht, dass die Lehrerausbildung an den Universitäten lange das fünfte Rad am Wagen gewesen sei. Einige Universitäten haben zur Reform die ersten notwendigen Schritte gesetzt und haben nach anglo-amerikanischem Muster „Schools of Education“ eingerichtet als Lehrerausbildungsstätten neben den traditionellen unabhängigen wissenschaftlichen Diziplinen der Pädagogik, Psychologie, Soziologie und den für die Unterrichtgegenstände der Schulen relevanten „Fach“-Wissenschaften in ihren verschiedenen Fakultäten.

In den „Schools of Education“ können die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Studien lehrplanadäquat ausgerichtet werden. Unterrichtsgegenstände (Unterrichtsfächer) und wissenschaftliche Disziplinen stimmen ja weder nach ihren Zielen noch nach ihren Inhalten überein. Dies kann insbesondere an den Doppel-Fächern im Realienbereich veranschaulicht werden: Geographie und Wirtschaftskunde, Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, Biologie und Umweltkunde, wobei bei diesen Kreationen nicht geklärt wurde, warum an die traditionellen Fachbereiche „Kunden“ angeschlossen wurden. Dies könnte eventuell auch als Hinweis darauf gesehen werden, dass auch die traditionellen Unterrichtsgegenstände „Kundes“ und nicht Wissenschaften darstellen sollten: Erdkunde statt Geographie, Naturkunde statt Biologie..

Eine weitere wesentliche Aufgabe in den „Schools of Education“ liegt in der Berücksichtigung der verschiedenen Alters- und Entwicklungsstufen der Schüler in der AHS-Langform. Die international übliche, in Österreich im Schulorganisationsgesetz aber immer noch fehlende Gliederung in eine Sekundarstufe I und eine Sekundarstufe II hat neben der unterschiedlichen Zielstellung (Sekundarstufe I/Mittelstufe: Abschlus der allgemeinen Grundbildung – Sekundarstufe II: Berufs- und/oder Studienvorbereitung) auch die entwicklungspsychologischen Unterschiede ihrer Schüler zu beachten, welche in verschiedenen pädagogischen und didaktischen Ansprüchen ihren Niederschlag finden müssen. Auch auf die unterschiedliche Stellung der allgemeinbildenden Unterrichtsgegenstände in den Berufs- bzw. Allgemeinbildenden Schulen muss in der Ausbildung der Lehrer für mittlere und höhere Schulen eingegangen werden.

Der Österreichische Wissenschaftsrat hat den Anspruch der Universitäten auf die Trägerfunktion der neuen Lehrerausbildung zurückgewiesen und begrüßt, dass zunächst eine Phase der Kooperation der bestehenden Lehrerausbildungsstätten eingerichtet werden soll. Beide Institutionen, Universitäten und Pädagogische Hochschulen müssen sich in Richtung der oben angeführten Charakteristik der neuen Träger der Lehrerausbildung entwickeln und so zu einer Integration auf Augenhöhe führen. Allerdings: Nach einer Experimentierphase von einigen Jahren müsse die Politik Vorgaben machen. „Ohne diesen regulativen Rahmen wird man der österreichischen Lehrerausbildung keine positive Zukunft prophezeien können“, so Walter Berka, der stellvertretende Vorsitzende des Wissenschaftsrats.

Fragwüdig erscheint aber die Kritik des Wissenschaftsrats an dem vorgesehenen Zertifizierungsrat, der nach Vorgaben der Regierung feststellen soll, ob das Studienangebot der Lehrerausbildung die Kriterien für die Anstellung als Lehrer erfüllt. Berka erwartet, dass die Universitäten vielmehr autonom entscheiden könnten, wie sie in den Studienplänen sicherstellten, dass die Anforderungen künftiger Dienstgeber erfüllt werden. Die Erfahrung lehrt aber etwas anderes. Man sollte die Analogie sehen: Auch die positive Entwicklung des Fachhochschulsektors ist nicht zuletzt dem jahrelangen Wirken des Fachhochschulrates zu verdanken. Erst nach Etablierung der Institution machte es Sinn, seine Aufgaben der Agentur für Qualitätssicherung Akkreditierung zu übertragen.