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Eben neu erschienen! Helmut Seel: „Brennpunkte der österreichischen Schulentwicklung – Rückblicke und Analysen“

von Klaus Satzke
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Diese Publikation nimmt den 85. Geburtstag von Helmut Seel zum Anlass,  unter Rückgriff auf das reichhalte Schaffen des Jubilars wichtige Schnittstellen zu benennen, die für das Verständnis des österreichischen Schulwesens und seiner Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind. Das Wissen um  die Probleme der Vergangenheit und der erfolgten Lösungsversuche vermittelt notwendige Einsichten für ein besseres Verständnis der aktuellen Fragen der Schulentwicklung und Bildungspolitik.  Im Allgemeinen wird das zwar kaum bestritten, die politische Praxis weist allerdings in eine gegenteilige Richtung. Die komplexen Gesetzespakete, die von den letzten Regierungen in den vergangenen Jahren geschnürt worden sind, vermitteln vielmehr den Eindruck eines immer wieder versuchten Neuanfanges ohne Rückblick auf bereits gesammelte Erfahrungen der Vergangenheit. Als Beispiele seien hier die Fragen der Leistungsbeurteilung in der Grundschule und die Reformversuche im Bereich der  Mittelschule angeführt.  Die Auswirkungen dieser weit verbreiteten „Geschichtsvergessenheit“ bei den politisch Verantwortlichen und ihren Thinktanks sind jedenfalls nachhaltig negativ.  Es ergibt sich der Eindruck einer ständigen „Wiederkehr des Gleichen“, des „Sich-im-Kreis-Drehens“ und des Fehlens eines Gesamtkonzeptes. Die Offenlegung von Widersprüchen, die Analyse von politischen Kompromissen und ihren langfristigen Auswirkungen, die Folgen des Hinauszögerns von Entscheidungen, die Rolle der „ungewollten Nebenwirkungen“,  das Einplanen von Zeitkontingenten bei Reformen und die Fragen einer rechtzeitigen Sicherstellung von finanziellen und personellen Ressourcen, alles das geht verloren, wenn man es sich erspart, den Blick zurück in die Vergangenheit zu wagen. So gesehen ist die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit unerlässlich für  erfolgreiche Bildungspolitik in der Gegenwart, weil nur sie eine Garantie dafür geben kann, dass man im Hier und Jetzt der notwendigen kleinen Schritte nicht den Blick dafür verliert, wohin die Reise eigentlichn gehen soll.

Im ersten Teil dieses Buches werden über  einen Zeitraum von 90 Jahren insgesamt elf „Brennpunkte der Schulentwicklung“ identifiziert, die in der Vergangenheit zu weitreichenden Veränderungen des österreichischen Schulwesens geführt haben. Diese Brennpunkte werden im Hinblick auf die damals aktuelle  Problemsicht, die unterschiedlichen bildungspolitischen Positionen, die konkret getroffenen Entscheidungen und die längerfristigen Konsequenzen kurz charakterisiert. Jeder Brennpunkt wird durch ausgewählte Texte  („Rückblicke und Analysen“) ergänzt, die aus Publikationen von Helmut Seel (z. T.  gemeinsam mit J. Scheipl) stammen und eine tiefergehende Analyse ermöglichen  sollen.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass Schulentwicklung im Rahmen dieser Publikation in erster Linie als ein Prozess der Veränderung im Bereich der Schulstrukturen (Gesetze, Verordnungen) sowie der daraus resultierenden veränderten Rahmenbedingungen von Schule (personelle, finanzielle und institutionelle Konsequenzen) und der sich verändernden Schulbahnentscheidungen zwischen den einzelnen Schularten verstanden wird.

Die Brennpunktanalysen werden mit  Bemühungen um eine Reform der Schulverfassung im Jahr 2006 beendet. Die folgenden Jahre (2008 – 2018) entziehen sich aufgrund der zeitlichen Nähe und der geringen Distanz zur Tagespolitik einer globalen Betrachtungsweise. Helmut Seel hat sich aber in einer Reihe von Artikeln im Rahmen des Web-Blogs „www.bpag.at“ immer wieder zu aktuellen Fragen der Schulentwicklung geäußert, die im vorliegenden Buch unter dem Titel „Kommentare zur Bildungspolitik 2008 - 2017“ präsentiert werden.  Wir glauben, dass gerade diese Sammlung von kürzeren Beiträgen ein anschauliches Bild von den wichtigen „Baustellen“ der aktuellen Schulpolitik (Neue Mittelschule, Schuleingangsbereich, Lehrerbildung, Zentralmatura, Oberstufenreform, Schulautonomie) und Orientierungshilfen für deren Einordnung und  Bewertung liefern kann.

Im letzten Abschnitt dieses Buches hat Helmut Seel unter dem Titel „Rahmen zur Analyse der politischen Faktoren im Bildungswesen“ Parameter entwickelt, an Hand derer schulpolitische Ideen, Konzepte und  Programme themenübergreifend verglichen und bewertet  werden können.  Mit den Kriterien Offenheit, Dezentralisation, Rationalität, Wirksamkeit, Akteure, Qualität, Gleichheit und  Wahlmöglichkeiten wird gewissermaßen ein „Werkzeugkasten“ inklusive Anwendungsbeispielen offeriert, der für zukünftige Analysen zur Verfügung steht.

Klaus Satzke, Willi Wolf (Hg.)     

Helmut Seel: Brennpunkte der österreichischen Schulentwicklung - Rückblicke und Analysen

© by Leykam Buchverlagsgesellschaft m.b.H. Nfg. & Co. KG, Graz / Wien 2019