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Verhandlungen zum Lehrerdienstrecht – Komödie oder Tragödie?

von Klaus Satzke
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Die Endphase der Verhandlungen um ein neues Dienstrecht ähnelt immer mehr einer Komödie von Feydeau, in der tatsächliche, vermeintliche oder versteckte Liebhaber aus verschiedenen Türen auf die Bühne kommen, diese rasch wieder verlassen, jeder jeden verdächtigt, niemand das ganze Geschehen überblickt und jeder jeden düpiert. Der Unterschied: Im Theater kann sich das Publikum dabei köstlich amüsieren, in der Realität der Bildungspolitik wird alles zum Trauerspiel.
Was das Chaos betrifft, wird dieses dadurch befördert, dass jetzt in der Endphase einerseits Begriffe ins Spiel kommen (z. B. Jahresstundenmodell), die unerklärlicher Weise in den zurückliegenden Verhandlungsphasen niemand verwendet hat, andererseits aber auch „neue“ Ideen kreiert werden (Androsch: die Ferien sind zu lang!), die man nur als Ladenhüter bezeichnen kann.
Unübersehbar ist jedenfalls, dass die ÖVP der Ministerin Dr. Schmied nicht den kleinsten Erfolg bei dieser Thematik gönnt und in diesem Zusammenhang ein tatsächlich ziemlich perfides Spiel spielt. Parteiobmann Spindelegger führt gesonderte Gespräche mit der Gewerkschaft und lädt dazu den Kanzler gönnerhaft ein. Er kann sich auch eine über 24 Stunden liegende Lehrverpflichtung „vorstellen“, erläutert diesen Vorschlag nicht, faselt aber stattdessen etwas von einem Jahresstundenmodell. Und überdies ist er auf einmal für eine Lehrerarbeitsanalyse, was bedeutet, dass eine seit vielen Jahren vorliegende Studie nur aufgewärmt wird, mit Sicherheit aber eine Verschiebung der Verhandlungen über die Wahl hinaus erreicht wird.
Die Ministerin Dr. Schmied behauptet, ihrem 24-Wochenstunden-Lehrverpflichtungsvorschlag läge ohnehin ein Jahresstundenmodell zugrunde, hat davon aber in den vergangenen Monaten nie gesprochen und erläutert ihre Position auch nicht, kann sich aber auf einmal auch eine Absenkung der Lehrverpflichtung um eine Stunde vorstellen.
Wenn man in diesem Chaos nach einigen Gemeinsamkeiten sucht, dann ist es neben der Anhebung der Junglehrer-Gehälter die Vorstellung, dass es eine Anwesenheitsverpflichtung der Lehrer (über die Lehrverpflichtung hinaus) geben sollte und dass es irgendwie auch um die Finanzierung des Ausbaus der ganztätigen Schulangebote geht. Eine Konkretisierung dieser Anwesenheitsverpflichtung in Richtung Zielsetzung und organisatorische Umsetzung ist bislang in keiner Weise erfolgt. Es ist daher auch nicht unverständlich, wenn die Lehrergewerkschaft einer so verwaschenen Zielsetzung nicht zustimmen will.
Auch wenn die Chancen einer Versachlichung nahezu gegen Null gehen, soll im Folgenden der Versuch gemacht werden, die genannten 2 Fragenkomplexe auf eine rationale Ebene zu heben.
Das Jahresstundenmodell, das für die Pflichtschullehrer schon seit 2001 (!) besteht, hat als Grundlage 40 Arbeitsstunden und unterscheidet grundsätzlich zwischen einer unterrichtlichen Tätigkeit (A), einer vorbereitenden und nachbereitenden Arbeit inklusive Korrekturarbeiten (B) sowie speziellen Aufgaben im Rahmen der Lehrerfortbildung bzw. der Schulentwicklung (C). Es wäre ein Quantensprung in der Diskussion, wenn mittels Jahresstundenmodell endlich die ausschließliche Einengung des Lehrberufes auf eine Unterrichtsverpflichtung fallen würde. Grundsätzlich ist die Stundenrelation zwischen den Bereichen A, B und C im Hinblick auf die individuelle Situation des einzelnen Lehrers, auf unterschiedliche Gegebenheiten in verschiedenen Schularten und auf spezielle Schulmodelle (ganztägige Angebote, Schwerpunktschulen) adaptierbar. Es ist ein anderes Kapitel dieser Tragödie, dass diese Beweglichkeit nach Beschlussfassung der Novelle zum Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 2001 nie tatsächlich genützt wurde. Dennoch bleibt es unerklärlich, warum in dieser Frage mehr als 10 Jahre lang nichts weiter gegangen ist und warum dieses Thema nicht zu einem zentralen Punkt der dienstrechtlichen Verhandlungen gemacht wurde. Immerhin handelt es sich ja um ein Modell, dem die Gewerkschaft schon einmal zugestimmt hat und zu dem es im parlamentarischen Auftrag eine Evaluation gab.
Was die ganztägigen Schulangebote betrifft, wird merkwürdiger Weise verschwiegen, dass es für diese seit mehr als 15 Jahren klare Regelungen gibt. Ganztägige Schulformen sind in einen Unterrichtsteil und einen Betreuungsteil gegliedert. Der Betreuungsteil hat immer drei Bereiche zu umfassen, nämlich
• die gegenstandsbezogene Lernzeit (3 Lehrerwochenstunden), die sich auf bestimmte Pflichtgegenstände bezieht,
• die individuelle Lernzeit (4 Lehrer- oder Erzieherwochenstunden)
• sowie jedenfalls die
• Freizeit (spezielle Freizeitpädagogen).

Die aus diesem Konzept bzw. aus der Realisierung an einem konkreten Schulstandort erwachsenden Kosten teilen sich auf Bund (Bezahlung der Lehrer), Länder und Gemeinden (Freizeitlehrer; räumliche Voraussetzungen) auf.
Wenn man aus Anlass eines Ausbaus der ganztägigen Schulangebote an diesem Modell aus Gründen der Finanzierbarkeit etwas verändern will, dann muss man das dem Verhandlungspartner und der Öffentlichkeit gegenüber ausreichend erklären und dafür eine klare Kostenkalkulation vorlegen. Mit einer Anwesenheitsverpflichtung liegt eine derartige Erklärung jedenfalls nicht vor, weil ja völlig offen bleibt, für welche Tätigkeiten diese genützt werden soll. Mit anderen Worten: Was soll mit den Stunden (neuester Stand; es geht nur um 1 Stunde) konkret geschehen?
Wenn so eine Erklärung nicht und nicht erfolgt, dann entsteht der Eindruck, es solle jemand über den Tisch gezogen werden! Darüber hinaus geht es immerhin auch darum, der in Bildungsfragen interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit einer Mitwirkung an der öffentlichen Diskussion zu eröffnen. Das Gegenteil ist derzeit der Fall: Die Öffentlichkeit ist zu wenig informiert, soll aber die „uneinsichtige Gewerkschaft“ unter Druck setzen.
Es ist keine Frage, dass die Lehrer-Gewerkschaft in einem hohen Maß reformresistent ist (zum Schaden ihrer eigenen Interessen und ihrer Mitglieder) und wahrlich keinen einfachen Verhandlungspartner abgibt, aber man kann ein so komplexes Thema, wie es ein einheitliches Lehrerdienstrecht für alle Lehrerkategorien darstellt, nicht ohne klare Verhandlungspositionen und exakte Berechnungsgrundlagen führen!