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Lehrerausbildung – ein Jahrmarkt kurzfristiger Interessenslagen?

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Kaum zu glauben, dass  der aktuelle und durchaus vorhersehbare Lehrermangel als Argument ausreicht, um die Dauer der  Lehrerausbildung in Frage zu stellen. Minister Polaschek erinnert sich, dass er schon  zu Beginn der Lehrerbildungsreform, das war 2013, Zweifel an der Gesamtdauer von 12 Semestern hatte. Noch im Oktober 2022 war er allerdings der Meinung,  dass es nur um eine zeitliche Verlagerung von Ausbildungszeit für das Bachelorstudium in Richtung Masterstudium gehen sollte. „Denkbar sei für ihn“ – so die Presse vom 3.102022 – eine Verkürzung des Bachelors von acht auf sechs Semester, damit Junglehrer früher unterrichten können. Der Master würde im Gegenzug um 2 Semester verlängert und außerdem das Angebot umgestaltet werden, damit es besser neben der Arbeit in der Schule studierbar wird.“ Ganz anders lauten die Worte des Ministers einen Monat später. Lt. Standard vom 21.11.2022 plädiert der Minister „ für eine Verringerung der Studiendauer auf fünf Jahre“. Der Minister wörtlich: „Früher hat ein zehnsemestriges Lehramtsstudium gereicht, dahin müssen wir zurück.“ Sieht so evidenzbasierte Bildungspolitik aus?  Was für ein Informationschaos in einer zentralen Frage jedes Bildungssystems, der Lehrerausbildung! Die Lehrerausbildung als Jahrmarkt, auf dem man einige Semester hinauf- oder hinunter lizitiert. Tatsache ist, dass die interessierte Öffentlichkeit nun schon seit vielen Jahren über die 2013 begonnene Lehrerbildung Neu nichts Konkretes erfährt. Eine seit vielen Jahren angekündigte, allerdings erst 2018 beauftragte Gesamtevaluation der Lehrerbildung Neu liegt noch immer nicht vor, obwohl sie gerade jetzt gebraucht würde! Es mag ja durchaus Argumente für eine Verkürzung der Ausbildungszeit geben, aber warum werden sie nicht vorgelegt? Ist es denkbar, dass man in einer Kernfrage der Lehrerausbildung, der Ausbildungszeit, sich auf keinerlei empirische Daten stützen kann? Zwar wurde vom Gesetzgeber eine Qualitätssicherungskommission eingerichtet, die hat aber in den zurückliegenden Jahren kein einziges Mal die Ausbildungszeit zur Diskussion gestellt. Und gibt es bei dieser seit 2015 konkret laufenden Umstellung der Lehrerausbildung keine Problembereiche, die jetzt zu berücksichtigen wären? Aktuell melden sich auffallend viele Stimmen aus dem Bereich der Lehrergewerkschaft, aus dem Bereich AHS-Direktoren sowie einzelner Schulleitungen, die  außerordentlich unzufrieden sind mit den Pädagogisch-praktischen Studien. Die Rede ist von qualitativen und quantitativen Defiziten (Gewerkschaft öffentlicher Dienst) und einer mangelnden Qualität der Berufseinstiegsphase (AHS-Direktoren). Wie schon erwähnt, ernstzunehmende Studien oder Meinungsäußerungen der Qualitätssicherungskommission liegen leider zu diesem Thema nicht vor. Was der Minister in dieser Situation tun müsste? Keine isolierte Diskussion über die Ausbildungszeit mit Hintergrund Lehrermangel führen, sondern endlich alle Daten und Fakten zur Lehrerbildungsreform auf den Tisch legen, Problembereiche benennen und nach Lösungsmodelle aufzeigen. Im Rahmen eines solchen Gesamtüberblickes könnte dann auch die Frage der Ausbildungsdauer und die Gestaltung eines berufsbegleitenden Masterstudiums entschieden werden. Das wäre dann ein Beispiel für eine evidenzorientierte Bildungspolitik, zu der sich doch alle bekennen!

K.S.