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Die Pädagogischen „Hochschulen“: Die großen Verlierer in der Lehrerbildungsreform?

von Helmut Seel
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Wie hatte es doch in der PädagogInnenausbildung NEU gelautet: „Träger der PädagogInnenbildung NEU sind tertiäre Einrichtungen oder selbständige Einheiten derselben, die Lehre, Forschung und Entwicklung in aufeiander bezogener Weise betreiben. ... Der Träger bietet Abschlüsse auf allen akademischen Niveaus in den für die PädagogInnenbildung NEU relevanten Wissenschaftsbereichen an . ... Es gibt eine Mitbestimmungsregelung, die eine adäquate Beteiligung der Studierenden sowie des Personals an der Organisation von Lehre und Forschung sicherstellt (etwa in Form eines Senates oder Kollegiums). Der Träger verfügt über eine für tertiäre Bildungseinrichtungen übliche Autonomie. Diese Autonomie bezieht sich insbesondere auf die Personalrekrutierung, die Organisationsstruktur ... sowie Beteiligung an der Bestellung des Leiters des Trägers“ (13.f.).
Zum daraus erwachsenden „unmittelbaren Handlungsbedarf“ zählten u. a. die „Weiterentwicklung der Pädagogischen Hochschulen, damit sie tertiäre Träger im Sinne der beschriebenen Anforderungen werden können“ sowie „Schaffung von Trägern an Universitäten (Organisationseinheiten mit besonderer Eigenständigkeit)“ (24). In den Trägerinstitutionen sollten Pädagogische Hochschulen Partner der neuen Universitätseinheiten sein. Die Universitäten haben den Auftrag erkannt: „Schools of Education“ oder ähnliche Institutionen wurden eingerichtet oder sind im Prozess der Einrichtung. Die Entwicklungsförderung der Pädagogischen „Hochschulen“ unterblieb jedoch.

Die Realität ist daher eine andere als die in der PädagInnenbildung NEU vorgesehene.
In der Anpassung der PädagogInnenbildung NEU mit ihrer Idee der Stufenlehrerbildung, differenziert nach den international (UNESCO) üblichen Gliederung in Sekundarstufe I (ISCED-Level 2) und Sekundarstufe II (ISCED-Level 3) an die Gliederung des österreichischen Schulsystems (§ 3 Schulorganisationsgesetz) nach Schularten: Primarschulen (Schulstufen 1 – 4: Volksschule, Sonderschule) und Sekundarschulen (Schulstufen 5 – 13: Höhere und mittlere Schulen, Hauptschule/Neue Mittelschule. Polytechnische Schule, Sonderschule, Berufsschule) wird auch in der Lehrerbildung zwischen Primarschullehrern und Sekundarschullehrern (schulartenbezogen) unterschieden. Für alle Sekundarschullehrer ist das Masterstudium an Pädagogischen „Hochschulen“ (Lehramt für Neue Mittelschule bzw. Polytechnische Schule gem. Hochschulgsetz § 38 Abs, 2c ) nur im Verbund mit Universitäten möglich (Graduierung zum Master of Education/MEd). Die Universitäten behalten die gesamte Ausbildung für die Lehrer höherer und mittlerer Schulen mit der bisher üblichen Graduierung (MA, MSc., MArt. je nach Studienhauptfach). Der Übergang vom Bachelorstudium für Sekundarschulen an den Pädagogischen „Hochschulen“ zum universitären Masterstudium soll nur mit Zusatzprüfungen möglich sein. Wer wird unter diesen Umständen bei gleicher Studiendauer noch das Lehramt für Neue Mittelschulen oder Polytechnische Schulen anstreben, wenn er mit gleichem Aufwand das Lehramt für höhere und mittlere Schulen erreichen kann ? Das Lehramtsstudium für Sekundarschulen wird daher an den Pädagogischen „Hochschulen“ nicht nachgefragt werden.

Bleiben die Primarschullehrerbildung und die Berufsschullehrerbildung als Domänen der Pädagogischen „Hochschulen“ ? Nicht ganz, da die Universitäten auch Lehrer für diese Lehrämter ausbilden dürfen (vgl. Universitätsgesetz § 54 Abs. 6c). Dass sie dabei zur Kooperation mit Pädagogischen „Hochschulen“ verpflichtet werden, ist eher als Trostpflaster anzusehen. Alles in allem: In der Umsetzung der PädagogInnenbildung NEU in die österreichische Lehrerausbildung wird die Pädagogische „Hochschule“ zum (vorläufigen) Gehilfen der Universitäten degradiert, von Partnerschaft kann keine Rede mehr sein. Die Zukunft der österreichischen Lehrerbildung liegt bei den universitären „Organisationseinheiten mit besonderer Eigenständigkeit“, den „Schools of Education“.
Die Interessen des Schulsystems werden durch den Qualitätssicherungsrat wahrgenommen, dem die Universitätscurricula für Lehrämter corgelegt werden müssen (vgl. Universitätsgesetz § 54 Abs. 5).
In der näheren Zukunft könnten sich zwei Szenarien ergeben:
- Die Pädagogischen „Hochschulen“ verlieren schrittweise die Ausbildung für Sekundarschullehrer, das Lehramt für die Neue Mittelschule oder die Polytechnische Schule (Schularten mit rückläufigen Schülerzahlen) ist nicht attraktiv. Die Universität bildet Lehrer für höhere Schulen aus, die nach Bedarf auch an den Neuen Mittelschulen und Polytechnischen Schulen eingesetzt werden. Ihre akademischen Master-Abschlüsse sichern ihnen den Zugang zum Doktoratsstudium. Das wäre für die Sekundarschularten im Schulpflichtbereich sicher ein Gewinn.
- Oder: Die Universitäten, die ja derzeit bereits über den bestehenden Ressourcenmangel klagen, können den Zustrom zum Sekundarschullehrer-Lehramt nicht bewältigen. Sie führen Zulassungsprüfungen für eine limitierte Zahl von Studienplätzen ein, wie sie derzeit bereits für zahlreiche Studienrichtungen bestehen. Dann würden die Abgewiesenen und die Ängstlichen wohl den Weg über die Pädagogischen „Hochschulen“ einschlagen, als Studium zweiter Wahl und mit einer spezifischen akademischen Graduierung (MEd), für die der Übergang zum Doktoratsstudium keieneswegs gesetzlich gesichert ist, wie dies beispielsweise bei den Fachhochschulen der Fall ist. Es ergibt sich daher: Lehrer zweiter Klasse für die Schularten zweiter Klasse.

Angesichts dieser Perspektiven hätte man auf ein neues Dienstrecht für die Lehrer der Pädagogischen Hochschulen verzichten können. Und der Triumph der Lehrerbildner-Gewerkschaft wäre verfrüht gewesen, als sie betonte, dass der Status der Bundesbediensteten für die Lehrerbildner gesichert sei. Denn die entstaatlichten Universitäten kennen nur noch Privatangestellte. So lange allerdings das neue Lehrerdienstrecht nicht verwirklicht ist, bleibt die neue Lehrerbildung noch ein Wunschtraum.