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Schulreform – ein Papiertiger?

von Klaus Satzke
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Die Bertelsmann Stiftung wertete für das Projekt „Social Inclusion Monitor Europe“ die systematische Befragung von insgesamt 1058 Wissenschaftlern aus, die sich mit Sozialfragen in den EU-Mitgliedstaaten beschäftigen. Die größte Reformlücke wird dabei im Bildungsbereich gesehen, wie das kürzlich veröffentlichte "EU-Reformbarometer" der Stiftung ergeben hat. Auch Österreich liegt hier im untersten Drittel, auf Platz 14 der 22  EU-Staaten. Aber es gibt vermeintlich auch Positives zu berichten!

Die Kleine Zeitung vom 21.2.2017 zitiert hoffnungsfroh aus der Studie: „Positive Effekte werden das verpflichtende Gratis-Kindergartenjahr sowie der Ausbau von Gesamtschulen haben.“ Auch die „Presse“ v. 20.2.2017 zitiert freudig: „Der Ausbau von Gesamtschulen für Sechs- bis 14-Jährige sowie die Einführung eines verpflichtenden und kostenfreien Kindergartenjahres werden nach Einschätzung der befragten Wissenschaftler deutlich positive Effekte auf diese Problematik haben.“

Dass sich die Bertelsmann- Stiftung so wie viele andere Institutionen auch an der Erstellung dümmlicher Rankings beteiligt, das ist die eine Sache. Ein spezielles Problem entsteht aber, wenn sich die in das Ranking eingehenden Bewertungen auf ungelegte bzw. nicht ausgebrütete Eier beziehen. Die positiven Erwartungen, die mit der Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres verbunden werden, mögen sehr berechtigt sein, zweifellos befindet sich dieses Projekt aber erst im „Brutstadium“ und über eine Evaluation oder mindestens ein Monitoring hat man bislang nichts gehört. Skurril wird die Angelegenheit aber, wenn vom sogenannten „Ausbau von Gesamtschulen“ die Rede ist. Dieses Projekt hat bekanntermaßen sehr unklare Konturen und ist darüber hinaus bis heute ein reines Papierprodukt der Koalitionsregierung geblieben.

Die sogenannte Bildungsreformkommission hat im November 2015 (!) ein Ergebnis vorgelegt, das die aktuellen Probleme im Mittelstufenbereich negiert und stattdessen ein „Modell-Region-Paket, Schule der 6 – 14-Jährigen“ ankündigt, das bislang in keiner Weise für eine Umsetzung konkretisiert wurde.  Noch immer ist der Beginn dieses Schulversuches innerhalb der aktuellen Legislaturperiode völlig unklar. Klar ersichtlich ist hingegen, dass durch die Einbeziehung der Grundschule in dieses Projekt  - eine Intention, die an keiner Stelle begründet wird - eine 8-jährige Laufzeit erforderlich ist, an die sich dann noch die  Evaluation anschließen muss. Ein Vorliegen der Ergebnisse bis 2025 (!) ist daher irreal. Man erkennt die Absicht: Echte strukturelle Entscheidungen können  in dieser Legislaturperiode nicht  mehr getroffen werden und das ist offensichtlich auch so gewünscht.  

Gleichzeitig wächst insbesondere in den Ballungsgebieten die Zahl der sogenannten Brennpunktschulen, wo sich ein extrem schwieriges soziales Umfeld, schlechte Lernergebnisse und geringe Chancen auf dem künftigen Arbeitsmarkt unheilvoll miteinander verknüpfen. Hier kippt ein System und alle schauen zu! Auch als Befürworter einer Gesamtschullösung muss man sich fragen, ob unter diesen Gegebenheiten und mangels eines Konzeptes, das eine sinnvolle Durchmischung der Schülerpopulation sicherstellen kann, das traditionelle Modell einer gemeinsamen Schule die einfache Antwort sein kann. Zumindest wären ein Neu-Überdenken und eine Weiterentwicklung erforderlich!

Man muss der Ministerin Hammerschmid zubilligen, dass sie in dieser Situation das einzig Mögliche und Richtige tut, wenn sie vom Finanzminister mehr Geld für diese Schulen verlangt. Was sie nicht hinzufügt: Wenn eine Strukturreform auf den Sankt-Nimmerleins-Tag aufgeschoben wird, dann kostet ein halbwegs funktionierender Katastrophenschutz eine Menge Geld! Bildungspolitik als Katastrophenschutz – genügt das?