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Die Zentralmatura und eine merkwürdige Informationspolitik

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Die „Zentralmatura“ scheint eine jener Baustellen zu sein, die nie zu einem Abschluss gelangen und ständig neue „Aufreger“ produzieren.  Wenn sich kürzlich der „Noch-Chef“ der Gewerkschaft an berufsbildenden Schulen, Jürgen Rainer, zur Aussage hinreißen ließ „Die Zentralmatura ist eine sinnlose Angelegenheit“ (Die Presse, 21.4.2016), dann muss man sich schon fragen, ob da nicht einige Sicherungen völlig durchgebrannt sind . Er trifft diese Feststellung einige Wochen vor dem 9. Mai, zu dem heuer erstmals die BHS flächendeckend dabei sind, und fügt sich damit nahtlos in das Bild eines Kriegsschauplatzes ein, der von Heckenschützen aller Art dominiert wird. Es soll im Folgenden gar nicht der Versuch gemacht werden, nochmals alle Fehler, Missgeschicke und Missverständnisse aufzuzählen, die mitverantwortlich für diesen Zustand sind. Vielmehr soll hier die Frage gestellt werden, ob in der aktuellen Bildungspolitik überhaupt noch so etwas wie außer Streit stehende Themenstellungen existieren, an denen auch gemeinsam gearbeitet wird und über deren Ergebnisse die Öffentlichkeit systematisch informiert wird.

Das Projekt „Zentralmatura“ ist sicher im Zusammenhang mit dem Vorhaben zu sehen, sich an den entscheidenden Schnittstellen des Bildungssystems (4., 8. und 12. Schulstufe) mit Hilfe von standardisierten Verfahren Klarheit zu verschaffen über das Erreichen der grundlegenden Bildungsziele. Mit den so gewonnenen Daten sollte es einerseits den Schulen möglich sein, Schlussfolgerungen für ihre eigene konkrete Bildungsarbeit  zu ziehen, andererseits der Bildungspolitik eine Grundlage für so etwas wie eine „evidence based policy“ geliefert werden. Nach mehreren Jahren der Diskussion sollte es doch eigentlich möglich sein, den Schulen, der Schulverwaltung, den Interessenvertretungen etc. plausibel zu machen, dass es sich hier um ein wichtiges Unternehmen handelt, das wertvolle Aufschlüsse darüber liefert,

 -          wie groß die Unterschiede innerhalb der Schultypen und zwischen den Schultypen sind bzw.

-          welche Dependenzen zu regionalen und standortspezifischen Umfeldbedingungen bestehen,

-          wie es um die zentrale Frage der Studierfähigkeit der Absolventen steht.

 Wenn sich die Bedeutung eines solchen Vorhabens als nicht vermittelbar herausstellen sollte, dann müsste man tatsächlich an der Sinnhaftigkeit der bildungspolitischen Bemühungen dieser Regierung zweifeln. Die Diskussionen der vergangenen Jahre über das Dauerthema „Zentralmatura“ haben jedenfalls nicht den Eindruck vermittelt, dass es sich da um ein Projekt handelt, dessen grundsätzliche Berechtigung und Notwendigkeit in der Regierung außer Streit steht.

Man sollte meinen, dass es nunmehr,  nach dem mehr oder weniger gelungenen gesamt-österreichischen Projektstart 2015 möglich sein sollte, wichtige Ergebnisse der Datenauswertung einigermaßen vollständig und übersichtlich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zu konstatieren ist allerdings eine merkwürdige und irritierende Zurückhaltung in der Informationspolitik zum Projekt „Zentralmatura“. Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann scheint hier die Sorge eine Rolle zu spielen, dass der Überbringer schlechter Nachrichten in den Medien gleich auch als Verursacher der aufgezeigten Probleme identifiziert werden könnte. Dem ist aber nicht so! Eine aktive Bildungspolitik müsste sich darüber freuen, wenn sie den Nachweis bringen kann, dass sie Probleme nicht verschweigt, sondern an Hand von Daten und Fakten ihre eigene Analysefähigkeit und Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen kann.

 Beim Anlassfall „Zentralmatura 2015“ (an allgemeinbildenden höheren Schulen) sieht die Informationslage wie folgt aus:

  • Bis dato liegt keine umfassende Auswertung der Ergebnisse vor
  • Im Februar 2016 ist der frühere Leiter des Bifie mit einer privaten Auswertung von Daten vorgeprescht, die auf die besondere Problemlage im Bereich der ORGs hinwies.
  • Es folgte eine kalmierende Informationspolitik des BMBF, die die Auswertungen von Günter Haider relativierte. Unter Abzug von Extremwerten würden die Daten in eine ganz andere Richtung weisen.
  • Es bedurfte erst der parlamentarischen Anfrage von Harald Walser, dass nun doch genauere Zahlenangaben erfolgten, die nun aber die anfangs von Günter Haider aufgezeigten Probleme an den ORGs bestätigten.
  • Eine Gesamtauswertung und Detailanalyse der Ergebnisse der Zentralmatura 2015 liegt aber noch immer nicht vor bzw. ist nicht öffentlich zugänglich.

 Die Folgen: Eine neuerlich aufflackernde Diskussion ohne klare Datenlage, ohne strukturelle Analyse, ohne klare Entwicklungsperspektive, ohne Machbarkeitsanalyse, ohne eine Andeutung von systematischen Entwicklungsschritten …

Die Vermutung liegt nahe: Der Schaden wird wohl größer sein als der Nutzen. Die Regierungskoalition erscheint wieder einmal bildungspolitisch handlungsunfähig!

K.S.