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Homelearning mit Faßmann

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Es liegt im Wesen der Corona-Pandemie, dass sie nicht nur für das Gesundheitswesen eine riesige Herausforderung darstellt, sondern auch in Wirtschaft, Bildung, Kultur etc. Strukturschwächen vervielfacht  und Strukturprobleme sichtbar macht. Die Schließung der Schulen bzw. des regulären Unterrichts macht Dependenzen zwischen Schule, Beruf und Familie sichtbar, die man schon vor der Pandemie wissen konnte, die aber erst jetzt ins öffentliche Bewusstsein gerückt sind. Was die Bildung im engeren Sinn betrifft, glaubte Minister Faßmann zunächst, dass er mit dem Zauberwort „Homelearning“ ein digitales Zaubermittel besitze. Nach 4 Wochen Schule ohne Unterricht wissen alle, die es wissen wollen oder wissen sollten, dass dem nicht so ist.

In der öffentlichen Meinungsbildung überwiegen daher aktuell auch  die kritischen Kommentare. Josef Urschitz spricht in der Presse von enormen Defiziten in Sachen Digitalisierung, die sich  in den Schulen, im Gesundheitswesen, aber auch in der allgemeinen digitalen Infrastruktur gezeigt haben (Wie kommen wir aus dieser Nummer wieder heraus? Die Presse v. 2.4.2020).

 Nikolaus Forgo (Professor für Technologierecht an der Universität Wien) stellt im Standard vom 22.4.2020 fest: „Ohne jede Vorbereitung hat man Schülerinnen und Schülern wie dem Lehrpersonal im Lockdown Homelearning verordnet. Lehrerinnen und Lehrer greifen zwangsläufig auf Privatgeräte und auf privat erworbene Kompetenzen zurück. Viele haben sichtlich nie gelernt, wie man E-Learning-Material aufbereiten kann und muss. Internetverbindungen sind zu langsam, Geräte zu alt, Kompetenzen zu gering. Ob Schülerinnen und Schüler die Infrastruktur haben, das Material auch zu bearbeiten, und wie lange sie dafür brauchen, weiß niemand. Manche Kinder sind seit Wochen für die Schule nicht auffindbar. Über die – endlich als notwendig erkannte – Beschaffung von Geräten entsteht ein Finanzierungskompetenzstreit.“

Und Julia Neuhauser (Die Presse v. 19.4.2020) stellt unter der Überschrift „Die neue Krise verschärft die alten Schwächen des Schulsystems“ fest: „Alte Stärken und Schwächen werden deutlich vor Augen geführt – in der Familie, der Schule, der Bildungspolitik.“

Minister Faßmann hat es wohl verabsäumt, in seinem Masterplan „Digitalisierung“ (veröffentlicht im Herbst 2018) nachzulesen, wie es insbesondere  im Bereich Allgemeinbildung an den Schulen aussieht:

5,9% der NMS, 6,4% der AHS führen Klassen mit schülereigenen Geräten,

45,5% der NMS, 50,6% der AHS verfügen über WLAN in allen Unterrichts- und Aufenthaltsräumen,

40,6% der NMS, 37,1% der AHS hat eine Internet-Breitband-Downstream-Anbindung mit zumindest 40 Mbit/s.

Wenn bestenfalls jede zweite Schule die notwendigen Voraussetzungen hat, wie soll da eine echte Kommunikation auf digitaler Basis funktionieren. Der Regelfall ist hier wohl der Ausnahmefall! Von Homelearning-Konzepten ist im Masterplan Digitalisierung auch an keiner Stelle die Rede, obwohl doch neue, digitale Kommunikationformen zwischen dem schulischen und familialen Bereich eine naheliegende und faszinierende Idee wären.  Vor allem aber baut dieses Konzept des Homelearnings darauf auf, dass im Home-Bereich der Schüler eine entsprechende Ausstattung vorhanden ist. Davon kann aber im Regelfall keineswegs ausgegangen werden.  Im Gegenteil, die  Ausstattungs- und Qualifizierungsfrage ist ein klassischer Fall von sozialer, schichtspezifischer Diskriminierung. Die Idee von Faßmann, mit einem Art Schülerladen-System auszuhelfen, belegt eigentlich nur, dass man hier etwas verschlafen hat und nun Krisenmanagement betreiben muss. Für die Pflichtschulen, wo Schulerhalter die Gemeinden bzw. das Land sind, gibt es bis dato lediglich unverbindliche und wenig konkrete Hilfsangebote.

Aber es geht ja nicht nur um die erforderlichen Geräte, sondern auch um ein geordnetes, überblickbares und klar strukturiertes Software-Angebot, also um geeignete Lernmaterialien. Man fragt sich, wo in diesem Themenkomplex  eigentlich die Schulbuchaktion, eine der besten und wirkmächtigsten  Ideen aus der Ära Kreisky,  geblieben ist.  Dr. Gerhard Hauke vom Verlag Lemberger schreibt dazu: „Und, wie schon erwähnt, können digitale Schulbücher ausschließlich in Kombination mit „Papier“ Büchern“ inklusive digitalen Inhalte im Rahmen der regulären Schulbuchaktion  bestellt werden, selbst dann, wenn der digitale Content approbiert ist! Ein Kniefall vor der WKO und vor dem Buchhandel (der gut an der Schulbuchaktion verdient) und allein schon aus Umweltschutzgründen ein Anachronismus.“ (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190829_OTS0067/digitales-fiasko-wie-steht-es-in-oesterreich-zum-schulstart-mit-der-schulbuchaktion-und-mit-digitaler-bildung)

Man kann nur hoffen, dass Herr Hauke Unrecht hat und es andere Gründe gibt, warum man bei der Schulbauchaktion die Digitalisierung verschläft. Im Übrigen  gibt es eine interessante Lesehilfe für Dr. Faßmann und sein Ministerbüro. Die Wiener Arbeiterkammer hat bereits 2015 ein umfassendes Konzept für eine  Schulbuchaktion Neu entwickelt. Es steht in digitaler Form unter https://awblog.at/wp-content/uploads/2016/10/AK-Info_Schulbuch_digital_final.pdf  zur Verfügung!

K.S.