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Lehrerbildungsreform ohne Torschlusspanik

von Klaus Satzke
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In einem Jahresrückblick zu Bildungsfragen kam „Die Presse“ v. 7.1.2013 zum Urteil: „Einen (Minimal-)Konsens fand man bei der neuen Pädagogenausbildung, die 2014 anlaufen soll. Wesentliche Neuerung: Künftig sollen Lehrer nicht für einen Schultyp, sondern für eine Altersgruppe ausgebildet werden.“ Ganz anders das Urteil v. Ingeborg Gabriel (Institut für Sozialethik der Katholisch-Theologischen-Fakultät): „Es ist daher … an den Wissenschaftsminister und die Unterrichtsministerin zu appellieren, den getroffenen Kompromiss nochmals zu überdenken“. Ivo Brunner (Präsident der Rektorenkonferenz Pädagogische Hochschulen) wiederum wünscht sich für ein neues Regierungsprogramm „die Umsetzung der ‚PädagogInnenbildung neu‘ so wie sie im jetzigen Entwurf vorliegt.
Wenn die Meinungen so weit auseinanderklaffen und im Grunde nicht viel mehr vorliegt als ein Konzept, das die beiden Minister im Rahmen eines „Vortrags an den Ministerrat“ im November 2012 präsentierten, dann muss man sich als gelernter Österreicher Sorgen um eines der ganz wichtigen Vorhaben im Bildungsbereich machen. Wird da etwa im Hick-Hack der Auseinandersetzung ein Vorhaben so lange zerredet, bis am Ende ein konturloser Minimalkonsens übrig bleibt?
Man sollte sich die Vorzüge der Vereinbarung zwischen den Ministern Schmied und Töchterle in Erinnerung rufen:
- Alle Lehramtsstudien sollen im Regelfall zu einem Masterabschluss führen. Das soll eine hohe Qualität der Lehrerausbildung sichern und Debatten über unterschiedliche Niveaus der Lehrer an verschiedenen Schularten beenden.
- Es geht um eine zumindest „durchlässige und zwischen den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen abgestimmte Ausbildung auf tertiärem Niveau zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen“.
- Eine institutionelle Integration von Universitäten und Hochschulen wird nicht ausgeschlossen, sondern ermöglicht und es gilt der Grundsatz, dass aus den Stärken beider Institutionen ein engmaschigeres Konzept der Zusammenarbeit resultieren sollte.
- Es gibt einen Katalog von professionellen Kompetenzen, der sicherstellen soll, dass die inhaltliche Ausgestaltung der Curricula nach internationalen Standards qualitätsgesichert ist.
- Um dies zu gewährleisten, soll von den beiden Ministern ein Zertifizierungsrat eingerichtet werden, der die Prüfung der Curricula auf Wissenschaftlichkeit und Professionsorientierung sicherstellen soll.
- Die Umsetzung dieser Ziele soll im Rahmen eines Stufenplans durch BMUKK und BMWF in enger Abstimmung mit einem Entwicklungsrat und den betroffenen Ausbildungseinrichtungen unter Einbeziehung der zentralen Interessensvertreter erfolgen.

Das ist mehr als zu erwarten war und liegt nun - leider in einer sehr späten Phase der Legislaturperiode - vor. Angekündigt sind Entwürfe für die gesetzliche Umsetzung (Hochschulgesetz und Universitätsgesetz). Ob allerdings beim derzeitigen Zustand der Koalition dann auch eine parlamentarische Beschlussfassung zu erwarten ist, das ist sehr die Frage. Aber um das Projekt auf Schiene zu bringen, wird ein Gesetzesentwurf zwar wichtig, jedoch alleine nicht ausreichend sein. Es geht auch darum, die im Konzept genannten Begleitmaßnahmen einerseits inhaltlich abzuklären und andererseits auch bereits in einem anlaufenden Prozess auf Schiene zu setzen. Es wäre jedenfalls fatal, wenn sich die beiden Minister mit der Präsentation eines Konzeptes und gesetzlicher Maßnahmen begnügen würden, die dann nicht mehr beschlossen werden können.
Wo liegen die Problemzonen des präsentierten Modells?
Der Prozess der Umstellung mit einer Vielzahl von Entwicklungsschritten inhaltlicher und organisatorischer Art soll über einen Entwicklungsrat koordiniert werden. Diese Einrichtung bedarf einer Art von Geschäftsordnung, die klärt, wie Entscheidungen herbeigeführt werden können, aber auch deutlich macht, dass es um ein konsequentes und nachhaltiges Moderieren und Intervenieren geht, nicht aber um Manipulation der universitären und hochschulischen Einrichtungen.
Die Idee des Zertifizierungsrates hat Besorgnisse hinsichtlich einer Einschränkung universitärer Autonomie hervorgerufen. Das liegt auch daran, dass das präsentierte Modellkonzept zu wenig deutlich macht, warum eine qualitätssichernde Einrichtung im Hinblick auf die Erfordernisse einer Berufsausbildung unverzichtbar ist, und hier ein öffentliches Interesse vorliegt, das die Autonomie nicht wirklich in Frage stellen kann.
Es ist damit zu rechnen, dass das „Uralt-Thema“ jeder Lehrerbildung, nämlich das Verhältnis von fachwissenschaftlicher und erziehungswissenschaftlicher Ausbildung, aus ehrlicher Sorge oder aus taktischem Kalkül wieder hochgespielt wird. Es müssen daher die Konturen einer Masterqualifikation auch in dieser Frage deutlich erkennbar auf dem Tisch liegen. Was ist mit den vorliegenden Expertisen aus den zurückliegenden Jahren? Sind sie aus der Sicht der beiden Minister Teil des Konzeptes oder wenigstens eine seriöse Diskussionsgrundlage?
Das anvisierte Ziel einer Masterausbildung als anzustrebender Norm-Abschluss der Lehrerausbildung führt selbstverständlich zu dienst- und besoldungsrechtlichen Fragen. Ist eine Einbeziehung dieser Frage in die laufenden Verhandlungen mit der Interessenvertretung möglich und sinnvoll oder kann es zumindest Absichtserklärungen zu dieser Thematik geben?

Die Amtstätigkeit insbesondere der Unterrichtsministerin ist in den letzten Monaten nicht gerade einfacher geworden. Das liegt auch an der Vielzahl von begonnenen Projekten (Hauptschul-Mittelschulreform, Bildungsstandards, Zentralmatura, Schuleintritt u. Sprachkenntnisse …), aber auch an einer gewissen Tendenz zur Ankündigungspolitik, der dann keine echte Prozessplanung folgt, sowie an personellen Problemen (Elmar Märk) und institutionellen Schwierigkeiten (BIFIE). In dieser Situation mag die Versuchung groß sein, sich mit der Präsentation von Modellen zu begnügen. Für das Projekt „Lehrerbildung neu“ wäre es allerdings katastrophal, würde in der nächsten Legislaturperiode mehr oder weniger wieder bei der Stunde Null begonnen werden müssen. Für Kontinuität trotz unvermeidlicher politischer Brüche sollten eigentlich eine moderne ministerielle Verwaltung und die Vielzahl von Expertenräten dienen. Es bleibt zu hoffen, dass die Bildungspolitik Willens und auch in der Lage und ist, langfristige Prozesse in Gang zu setzen, auch wenn sie über die persönliche Berufsperspektive und / oder die Dauer einer politischen Arbeitsperiode hinausgehen.