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Problematische Folgen der Fehlentwicklungen in der Lehrerbildungsreform

von Helmut Seel
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Problematishe Folgen der Fehlentwicklumgen in der Lehrerbildungsreform

Die Erneuerung der Lehrerbildung in Form der „PädagogInnenbildung Neu“ verfolgte mehrere Ziele:
- Der Lehrerbildung wird eine Stufengliederung des Schulsystem zu Grunde gelegt: Elementarstufe (Vorschulische Erziehung) – Primarstufe (Volksschule für die Sechs- bis Zehnjährigen) - Sekundarstufe I (Mittelstufe für die Zehn– bis Vierzehn/Fünfzehnjährigen mit der der Entwickungsstufe der Jugendlichen entsprechenden Entfaltung des Fächerkanons und damit der Interessen sowie der unterschiedlichen Befähigungen in den Sprachen und der Mathematik als Lernvoraussetzungen für den Oberstufenunterricht) – Sekundarstufe II (Oberstufe der AHS, BMS, BHS mit den spezifischen Aufgaben der Verbindung der höheren Allgemeinbildung mit der Studienvorbereitung bzw. der Berufsvorbereitung).
- Im 8-semestrigen Bachelorstudium, an welches neue Formen der Induktion ins Lehramt anschließen sollen, wählt der Lehramtsstudierende zwischen dem Primarbereich oder dem Sekundarbereich.
- Es soll ein gleicher akademischer Abschluss aller Ausbildungskategorien der Lehrer mit der Master-Graduierung geschaffen werden, wobei zwei Abschlussformen vorgesehen wurden: Master „Vertiefung“ auf eine Schulsystemstufe (Primarstufe bzw. Sekundarstufe I) in 2 Semestern – Master „Erweiterung“ auf eine zweite Schulsystemstufe (Sekundarstufe I auf Sekundarstufe II bzw. Primarstufe auf Elementarstufe) in 4 Semestern.
- Das Gehalt kann entsprechend der Dauer des absolvierten Masterstudiums differieren. Insbesondere soll damit jedoch die gleiche Bezahlung aller im Bereich der Sekundarstufe I unterrichtenden Lehrer (AHS-Unterstufe bzw. Hauptschule/Neue Mittelschule, Polytechnische Schule sowie der Berufsschule) erreicht werden.

Die notwendigen flankierenden Maßnahmen für die Lehrerbildungsreform blieben jedoch aus. Die Schulorganisation wurde nicht entsprechend des neuen Lehrerbildungskonzepts umgestaltet. Das Schulsystem in Österreich ist laut SchOG § 3 in Primarschulen (Schulstufen 1 – 4) und Sekundarschulen (alle Schulen ab der 5. Schulstufe) gegliedert. Bei der Novellierung des SchOG 1994 verweigerte die ÖVP die international übliche Gliederung des Sekundarbereichs in Sekundarstufe i und Sekundarstufe II, um die Langform der AHS nicht gliedern zu müssen.

Die Pädagogischen Hochschulen wurden nicht auf den notwendigen Hochschulstatus (organisatorische Autonomie, wissenschaftliche Qualität) gebracht, um als gleichrangige Partner mit den Universitäten die Zusammenführung der Lehramtsstudiengämge bewältigen zu können. In beiden Fällen war das Unterrichtsministerium säumig. Interessanter Weise wurde das Dienstrecht der Lehrer an den Pädagogischen Hochschulen in der Novellierung des Beamtendienstrechtsgesetzes 2012 einem neuen Hochschulstatus entsprechend verändert. Als Motiv kann man wohl ansehen, dass die Pädagogischen Hochschulen Einrichtungen des Bundes bleiben und nicht analog zu den Universitäten in Körperschaften öffentlichen Rechts umgewandelt werden sollten, deren Personal den Status von Privatangestellten hat

Im Interesse eines raschen Abschlusses der Lehrerbildungsreform vor Ablauf der Gesetzgebungsperiode, welcher insbesondere im Interesse eines Erfolgs der Unterrichtsministerin lag, wurde das Lehrerbildungskonzept der bestehenden Schulorganisation angepasst. Da der Elementarbereich (Kindergarten) nicht in die Reform einbezogen wurde, gibt es kein Masterstudium „Erweiterung“ im Primarbereich. Da die Sekundarstufe I in der österreichischen Schulorganisation nicht ausgewiesen ist, müssen alle Sekundarstufenlehrer das Masterstudium „Erweiterung“ absolvieren und sind daher auch für die Oberstufenschulen qualifiziert. In den Pädagogischen Hochschulen ist das Sekundarschullehrerstudium nur in Zusammenarbeit mit einer oder mehreren Universitäten einzurichten.

Für die Dienstrechtsverhandlungen mit den Lehrern entstand daraus folgendes Problem. Bei der Berechnung der durch die neue Lehrerbildung entstehenden Kosten ist man offensichtlich von den Plänen der PädagogInnenbildung NEU ausgegangen. Die Gehälter der Hauptschullehrer/Lehrer der Neuen Mittelschule, der Polytechnischen Schule und der Berufsschule sollten der neuen Studiendauer (Masterstudium „Vertiefung“) gemäß angehoben werden. Diese Bezüge sollten für alle Lehrer der Sekundarstufe I gelten, also auch für die Lehrer der AHS-Unterstufe. Die bisherigen AHS-Lehrer-Bezüge waren nur mehr für die Sekundarstufe II (AHS-Oberstufe, BMS. BHS) vorgesehen. Auf Grund der einheitlichen Ausbildung aller Sekundarschullehrer (Masterstudium „Erweiterung“) werden aber für die Lehrer aller Sekundarschulen auch die gleichen Bezüge gefordert. In den Dienstrechtsverhandlungen wird nun versucht, diese durch die gesetzliche Schulorganisation verursachte Problematik durch ein Zulagensystem für den Unterricht in der Sekundarsufe II zu lösen. Die Gewerkschaft der AHS-Lehrer möchte jedoch geringere Bezüge für den Unterricht in der AHS-Unterstufe nicht hinnehmen. Es ist aber allerdings unrichtig, diese Unterschiede in den Bezügen der AHS-Unterstufe und AHS-Oberstufe als Einführung einer Gesamtschul-Organisation zu interpretieren. Der Anspruch, dass für den Unterricht in den Schulen der gleichen Ebene des Schulsystems (Sekundastufe I) mit weitgehend gleichen Lehrplänen (AHS-Unterstufe, Hauptschule/NMS) gleiche Gehälter bezahlt werden, ist zweifellos auch berechtigt.

Auch für die Institutionalisierung der neuen Lehrerbildung ergeben sich Fragen. Von Interesse wird sein, wie sich die Universitäten bei der autonomen Entwicklung der Curricula für die Sekundarschullehrerausbildung verhalten werden. Es ist anzunehmen, dass die Universitüten die Inhalte und leistungsmäßigen Ansprüche festlegen werden. Es ist zu erwarten, dass sie sich dabei von den fachlichen und pädagogischen Herausforderungen des Oberstufenunterrichts leiten lassen, wie dies leider auch in der bisherigen AHS-Lehrer-Ausbildung der Fall ist. Es ist zu befürchten, dass damit die spezifischen pädagogischen und didaktischen Probleme des Unterrichts in der Sekundarstufe I, den Kindern in der Entwicklungsphase der Pubertät, zurücktreten werden. Der bisher in den Hauptschulen gesammelte Erfahrungsschatz für das erzieherische und unterrichtliche Handeln bei den Zehn- bis Vierzehnjährigen erscheint in seiner Tradierung gefährdet.

Zwei unterschiedliche Zugangsweisen lassen sich derzeit ausnehmen. Im Bildungscluster Süd (Steiermark, Burgenland, Kärnten) ist die Tendenz der Universität Graz erkennbar, in Kooperation mit den regionalen Pädagogischen Hochschulen ein einheitliches Curriculum zu entwickeln. Ob dann für Absolventen aller Ausbildungsträger die Graduierung zum Master of Education vorgesehen wird, ist noch unklar. An anderen Universitäten bestehen jedoch andere Tendenzen. Man will zwar bei der Entwickung der Currricula für die Sekundarschullehrer-Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen mitwirken, sich jedoch die Master-Studien zur Ausbildung der Lehrer der höheren Sekundarschulen an der Universität vorbehalten. Sogar der Wechsel von Absolventen des Bachelorstudiums Sekundarschule an Pädagogischen Hochschulen (Abschluss Bachelor of Education) in das Masterstudium Lehramt an der Universität sollte nur mit Zusatzprüfungen möglich sein. Offen ist auch noch, ob für die Absolventen der Lehramtsstudien an den Universitäten in den autonom gestalteten Curricula die bisherigen fachbezogenen akademischen Grade (MPhil., MSc., MArt.) vorgesehen bleiben. In der Novellierung des Universitätsgesetzes ergibt sich keine Festlegung in dieser Frage.

Mittelfristig werden wohl die Pädagogischen Hochschulen die großen Verlierer der Lehrerbildungsreform sein. Es ist anzunehmen, dass die Sekundarschullehrer-Ausbildung zur Gänze zu den Universitäten wandern wird, während die Ausbildung der Volksschullehrer die Aufgabe der Pädagogischen Hochschulen bleiben wird. Daran sollten sich die Pädagogischen Hochschulen bereits heute in ihren Entwicklungschwerpunkten orientieren. Ob eine Förderung der Ausgestaltung des Hochschulstatus für diese Institutionen stattfinden wird, ist jedenfalls fraglich.