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Die Kritik des Rechnungshofes ist berechtigt, aber seine Vorschläge machen es sich zu einfach!

von K. L. Satzke
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Man sollte dem Rechnungshof dafür dankbar sein, dass er just einen Monat vor dem ominösen „Abgabetermin“ (17. November), den sich die Bildungsreformkommission selbst gesetzt hat, eine kritische Analyse der Schulbehörden in Oberösterreich und Tirol auf den Verhandlungstisch flattern ließ. Gegenstand der Prüfung war die Lehrerpersonalaufnahme, die Verwaltung / Verteilung der Personalressourcen und  die Tätigkeit der Schulaufsicht.  Die zentralen Erkenntnisse können wie folgt zusammengefasst werden:

 Der Rechnungshof hält die derzeitige Konstruktion der Schulverwaltung für nicht mehr zweckmäßig und überdies für zu kostenintensiv.

Auf die nahezu undurchschaubaren Verstrickungen von Landes- und Bundesorganen im Rahmen der Schulverwaltung sollte in Zukunft verzichtet werden. Der Landesschulrat, der ja im Widerspruch zu seiner Bezeichnung eine Bundesbehörde ist, sollte nicht vom jeweiligen Landeshauptmann und einem (ohnehin obsoleten) Vizepräsidenten geleitet werden, sondern – entsprechend dem Aufbau der übrigen Bundesverwaltung – von einem Bundesbediensteten als Behördenleiter. Überdies sollte auf die Kollegien bei den Landesschulräten verzichtet werden, weil sie im Wesentlichen nur Ausdruck einer Proporzgesinnung bei den Postenbesetzungen im Schulbereich sind.

Die Debatte über „Verbundlichung“ oder „Verländerung“ ersetzt nicht Schulreform 

Auch wenn der Rechnungshof diese seine Auffassung nicht zum ersten Mal äußert, so ist diese Ansage zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine ziemlich starke, um nicht zu sagen provokante  Feststellung, die die Dinge auch unzulässig vereinfacht. Die Simplifizierung allerdings nahm ihren Ausgang schon bei der Konferenz der Landeshauptleute, die durch ihre Proponenten Pröll und Nissl unmissverständlich zum Ausdruck brachten, dass eine Kompetenzbereinigung in Richtung „Verländerung“ (Bildungsdirektionen beim Land und in weiterer Konsequenz auch die Verwaltung der Bundeslehrer) gehen sollte. Von der Bildungsministerin und verschiedenen SPÖ-Vertretern liegen zu diesem Punkt zwar unterschiedliche Meinungsäußerungen vor, die Sache ist aber ziemlich sicher nicht vom Tisch und im Übrigen hüllt sich die Bildungsreformkommission in tiefgründiges Schweigen. 

So wohltuend auch manche der Kernaussagen des Rechnungshofberichtes klingen mögen, so sollte der Bericht insgesamt doch nicht das Missverständnis fördern, dass die drängenden Fragen einer Bildungsreform alleine oder durch eine Behördenreform – so wichtig eine solche auch sein mag - lösbar sind.

 Eine erneuerte Schule benötigt demokratische Einrichtungen und politische Verantwortung

Auch macht es sich der Rechnungshof zu einfach, wenn er meint, es würde genügen, an die Stelle des Landeshauptmanns als Präsidenten des Landesschulrates / Stadtschulrates einen Beamten als Behördenleiter zu setzen. Abgesehen davon, dass es jetzt schon in der Person des Landesschulratsdirektors einen Behördenleiter gibt (der allerdings durch die Geschäftseinteilung in den wesentlichen Fragen kaum Einfluss hat), so wirft eine derartige „Entpolitisierung“ jede Menge Fragen auf.  Zweifellos ist die bestehende Behördenorganisation und das System der politischen Verantwortung Ausdruck eines inzwischen längst überholten Demokratieverständnisses aus den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Zu Recht kritisiert der Rechnungshof, dass die Kollegien (zusammengesetzt im Verhältnis der im Landtag vertretenen Parteien)  im Wesentlichen nur mehr der proporzmäßigen Vergabe von Positionen und Funktionen  dienen. Aber die Lösung des Problems kann doch nicht in einem ersatzlosen Abbau von immerhin - zumindest dem Anspruch nach - demokratischen Einrichtungen und politischer Verantwortung sein. 

Es fehlt an seriösen Analysen und entwickelten Konzepten

Der Bericht des Rechnungshofes macht vielmehr schmerzlich bewusst, dass es für eine Reihe von zentralen Fragen, mit denen sich die Bildungsreformkommission befasst oder befassen sollte (Genaueres wird ja der Öffentlichkeit derzeit noch vorenthalten!) an allen Ecken und Enden an notwendigen Analysen und darauf basierenden Konzepten fehlt:

  • Wenn also völlig zu Recht die Kollegien der Landesschulräte kritisiert werden, dann stellt sich umso drängender die Frage, welche demokratiepolitischen Entscheidungs-, Mitgestaltungs- und Kontrollgremien eine Schule der Zukunft unverzichtbar benötigt und ob es dafür konzeptive Vorstellungen gibt. Wenn der Schein nicht trügt, dann arbeitet die Bildungsreformkommission ohne diesbezügliche Konzepte.
  • Wenn der Rechnungshof – wieder völlig zu Recht – darauf verweist, dass unser Schulwesen im internationalen Vergleich teuer und ineffizient ist, dann sollte an Hand von Daten und Fakten auch einmal nachgewiesen werden, wo denn die Mittel versickern, die eigentlich die Schulen erreichen sollten. Es bedarf keiner großen Phantasie sich vorzustellen, dass alle weitergehenden Verteilungs- und Umverteilungsvorgänge von Ressourcen überaus schwierig und schmerzvoll sind. Umso bedauerlicher ist es, wenn auch hierzu die einschlägigen Analysen fehlen und keine Klarheit über die demokratiepolitischen Steuerungsprozesse inklusive eines erforderlichen Controllings besteht.
  • Wenn immer wieder (allerdings nicht im gegenständlichen Bericht) das Zauberwort Autonomie als zentrales Element der anvisierten Bildungsreform in die Diskussion eingebracht wird, dann wäre es an der Zeit, wenn nicht immer nur totale Harmlosigkeiten als großartige Autonomiespielräume für die Schulen angekündigt werden, sondern wenn ein in sich konsistentes Gesamtkonzept vorläge, das den Zusammenhang zwischen Freiräumen, einer schlankeren Schulverwaltung und einem notwendigen Controlling klärt. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass ein derartiges Konzept der Bildungsreformkommission nicht vorliegt!
  • Wenn zu Recht (auch im vorliegenden Rechnungshofbericht) kritisiert wird, dass ein zentrales Problem unseres Bildungssystems in den nicht nur durch PISA festgestellten Defiziten bei grundlegenden Kulturtechniken zu sehen ist, dann stellt sich die Frage, wo die Konzepte für Veränderungen im Hier und Jetzt sind. Wenn man sich erwartungsgemäß  bei den Strukturfragen wieder einmal nicht einigen kann (Verlagerung der Bildungslaufbahnentscheidung mit dem  10. Lebensjahr), dann geht es um ein sicher nicht billiges Konzept der kontinuierlichen Beratung und Unterstützung von Schulen mit dem Ziel einer Verbesserung der Unterrichtsqualität. Die Schulaufsicht wird das nach allen vorliegenden Erfahrungen nicht leisten können, auch wenn man ihr einen neuen Namen gibt. Es besteht somit auch hier der Verdacht, dass in dieser Frage der Bildungsreformkommission keine umfassenden Konzepte vorliegen.

 Wenn man bedenkt, dass die Bildungsreformkommission von ihrer Zusammensetzung her ein politisches Gremium ist, das Entscheidungen herbeiführen soll, aber wohl nicht in der Lage ist (und wohl auch nicht willens ist), in die Niederungen der Konzeptentwicklung hinabzusteigen, dann muss man sich Sorgen machen. Man kann der Amtstätigkeit der Ministerin Gehrer viel vorwerfen, aber mit der Einrichtung der damaligen Zukunftskommission hat sie einen positiven Modellfall geschaffen. Ein von den Qualifikationen her nicht in Frage zu stellendes Expertengremium hat damals im Verlauf eines Jahres konkrete Konzepte der Schulreform entwickelt und der Politik vorgelegt. Die Vorschläge wurden bei weiten nicht alle umgesetzt, aber immerhin, noch heute lässt sich überprüfen, was damals zur Debatte stand und ob und wie es umgesetzt wurde!

K.S.