« vorheriger Artikel | Home | nächster Artikel »

Anstehende Reform der Leistungsbeurteilung in der Grundschule

Artikel drucken

Das Schulrechtspaket 2016 (verfügbar unter https://www.ris.bka.gv.at ), das bereits durch die Begutachtung gegangen ist, soll zumindest erste Schritte zu den anstehenden Reformen in der Grundschule ermöglichen. Die zugrundeliegende Problemanalyse des BMBF sieht u. a. wie auch Schmidinger et al. im Nationalen Bildungsbericht 2015, Kapitel 2 (http://dx.doi.org/10.17888/nbb2015-2), dass die „Organisation der Grundschule in nach Schulstufen getrennten Klassen und die Leistungsbeurteilung innerhalb dieser vierjährigen Elementarbildung der bestmöglichen individuellen Förderung der … Volksschülerinnen und –schüler im Unterricht entgegensteht“ (Erläuterungen zum Schulrechtspaket 2016, S. 4).

Das Schulrechtspaket 2016 enthält dazu als Problemlösungen für die ersten drei Schulstufen

  • den Wegfall des Repetierens
  • die Weiterführung der Möglichkeit des Wechsels der Schulstufe während des Schuljahres und der freiwilligen Wiederholung einer Schulstufe in der Grundstufe I bis zur dritten Schulstufe
  • die schulautonome Entscheidungsmöglichkeit
    • zu einem umfassenden Informationssystem anstelle der Noten, das aus einer schriftlichen Semester- und Jahresinformation besteht, dem ein Bewertungsgespräch der Klassenlehrperson mit den Erziehungsberechtigten und ihrem Kind voranzugehen hat, sowie
    • zur Führung jahrgangsübergreifender Klassen.

Diese Problemlösungen entsprechen im Großen und Ganzen auch den von Schmidinger et al. im Nationalen Bildungsbericht 2015 vorgeschlagenen Handlungsoptionen für die Bildungspolitik. Dort wird jedoch nicht die bloße Überleitung der Schulversuche zu den alternativen Formen der Leistungsbeurteilungen für die 1. bis 3. Klasse Volksschule in den schulautonomen Gestaltungsraum gefordert, sondern der vollständige Ersatz der Noten durch diese. Leider scheiterte der letzte Versuch der abgetretenen Bildungsministerin Heinisch-Hosek vor der Begutachtung, diese Lösung im Schulrechtspaket 2016 unterzubringen.

Durch die Bestimmungen des Schulrechtspakets 2016 wird somit nur das Schulversuchsprozedere durch das Autonomieprozedere ersetzt. Nach Inkrafttreten dieser Bestimmungen müssen daher alle Schulen, die die Noten durch lernförderlichere Maßnahmen ersetzen wollen, dies in den schulpartnerschaftlichen Gremien beraten. Wenn man einerseits weiß, wie schwierig es vielfach ist, die nötige Mehrheit der Eltern bei der für den Schulversuch „Alternative Formen der Leistungsbeurteilung“ notwendigen Abstimmung im Klassenforum (§ 78 a SchUG) zu erreichen, anderseits das Expertenwissen zum Forschungsstand zu den Ziffernnoten in Betracht zieht, müssen die notwendigen Abstimmungen die schulpartnerschaftlichen Gremien (Klassenforum / Schulforum) überfordern.

Neben diesem Aufwand, der auf Schulebene im Vergleich zum Schulversuchsstatus nicht weniger wird, jedoch die Bandbreite der möglichen alternativen Leistungsbeurteilungsformen einschränkt, verlangt das neue umfassende Informationssystem auch einen größeren zeitlichen Aufwand als im Schulversuch, da im Schulversuch in der Regel nur eine der alternativen Formen, das individuelle mündliche Informationsgespräch oder die schriftliche Semester- und Jahresinformation (verbale Beschreibung) oder eine andere, von einer Lehrperson praktiziert wurde.

Obwohl gegen die nun verlangte umfassendere Information sachlich nichts einzuwenden ist, ist zu befürchten, dass sich die Zahl der Lehrpersonen, die diesen Aufwand auf sich nehmen, im Vergleich zu den Schulversuchen reduzieren wird, was aber nicht das Ziel sein kann. Die schulautonome Lösung kann daher nur ein Schritt in die gewünschte Richtung sein, die vielleicht jenen Lehrpersonen, deren Unterricht noch nicht entsprechend förderorientiert und individualisiert ist, Zeit gibt, diesen entsprechend weiterzuentwickeln. Dieser Reformschritt müsste daher für Fortbildungen und begleitete Unterrichtsentwicklungen genützt werden, damit die neuen Formen der Leistungsbeurteilung auch während des Schuljahres lernförderlich eingesetzt werden, um formativ zur Verbesserung des Lernens und seiner Ergebnisse wirksam werden zu können.

Dies erfordert aber ein klares zeitliches Ziel für alle Lehrpersonen, ihren Unterricht z. B. im Rahmen von SQA (Initiative Schulqualität Allgemeinbildung des BMBF) in diesem Sinn umzugestalten. Ein solches zeitliches Ziel ist mit 2021 als Evaluationszeitpunkt für diese Maßnahmen in den Erläuterungen zum Schulrechtspaket 2016 (S. 7) auch vage enthalten. Wie viele Lehrpersonen zu diesem Zeitpunkt dieses umfassende Informationssystem umgesetzt haben sollen und wie weit dieses Ziel als solches auch mit den Lehrpersonen kommuniziert wird, bleibt jedoch offen.

Mit dem Schulrechtspaket 2016 ungelöst bleiben die durch die notwendigen Schullaufbahnentscheidungen entstandenen Belastungen der Lehrpersonen bei der Leistungsbeurteilung in der vierten Schulstufe, in der alles beim Alten bleibt.