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Das Schulautonomiepaket der Ministerin Dr. Hammerschmied – Eine Systemumstellung mit diskussionswürdigen Eckpunkten

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Der Diskussionsverlauf, den bildungspolitische Themen erleiden, nimmt  manchmal recht merkwürdige Wendungen!  Als vor einem Jahr das erste Papier der Bildungsreformkommission veröffentlicht wurde, da war die Enttäuschung zu Recht groß. Die Ergebnisse waren dünn und sie wurden dem Anspruch einer umfassenden Bildungsreform nicht gerecht bzw. waren in sensiblen Bereichen zu unklar und unverbindlich formuliert(Musterbeispiel Modell-Regionen-Paket).Ganz anders stellt sich die aktuelle Situation nun nach der Präsentation des zweiten Papieres (Bericht an den Ministerrat betreffend Arbeitsgruppe Bildung) dar.  Die vorliegende Absichtserklärung wird ganz allgemein eher begrüßt und als ein konkreter und eher weitreichender Autonomieschritt betrachtet, aber im Übrigen aber auf die Frage der Personalauswahl durch den Schulleiter reduziert.

Das ist bedauerlich, weil dabei übersehen wird, dass mit diesem Papier eine substanzielle und weitreichende Systemumstellung angepeilt wird, die einer ausreichenden öffentlichen Diskussion bedarf. Sie bedarf dieser Diskussion eben deshalb, weil das Konzept weitreichend und ambitioniert ist und über die Autonomiefrage weit hinausgehende  Punkte enthalten sind, die auch in Zukunft  einer regelmäßigen Information der Öffentlichkeit bedürfen.

Was den engeren Bereich des Autonomiepaketes betrifft, so ist zunächst einmal festzuhalten, dass ein guter Teil der vorgesehenen Maßnahmen längst fällige Deregulierungen beinhaltet, die nun konsequent angegangen werden sollen. Es bedarf tatsächlich nicht des Wustes von Landesausführungsgesetzen und Verordnungen, mit denen Klassenschülerzahlen, div. Gruppengrößen und Teilungszahlen derzeit geregelt sind! Dasselbe  gilt selbstverständlich auch für die Fragen der Schulzeit-Organisation.  Bei aller Begeisterung sollte aber nicht übersehen werden, dass  autonome Entscheidungen am Schulort nicht automatisch „richtige“ Entscheidungen sind, sondern sie werden (fallweise) im Rahmen durchaus konträrer Interessenkonstellationen getroffen.  Die Verfechter der „reinen“ Lehre von der Schulautonomie (beispielsweise die NEOS) argumentieren dann mit dem Marktmodell des Neo-Liberalismus, das darauf hofft, dass Fehlentscheidungen sich im Wege des Wettbewerbs zwischen den Schulen von selbst erledigen.

Das Papier der Ministerin hingegen setzt völlig zu Recht auf eine Cluster-Lösung, die die einzelnen Schulen in ein größeres regionales Konzept einbindet und auf diese Weise auch für Transparenz und Ausgewogenheit sorgen kann. Dieser Cluster-Idee ist allerdings noch ziemlich vage als Möglichkeit formuliert, sodass man sich nicht wundern darf, wenn sie von  der Öffentlichkeit mehr als ein origineller Nebenaspekt, denn als ein zentrales Konzeptelement wahrgenommen wird. Immerhin, vorgenommen hat sich die Ministerin viel! Zitat: „Der Bildungscampus im urbanen Bereich bzw. die Bildungsregion im ländlichen Bereich hat die Förderung der Durchlässigkeit sowie die Schaffung nahtloser Bildungsübergänge vom Kindergarten bis inklusive der Sekundarstufe II zum Ziel.“ Auf die Realisierung dieser Zielsetzungen darf man gespannt sein!

Auch in der Frage der Mitsprache / Mitwirkung der Schulpartnerschaft unterschätzt die öffentliche Diskussion bislang, dass es um mehr geht, als nur um eine funktionierende Gesprächsbasis zwischen Schulleitung und Lehrer-/Elternvertreter.

Im Papier wir völlig zu Recht die Notwendigkeit einer Anpassung der gesetzlichen Regelungen über die Schulpartnerschaft an die neuen Gegebenheiten angekündigt, und zwar auf „allen Systemebenen (Schule, Cluster, Schulbehörde im Bundesland usw.)“. Einfach wird das nicht, denn die Realität der Schulpartnerschaft zeigt zweifellos Abnützungserscheinungen  und ist ziemlich weit entfernt von zeitgemäßen Formen einer demokratischen Mitwirkung (siehe Kollegien bei den Landesschulräten).

Was den Bereich der Verbesserung der Unterrichtsqualität betrifft, werden im Papier erweiterte Freiräume  im Bereich inhaltlicher Schwerpunktsetzungen und bei alternativen Formen der Lernorganisation angekündigt.  Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass es auch hier keinen Automatismus zwischen autonomen Freiräumen und besserem Unterricht gibt. Mehrfach wird daher im Papier auf die Aufgaben der Lehrerfort- und Weiterbildung Bezug genommen sowie auf eine Zusammenführung der Beratungs- und Unterstützungsantebote für Schulen. Es wäre tatsächlich eine Großtat, wenn es gelänge, ein mehrjähriges Projekt der Schulentwicklung von Beginn an mit einer systematischen und konsequent betriebenen Fortbildung und Beratung zu koppeln. Aus der Vergangenheit kennt man etliche Beispiele, wo dies auch angekündigt wurde, die nachträgliche Bewertung dann aber  nur die Diagnose des „Zu wenig“ und „Zu spät“ zuließ. In Wahrheit ist eine konsequent betriebene, von den Schulen „abrufbare“, in letzter Konsequenz  verbindliche Fort- und Weiterbildung ein Neuland und eine beträchtliche institutionelle Herausforderung.

Im Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement der Schulen wird auch die Schaffung einer neuen Steuerungsstruktur angekündigt, die die weitreichenden Autonomiemaßnahmen um ein System von Controlling-Instrumenten und die Einrichtung einer zentralen Qualitätssicherungsstelle ergänzt. Was hier angekündigt wird, das ist allerdings in den vergangen Jahren durch wichtige Teilschritte bereits vorbereitet. Mit den Bildungsstandards und deren regelmäßiger Überprüfung liegt modellhaft ein System vor, das den einzelnen Schulen (und der Schulaufsicht) Daten über die erzielten Lernergebnisse liefert und darauf setzt, dass das Wissen um die Probleme auch zu den notwendigen unterrichtlichen Konsequenzen führt. Ob aus der Kenntnis der Datenlage (Lernergebnisse der SchülerInnen) tatsächlich dann Impulse für eine Veränderung des schulischen Qualitätsmanagements resultieren, das ist beim derzeitigen Stand der Entwicklung noch nicht mit Sicherheit festzustellen. Sicher ist jedenfalls, dass mit dem konsequenten Einsatz von Controlling-Instrumenten wertvolle Datensammlungen entstehen, die nicht alleine der Schulverwaltung bzw. einer Qualitätssicherungsstelle für mehr oder weniger geheime Schlussfolgerungen zur Verfügung stehen sollten. Die Bewertung der Ergebnisse schulischer Arbeit ist – unter Wahrung des individuellen Datenschutzes – eine öffentliche Angelegenheit!

Alles in allem ist festzustellen, dass mit dem von Ministerin Hammerschied vorgelegten Papier tatsächlich so etwas wie ein Bildungskonzept vorliegt, jedenfalls weit mehr, als das Konvolut vom November 2015. Fragen wirft allerdings der Zeitplan auf („Im Schuljahr 2018/19 wird die stufenweise Umsetzung bis 2025 fortgeführt“). Was wird da in die nächste Legislaturperiode verlagert und was heißt „stufenweise Umsetzung“ konkret?  Autonomie kann ja wohl nicht scheibchenweise je Schulstufe eröffnet werden!?