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Rien ne va plus im Bildungssystem?

von Klaus Satzke
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In Fragen der Finanzierung des Bildungssystems ist es im Verlauf der letzten 15 Jahre drei MinisterInnen mit beeindruckender Konsequenz „gelungen“, Schritt für Schritt alle vorhandenen Spielräume auf Null zu reduzieren.
Im Jahre 2003 reduzierte Elisabeth Gehrer die Anzahl der Pflichtstunden in den Hauptschulen und in den mittleren und höheren Schulen um ein bis zwei Wochenstunden. Nach der „Entlastungsverordnung“ wurde die Ministerin vor allem von Seite der AHS-Lehrergewerkschaft, vieler Eltern und den Oppositionsparteien kritisiert, die in der Pflichtstundenkürzung eine Einsparungsmaßnahme sahen. Seither ist es undenkbar, bei einer Kostenreduzierung an die schülergezogenen Wochenstunden zu denken.
Im Jahr 2009 hat dann Bildungsministerin Claudia Schmied den Versuch unternommen, die Lehrverpflichtung der Lehrer um 2 Wochenstunden anzuheben. Die Gespräche und Verhandlungen endeten desaströs. Seither ist es undenkbar, an diesem Kostenfaktor Veränderungen herbeizuführen.
Aktuell, also 2014 hat nun Ministerin Heinisch – Hosek mit der Zurücknahme ihrer Verordnung über Gruppengrößen und Teilungszahlen den letzten Spielraum für Kostenreduktionen „verspielt“.
Gemeinsam sind diesen Aktionen die dilettantische Initiierung der Diskussion, die Überraschung über die heftigen Reaktionen der Öffentlichkeit und das Fehlen eines Gesamtkonzeptes, das die Kostenfrage im Bildungssystem mit anderen zentralen Fragen wie z. B. Entlastung und Stützung des Lehrberufes, Bürokratieabbau und erweiterte Autonomie sinnvoll miteinander verknüpft. Die Verhandlungen über das erst im Vorjahr im Konflikt abgeschlossene neue Dienstrecht sind ein Musterbeispiel für ein kleinliches Hin- und Her - Gezerre, bei der weder der Bund noch die Gewerkschaften ein großes, gemeinsames Ziel vor Augen hatten.
Nachdem die genannten Ministerinnen erfahren mussten, wo bei einer Kostenanalyse überall ein „no go“-Faktor besteht, mündet die Debatte derzeit in eine isolierte Diskussion der Themen „Schulbürokratie“ und „Schulautonomie“. ibw-Forscher Kurt Schmid kommt 2009 zum Schluss: Unter dem Mantel "Schulverwaltung" sind 4086 Mitarbeiter beschäftigt, davon als Bundesbedienstete 990 im Ministerium, was er nicht für aufgeblasen hält, 1244 in den Landesschulräten sowie 352 als Landes- und Bezirksschulinspektoren. Dazu kommen als "eine Art Parallelbehörde" 1500 Landesbedienstete in den Landesschulämtern. Die Kosten für alle veranschlagt Schmid mit 404,5 Millionen Euro.
Das sind beeindruckende Zahlen, wenngleich deren Aktualität (insb. das Ministerium betreffend) zu prüfen wäre. Ministerin Heinisch-Hosek hat schon angekündigt, in monatlichen Abständen mit den Landesschulratspräsidenten Gespräche über Kosteneinsparungen zu führen. Es ist zu befürchten, dass auch diese Gespräche zur „Erkenntnis“ führen werden, dass das bestehende System letztlich unveränderbar ist. Es geht eben gar nicht um eine simple Reduktion, um das Einsparen von ein paar Dienstposten, sondern um eine Systemänderung.
Charakteristisch für das bestehende System ist die Parallelität von Landes- und Bundeseinrichtungen auf der Ebene der Bundesländer. Bekanntlich ist ja der Landesschulrat eine Bundeseinrichtung, die aber vom Landeshauptmann geleitet wird bzw. von einem Amtsführenden Präsidenten, der diese Funktion von Gnaden des Landeshauptmannes hat. Diese Konstruktion ist geradezu aberwitzig, bedenkt man, dass parallel dazu auf Landesebene im Rahmen der Landesregierung ebenfalls wichtige Fragen des Schulwesens wahrgenommen werden. Wer da etwas ändern will, der begibt sich sehenden Auges in eine Auseinandersetzung mit den Landeskaisern. Und diese deuten auch schon an, dass man Kosten einsparen kann, aber nur, wenn sie selbst die Gesamtkompetenz (Bildungsdirektionen) erhalten. Aber die angesagte Kostenersparnis ist ebenso ein Märchen wie die versprochene Kostenreduktion bei den aufgelösten Bezirksschulräten. Warum ist das so? Weil ein Herumdoktern an der Kompetenzfrage alleine keine Veränderung des Systems bedeutet. Wenn die Aufgaben gleich bleiben, werden nur Personen und Budgetmittel hin- und hergeschoben!
Eine tatsächlich gewollte Veränderung des Systems setzt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Idee einer deutlich erweiterten Schulautonomie voraus. Diese Hausaufgabe ist aber bislang nicht erledigt, auch nicht von den Grünen und den NEOS, die ja Schulautonomie auf ihre Fahnen geheftet haben. Schulautonomie kann nicht Alleinherrschaft eines Schulleiters oder einiger „Schuloligarchen“ bedeuten, sondern bedarf einer klaren demokratischen Kontrolle und Begleitung und darüber hinaus auch einer regionalen Koordination. Dafür liegen keine Konzepte vor, nicht einmal Zielvorstellungen!
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang eine Pressekonferenz des „ibw“ und der WKÖ:
Einen radikalen Schnitt in der Schulverwaltung fordert die Wirtschaftskammer – und wählt dazu ebenso radikale Worte: Die Schulverwaltung müsse man „zertrümmern und dann komplett neu aufsetzen“, so Michael Landertshammer, Leiter der bildungspolitischen Abteilung der WKO. Das Modell, das der WKO vorschwebt: Schulen sollen weitgehend autonom agieren und von einer unabhängigen Agentur evaluiert werden. (Die Presse, 7.5.2014)
Da werden Wahrheiten und Halbwahrheiten mit einem Verbalradikalismus verknüpft, der staunen macht. Was fehlt, das ist eine Konkretisierung der Vorschläge, ein Gesamtkonzept und eine Perspektive für eine schrittweise Systementwicklung. Mag sein, dass diese Radikalität der Worte sich aus dem Wissen erklärt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen ohnehin nicht kommen.