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Ministerielles Dilemma mit dem Lehrerdienstrecht angesichts einer missglückten Lehrerbildungsreform

von Helmut Seel
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Als 2001 die Bemühungen um ein neues Lehrerdienstrecht aufgenommen wurden, ging es in erster Linie um die Neuverteilung des Lebenseinkommens der Lehrer: höhere Einstiegsgehälter, flachere Anstiegskurve, niedrigere Endbezüge bei gleichbleibendem Jahreseinkommen. Beides sollte getrennt für die Bezüge der „Landeslehrer“ (Volks-, Haupt-. Sonderschullehrer und Lehrer der Polytechnischen Schulen, die nur indirekt vom Bund über den Lastenausgleich zwischen Bund und Ländern bezahlt werden) und der „Bundeslehrer“ (AHS- und BHMS-Lehrer, die direkt vom Bund besoldet werden) erfolgen, und zwar auf der Grundlage der unterschiedlichen Bezüge aufgrund unterschiedlich langer Ausbildung. Dies hätte für den Bund nur zunächst höhere Ausgaben für die Lehrer bedeutet und hätte gleichzeitig die Attraktivität des Lehrerberufs erhöht. Diese Verhandlungen blieben ohne konkretes Ergebnis.

Ab 2011 kam ein neues Problem zu den Dienstrechtsverhandlungen: die neue Lehrerausbildung mit gleich langer Ausbildung für alle Lehrerkategorien an hochschulischen Einrichtungen. Die Konsequenz musste sein: einheitliche Bezüge für alle Lehrerkategorien, d. h. Anpassung der Bezüge der „Landeslehrer“ an die der „Bundeslehrer“. Bei der Lösung beider Dienstrechtsreformprobleme hätte man die Vorgangsweise umkehren müssen: zuerst gleiche Gehälter für alle Lehrerkategorien schaffen, dann Änderungen in der zeitlichen Verteilung der einheitlichen Lebensverdienstsumme vornehmen.

Diese einfache Problemlösung findet nicht statt, denn der Dienstgeber Bund hatte nicht mit den dafür aufzubringenden Mittel gerechnet. Im Interview der „Kleinen Zeitung“ (21. 8. 2013) mit der Unterrichtsministerin klingt dies an: „Es gibt nur zwei Varianten: entweder wir machen aus allen Lehrern AHS-Lehrer – ich erinnere aber daran, dass wir jetzt schon eines der teuersten Schulsysteme weltweit haben. Oder wir legen ein faires Angebot vor, das nur die zukünftigen Lehrer betrifft, die noch dazu fünf Jahre Zeit haben sich zu überlegen, ob sie unter diesen Bedingungen arbeiten wollen“. Diese Bedingungen bedeuten zweifellos niedrigere Bezüge aller Lehrer als die der derzeitigen AHS-Lehrer. Zwei Aspekte sind zu hinterfragen: Soll der Hinweis auf das Inkraftreten erst in fünf Jahren, in welchen allerdings die Höhe der derzeitigen Gehälter wohl gar nicht mehr gelten kann, den Widerstand der heutigen Interessenvertreter brechen ? Und: Ist die Höhe der Lehrergehälter die alleinige Ursache dafür, dass Österreich eines der teuersten Schulsysteme hat ?

Der Vorwurf, dass die Regierung bei der Budgetplanung die notwendigen Mittel für die Finanzierung der Dienstrechtsreform nicht vorgesehen hätte, stimmt allerdings so nicht. Vielmehr hatte man mit einem anderen Ergebnis der Ausbildungsreform gerechnet.

Das ursprüngliche Konzept der PädagogInnenbildung NEU (Entwurf der ExpertInnen- Gruppe 2010, Empfehlungen der Vorbereitungsgruppe 2011) sah Trägerinstitutionen vor, die aus autonomen Teilen der Universitäten („Schools of Education“) und den zum echten Hochschulstatus entwickelten Pädagogischen Hochschulen (Schaffung eines autonomen Kollegialorgans bezüglich der Organisationsstruktur und der Personalrekrutierung sowie Mitwirkung bei der Leiterbestellung) entstehen sollten. Für die Lehrerbildung war ein Stufenlehrersystem vorgesehen, bestehend aus Elementarstufe (Vorchule), Primarstufe (Volksschule), Sekundarstufe I (Schulen für die Zehn- bis Vierzehnjährigen) und Sekundarstufe II (AHS-Oberstufe . BMHS). Das sechssemestrige Bachelorstudium sollte zwei Typen haben: Primarstufe und Sekundarstufe. An den Einführungsdienst („Induktionsphase“) sollten zwei Typen des Masterstudiums anschließen: Typ „Vertiefung“ (in die Primarstufe oder in die Sekundarstufe I) im Umfang von 60 ECTS-Punkten (4 Semester) bzw. Typ „Erweiterung“ (von der Primarstufe zur Elementarstufe oder von Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II) im Umfang von 90 ECTS-Punkten (6 Semester). Die unterschiedlich lange Studiendauer hätte eine unterschiedliche Besoldung gerechtfertigt. Für die Lehrer aller Schulen der Sekundarstufe I (AHS-Unterstufe, Hauptschule, Neue Mittelschule) hätte sich eine einheitliche Besoldung begründen lassen.

Das Unterrichtsministerium blieb aber in zwei flankierenden Maßnahmen säumig. Das Schulorganisationsgesetz (§ 3) wurde nicht novelliert und die Gliederung des Bereichs der „Sekundarschulen“ in eine Sekundarstufe I und eine Sekundarstufe II nach der international gebräuchlichen UNESCO-Norm (ISCDE International Standatd Classification of Education) nicht eingeführt. Dies hatte die ÖVP 1994 im Interesse der Wahrung der Langform der AHS noch verhindert. Die Novellierung des Bundes-Verfassungsgesetzes ( Artikel 14, § 6a: „Der Gesetzgeber hat ein differenziertes Schulsystem vorzusehen, das .... nach Bildungshöhe in Primar- und Sekundarschulbereiche gegliedert ist, wobei bei den Sekundarschulen eine weitere angemessene Differenzierung vorzusehen ist“) im Jahre 2005 hätte einen Anstoß zur Novellierung der Schulorganisation gegeben.

Auch die Weiterentwicklung der Pädagogischen Hochschulen zum echten Hochschulstatus wurde mit Ausnahme der Dienstrechtsreform 2012 hinsichtlich der Lehrer an Pädagogischen Hochschulen nicht in Angriff genommen.

Im Interesse eines bildungspolitischen Erfolgs noch in der ablaufenden Gesetzgebungsperiode wurde die Lehrerbildungsreform vorangetrieben und die „PädagogInnenbildung NEU“ an die bestehende Schulorganisation angepasst. Für die Volksschullehrer wurde das Masterstudium vom Typ „Vertiefung“ festgelegt (Abschluss Master of Education MEd). Die Sekundarschullehrer-Ausbildung wurde nicht differenziert. Es wurde daher nur das Masterstudium vom Typ „Erweiterung“ eingerichtet. De facto ergibt sich: Die AHS- und BHS-Lehrer werden weiterhin an den Universitäten autonom (hinsichtlich der Studienpläne und Graduierungen), aber in der neuen Struktur (Bachelorstudium, - Induktionsphase - Masterstudium) ausgebildet, die Lehrer für die Neuen Mittelschulen, Sonderschulen und Polytechnischen Schulen an den Pädagogischen Hochschulen in zwingender Kooperation mit Universitäten (Graduierung zum Master of Education). Die dienstrechtliche Konsequenz: Alle Lehrer aller Sekundarschulen gemäß § 3 Schulorganisationsgesetz sind einheitlich nach dem Schema der AHS-Lehrer zu besolden.

Wer bei der Reform der Schulorganisation versagt hat, muss nun wohl die daraus folgenden Konsequenzen für die Dienstrechtsreform akzeptieren. In dieser Auseinandersetzung um das neue Lehrer-Dienstrecht hat die AHS-Lehrer-Gewerkschaft die besseren Karten. Das Bezügeangebot der Bundesregierung wird mit Recht abgelehnt, da es von einer niedrigeren Bezahlung der Lehrer der AHS-Unterstufe ausgeht.
Ein interessantes Detail am Ende: In § 48k der vorgesehenen Änderungen des Vertragsbedienstengesetzes, welcher „Fächervergütungen“ hinsichtlich des Unterrichts in verschiedenen Fächerguppen regeln soll, werden die Begriffe „Sekundarstufe 1“ bzw. „Sekundarstufe 2“ verwendet, die es im Schulorganisationsrecht (noch) gar nicht gibt.