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Über den Umgang mit Schulen angesichts des Sparbudgets: Beispiel Neue Mittelschule

von Helmut Seel
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Man zweifelt an der Ernsthaftigkeit von Vorschlägen der Unterrichtsministerin zu Einsparungen in den Schulen: Nehmen wir einfach eine Wochenstunde des Teamteachings (Zweilehrereinsatz) in Deutsch, Mathematik und Fremdsprache weg und schon wird die Neue Mittelschule um etliche Euro billiger!
Auch wenn man kein Freund der Neuen Mittelschule ist, wie sie ohne Abstimmung mit den Schulversuchen in den Bundesländern (siehe Konflikte in Wien) durchgeboxt und in der Novellierung des Schulorganisationsgesetzes (SchOG) verankert wurde, ist man mit dem Umgang der neuen Unterrichtsministerin mit den Neuen Mittelschule erstaunt. Aber dies charakterisiert wohl auch die Fragwürdigkeit der Entwicklung der Neuen Mittelschule.
Zur Erinnerung: a) Der erste Vorstoß der Unterrichtsministerin Schmied endet mit dem Schulversuch gemäß § 8a SchOG und der Modellentwicklung in den einzelnen Bundesländern und mit einer evaluativen Vergleichsuntersuchung mit den Hauptschule. b) Die Unterrichtsministerin Schmied arrangiert sich mit der ÖVP: Genehmigung der Einführung der Neuen Mittelschule an Stelle der Hauptschule gegen Bestandssicherung der Unterstufe der AHS. Kennzeichen der Neuen Mittelschule: Team Teaching (3 Wochenstunden) statt Leistungsgruppendifferenzierung in Deutsch, Mathematik und Fremdsprache; Beendigung der evaluativen Vergleichsuntersuchung. c.) Bildungsstandards-Test in Mathematik und Fremdsprache: Bessere Ergebnisse in der Hauptschule statt in der Neuen Mittelschule trotz höherer Aufwendungen für das Zweilehrer-System.
Da kann es nicht wundern, dass die neue Unterrichtsministerin von der Qualität des Team Teaching nicht mehr überzeugt ist. Dem Team Teaching fehlt bis heute eine dem Problembereich angemessene unterrichtstheoretische Fundierung, durch welche die Verfügbarkeit von zwei Lehrern in der Unterrichtssituation didaktisch nützlich gemacht werden könnte. Hier ein Vorschlag, wie ihn Lehrer zweifellos auch in der Praxis entdeckt haben können.
Der Unterricht läuft nach einem lerntheoretisch begründbaren Schema ab: 1) Entdeckung eines Problems, Vorstellen einer neuen Aufgabe. 2) Entwicklung oder Vorführung einer Problem- oder Aufgabenlösung. 3) Durchführung der Lösung der Aufgabe durch die einzelnen Schüler; Feststellung der Richtigkeit der Lösung, bei Bedarf individuelle Hilfestellung zur Durchführung der Aufgabe. 4) Übungen zur Festigung und Vorbereitung eines Transfers auf ähnliche Probleme und Aufgaben. Einsatzbereiche des Team Teaching: Phase 1: Einführung der Aufgabe im Klassenunterricht durch einen Lehrer, Unterstützung der Aufmerksamkeit der Schüler durch den zweiten. Oder: Konfrontation der Schüler mit der Aufgabe in medialer Form (Arbeitsblatt, Projektion, Video clip). Beide Lehrer unterstützen in individueller Kontaktnahme den Leseprozess und das Textverständnis. Phase 2: Die unterschiedlichen Interventionsformen beider Lehrer ergeben sich aus der Gestaltung der ersten Phase. Phase 3: Wesentlichster Einsatzbereich des Team Teaching! Kontrolle, ob jeder Schüler die Aufgabenlösung verstanden hat und die Aufgabe selbständig lösen kann. Nach Bedarf individuelle Hilfestellung durch die Lehrer. Phase 4: Arbeitsteilung auf Grund der Ergebnisse in der dritten Phase. Übungen entweder zur Festigung des Lernergebnisses durch Wiederholungen oder zur Erweiterung und Transfer-Vorbereitung.
Dieser Unterrichtsablauf mit seinen spezifischen Anforderungen ist auch gegeben, wenn nur ein Lehrer in der Klasse steht und einen leistungsheterogen zusammengesetzten Klassenverband unterrichtet. Er kann dadurch zweifellos auch überfordert sein. Eine Stunde gut gestaltetes Team Teaching bringt jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit bessere Lernerfolge der Schüler. Sie zu streichen, wie die Unterrichtsministerin plante, ist daher zu hinterfragen.
Bei der Evaluation der Neuen Mittelschule durch das BIFIE wird das Zweilehrer-System neben den Problemen der Leistungsbeurteilung ein wichtiger Untersuchungsbereich sein, der zu Reformvorschlägen führen könnte. Hier ein Verbesserungsvorschlag: Leistungsheterogene Stammklassen mit Team Teaching in der 5. und 6. Schulstufe, Leistungsgruppen mit mindestens zwei Leistungsniveaustufen mit fachspezifischer Einordnung und praktizierter Durchlässigkeit in den Schulstufen 7 und 8. Aber auch dem Wiener Schulversuchsmodell sollte man Aufmerksamkeit schenken!