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Chaos pur! Minister erklärte das Lehrplanpaket 2022 zu „Übergangslehrplänen“!

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Obwohl Minister Polaschek das Lehrplanpaket 2022 noch gar nicht unterschrieben hat, kündigt er in einer Presseaussendung an, es handle sich lediglich um Übergangslehrpläne und dass er künftig die Lehrpläne flexibler gestalten will, „um gesellschaftliche Entwicklungen rascher ins Bildungssystem zu bringen und verbindlich zu behandeln“... “Dafür wird nun eine Umstellung auf Rahmenlehrpläne an den allgemeinbildenden Schulen geprüft. Im berufsbildenden Bereich habe man positive Erfahrung mit dieser Art von Lehrplänen gemacht, die deutlich weniger Details vorgeben.” (Die Presse v. 30.12.2022). 

Polaschek reagiert damit offensichtlich auf die harsche Kritik, die die Lehrplanentwürfe im Rahmen der Begutachtung von vielen Seiten, insbesondere auch der Lehrergewerkschaft, erfahren haben. Sicherlich ist bei der Beurteilung der Gesamtsituation durch den Minister zu berücksichtigen, dass die Lehrplanentwürfe im Wesentlichen in der Amtszeit seines Vorgängers, Minister Faßmann, entstanden sind und mit der Idee einer Kompetenzorientierung einen völlig neuen Zugang zum Verhältnis von Lernzielen und Lehrstoffen entwickeln sollten. Herausgekommen sind dabei Lehrpläne in einer schwer verständlichen, oftmals "hochgestochenen" Sprache, die auch bei engagierten Lehrerinnen und Lehrern Unverständnis und Verärgerung auslösten. Außerdem eröffnen die Lehrplanentwürfe keine Freiräume für schulautonome Interpretationen, ja sie reduzieren diese Freiräume in maßgeblichen   Punkten:

  •  Die in den zuletzt geltenden Lehrplänen enthaltene Unterscheidung zwischen Kern- und Erweiterungsstoffen wurde fallen gelassen.
  •  Feststellungen über den Rahmencharakter der Lehrpläne und den daraus sich ergebenden Interpretationsmöglichkeiten gibt es nicht mehr. Dagegen wird immer wieder die Verbindlichkeit von Kompetenzzielen und Anwendungsbereichen betont.
  • Für die im Schulorganisationsgesetz enthaltene Unterscheidung von grundlegender und vertiefter Allgemeinbildung finden sich keinerlei Erläuterungen.
  • Der gesetzliche Auftrag nach einer Unterscheidung zwischen den Niveaus „Standard“ und „Standard AHS“ auf der 6. – 8. Schulstufe wird im Lehrplan zitiert und einfach an die Schulen delegiert.  
  • Die Festlegung „Schulautonomer Lehrplanbestimmungen“ beschränkt sich lediglich auf Varianten bei den Stundentafeln bzw.  fachlichen Schwerpunktbildungen.  

Vor diesem Hintergrund erscheint es verständlich, wenn Minister Polaschek das Steuer herumreißen möchte und eine Reform der Reform in Richtung von Rahmenlehrplänen ankündigt, was auch  immer er damit in Detail meinen mag. Der Minister spricht von "Übergangslehrplänen, die nicht der Weisheit letzter Schluss sein können". Was aber sind "Übergangslehrpläne"? Die Juristen in seinem Haus werden dem Minister wohl erklären müssen, dass eine Verordnung eben eine Verordnung ist,  die Gültigkeit besitzt,  wenn sie unterschrieben ist. Da hilft es auch wenig, wenn der Minister beschwichtigend meint, die aktuelle Neufassung tritt ja erst 2023/24 in Kraft. In Wahrheit ist die Vorlaufzeit von einem Semester viel zu kurz. Das Konzept der Kompetenzorientierung - wenn es denn bleiben sollte -würde einer gründlichen Vorbereitung und einer sich über Jahre erstreckenden begleitenden Lehrerfortbildung bedürfen. Der Minister wird nicht umhin kommen, sich in vielen Detailfragen zu erklären, sonst ist Chaos unvermeidlich!  Und was bedeuten Übergangslehrpläne für Buchautoren und Verlage, die ja nicht für undefinierte Zeiträume konzipieren bzw. produzieren wollen/können, sondern klare Rahmenbedingungen brauchen? Spannende Fragen, deren Beantwortung mit Ungeduld entgegengesehen wird!

KS