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Mit und ohne Corona-Krise: Das jährliche Chaos um die Zentralmatura!

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Eigentlich absurd, dass trotz aller Reformbemühungen alle Jahre wieder das Thema der  sogenannten Zentralmatura (standardisierte kompetenzorientierte Diplom- oder Reifeprüfung) die betroffenen Schulen und die Öffentlichkeit erregt.  Zugegeben, heuer herrschten aufgrund der Corona-Epidemie außerordentliche Umstände, aber ist es wirklich so überraschend,  wenn einige clevere Jung-Maturanten mit dem Kalkül kalkulieren (Durchschnitt aus Jahresnote  und Matura-Note) und leere Blätter abgeben, weil ihnen ein Genügend bereits genügt? Welchen Stellenwert hat ein Maturazeugnis, das zwar den Zugang zur universitären Bildung verspricht, dort aber in zahlreichen Studienrichtungen  zu speziellen Zugangsprüfungen führt? Die Antwort scheint klar: Wenn die eine Institution auf eine Abschlussprüfung setzt, die andere aber einen Eingangstest mit selektivem Charakter macht, dann wertet das die Abschlussprüfung massiv ab und führt zur Frage, ob denn der ganz Aufwand lohnt.

Es wäre daher an der Zeit, wenn Minister Faßmann und sein Kabinett die Sache von der strukturellen Seite angehen würden und in absehbarer Zeit ein Gesamtkonzept vorlegen könnten. Eine Analyse müsste wohl 3 Ebenen berücksichtigen:

-    Die Reform der Oberstufe: Zu klären wäre, woran es hakt, dass diese Reform ständig verschoben wird und welche Rolle in diesen Konzepten die gezielte Entwicklung der Studierfähigkeit („Universitätsreife“ als Bildungsziel steht im Schulorganisationsgesetz!) spielt. Hier wäre wohl auch eine enge Kooperation mit Vertretern der Universitäten angezeigt, damit diese nicht so tun könnten, als gehe es sie nichts an, was die Reifeprüfungsabsolventen an die Uni mitbringen.

-      Die gewählten individuellen Schwerpunkte in der Oberstufe sowie die Leistungen bei der Reifprüfung müssten zu einem Leistungsprofil führen, das Anspruch auf eine gewisse Anerkennung beim Einstieg in die universitären Studien erhält. Univ. Prof. Karl Heinz Gruber* weist völlig zu Recht darauf hin, dass die Abiturregeln der deutschen Kultusministerkonferenz (Numerus Clausus bzw. Abiturdurchschnittsnote als Zugangsregelung zur Universität) in diesem Zusammenhang durchaus lesenswert wären.

-       Es wäre drittens auch an der Zeit, über die Qualität und Validität der Aufnahmetests an den Universitäten zu reden und über die Frage der Anerkennung des im Rahmen der Reifeprüfung nachgewiesenen Leistungsprofils. Einzelne Studienrichtungen setzen mit Self-Assessments und Motivationsschreiben neue Akzente, die durchaus auch bereits in der Oberstufe der AHS und BHS ihre Berechtigung haben könnten.

Was die Zuständigkeiten betrifft, kann es wohl kein Nachteil sein, dass Dr. Faßmann Bildungs- und Wissenschaftsminister ist. Er müsste es eigentlich als  seinen Auftrag ansehen, sich in einer umfassenden Weise mit den offenkundigen  Schnittstellenproblemen des sekundären und tertiären Bildungsbereiches auseinanderzusetzen und zu Lösungen zu gelangen. Auch der parlamentarischen Opposition würde es gut anstehen, sich kritisch mit den problematischen, weil sozial selektiven  Zugangsregelungen im universitären Bereich auseinanderzusetzen, statt sich in beredtes Schweigen zu hüllen.

K. S.

*siehe Der Standard v. 5.4.2020 „Corona-Krise: Wenn das Schulsystem erkrankt / Bei der Matura gilt es offensichtlich zu retten, was zu retten ist.“