Helmut Seel / Lehramtsstudium ohne Lehramtsprüfung ? - Über den misslungenen Studienabschluss an den Pädagogischen Hochschulen
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In einer langen Tradition ist die Ausbildung aller Lehrerkategorien auf universitärer Ebene zwischen den beiden großen politischen Blöcken strittig. Die Sozialdemokraten erhoben diese Forderung schon in der I. Republik (Entwurf eines „Gesetzes betreffend die Heranbildung von Lehrern (Lehrerinnen) , die an Volksschulen, mittleren und höheren Schulen", im Nationalrat eingebracht 1922), die Christlich-Sozialen (Vorläufer der ÖVP) waren bereits damals für die Ausbildung der Pflichtschullehrer auf postsekundärer Ebene durch Pädagogischen Akademien eingetreten ( „Richtlinien für die gesetzliche Neuregelung der Lehrerbildung in Österreich" 1928). Die Gymnasiallehrerbildung an den Universitäten blieb in dieser Regelung ausgeklammert.
Pädagogische Akademien wurden 1937 im autoritären Ständestaat erstmals eingerichtet, aber 1938 nach dem Anschluss wieder abgeschafft und auf der Grund der Rechtsüberleitungsbestimmungen 1945 nicht wieder geschaffen. In der II. Republik wurde im Schulorganisationsgesetz die von der ÖVP die von ihr präferierte Lösung durch die Einrichtung der Pädagogischen Akademien durchgesetzt, an denen zunächst eine viersemestrige Volksschullehrerausbildung eingerichtet wurde und 1975 eine sechsemestrige Ausbildung für Volks-, Haupt- und Sonderschullehrer. Sie wurde mit einer Diplomprüfung abgeschlossen, welche auch eine Diplomarbeit umfasste. Den Absolventen wurde nach der letzten Nivellierung des Gesetzes der Titel „Diplompädagoge" verliehen.
Nach dem EU-Beitritt Österreichs wurde von SPÖ-Seite eine im internationalen Vergleich sinnvolle Anhebung der Pflichtschullehrerbildung auf Hochschulniveau neuerlich gefordert. In der Zeit der Großen Koalition zwischen SPÖ und VP (Wissenschaftsminister Einem, Unterrichtsministerin Gehrer) wurde als Kompromiss im „Gesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe (Akademiestudiengesetz 1999 - AstG)" der Beschluss gefasst, dass innerhalb von acht Jahren vom Bund für die Pflichtschullehrerausbildung hochschulische Einrichtungen mit den an Universitäten üblichen organisations- und studienrechtlichen Standards zu schaffen sind, welche mit entsprechenden akademischen Graden abzuschließen sind. Gemeint war damit der damals für die universitäre Lehrerbildung vorgesehene Graduierung zum Magister. Die „Bologna"-Struktur der universitären Studien war zu dieser Zeit noch nicht eingeführt. Für diesen Fall war im § 1 Abs. 2 AstG vorgesorgt: „Im Falle der Einführung eines dreigliedrigen Studiensystems an den Universitäten ist darauf zu achten, dass die Studienabschlüsse diesem System kompatible akademische Grade sind." Mit diesem kompatiblen Grad kann im dreigliedrigen System nur der Master-Grad gemeint sein, mit dem weiterhin die universitären acht- bis zehnsemestrigen Diplomstudien bzw. die postgradualen (an das Bachelor- Studium anschließenden) Masterstudien abgeschlossen werden.
In der Kleinen Koalition zwischen ÖVP und FPÖ nützte die Bildungsministerin Gehrer das bildungspolitischen Zeitfenster zwischen der Abschaffung der Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit für die Beschlussfassung über Schulgesetze 2005 und dem Ende der Legislaturperiode 2006 dazu, um unter Benützung der inzwischen stattgehabten Novellierung des Universitätsstudiengesetzes (Einführung der „Bologna"-Struktur) zu einer Reform der Pflichtschullehrerausbildung im „Gesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihrer Studien (Hochschulgesetz 2005)" durchzusetzen und damit die Absichten des Akademienstudiengesetzes 1999 zu unterlaufen. Das Studium bleibt sechssemestrig und wird mit der Graduierung zum „Bachelor of Education" abgeschlossen. Die Gleichwertigkeit der Pflichtschullehrerausbildung mit der der Ausbildung zum Lehrer an höheren Schulen wird damit nicht erreicht. Zieht man dazu die fehlende organisationsrechtliche Autonomie mit der Steuerung durch politisch bestellte Hochschulräte und der Bestellung der Leiter („Rektoren") durch den zuständigen Minister sowie die fehlende Forschungs- und Lehrfreiheit in Betracht, ist nur ein Schilderwechsel von der Pädagogischen Akademie zur Pädagogischen Hochschule zu registrieren. Die „Hochschule" bleibt eine „postsekundäre Bildungseinrichtung".
Die Unzulänglichkeit der überstürzten Erarbeitung des Hochschulgesetzes 2005 zeigt sich u.a. auch an Kuriositäten im Prüfungswesen. Die Pflichtschullehrerbildung wird als Bachelor-Studium in Zukunft in Österreich nicht mehr durch eine Lehramtsprüfung abgeschlossen. Hier hat man sich am universitären Bachelor-Studium orientiert, welches durch die positive Beurteilung in allen Pflicht- und Wahlpflichtlehrveranstaltungen und durch die Annahme der beiden aus Seminaren herauswachsenden Bachelor-Arbeiten ohne spezielle Bachelor-Prüfung abgeschlossen wird. Dies entspricht weitgehend den Ersten Diplomprüfungen als Abschluss des ersten Studienabschnittes der bisherigen Diplomstudien. Die Lehramtsstudien an den Universitäten sind im Übrigen bisher nur als Diplomstudien vorgesehen und von der „Bologna"-Strukturierung ausdrücklich ausgenommen (vgl. § 54, Abs. 2 Universitätsgesetz 2002). Sollte die bevorstehende Neuregelung der universitären Lehrerbildung (im Koalitionsabkommen vorgesehen) nicht auf der Bachelor-Ebene zu einem Lehramtsabschluss für die Sekundarstufe I führen, wäre dadurch eine weitere negative Diskriminierung der Hauptschullehrerausbildung zu registrieren.
Der Abschluss der Diplomstudien des Lehramts an höheren Schulen an den Universitäten erfolgt durch eine Zweite Diplomprüfung (Master-Prüfung), welche nach positivem Abschluss aller Pflichtlehrveranstaltungen und der Annahme einer eigenständig zu verfassenden Diplomarbeit die Prüfung aus zwei Fächern des Studiums umfasst (ein Fach als Bereich der Diplomarbeit, ein Fach in freier Wahl). Die Ablegung der Diplomprüfung (Master-Prüfung) führt zur Graduierung. Der Abschluss der Lehramtsstudien an den Pädagogischen Hochschulen erfolgt ohne eine solche Prüfung. Allerdings ist eine Bachelor-Arbeit zu verfassen, welche von zwei Betreuern zu begutachten ist. Zwei Begutachter sind an den Universitäten nur für die Dissertationen vorgesehen.
Mit der Anerkennung der Bachelorarbeit wird an der Pädagogischen Hochschule das Studium abgeschlossen und die Graduierung vorgenommen. Eine spezielle Bachelor-Prüfung als Studienabschluss ist weder im Gesetz noch in der Curriculumverordnung vorgesehen. Da dieser Abschluss der Lehrerausbildung ohne mündliche Prüfung den Vertretern der Pädagogischen Hochschulen nicht ausreichend scheint, haben etliche Hochschulen eine Besprechung der Bachelor-Arbeit in den Prüfungsordnungen in ihren Curricula eingeführt, welche etwas hochtrabend als „defensio" der Bachelor-Arbeit bezeichnet wird. Bei der Begutachtung und Genehmigung der Curricula durch das Unterrichtsministerium wurde aber darauf hingewiesen, dass diese Maßnahme keinesfalls als Prüfung mit besonderer Beurteilung gewertet werden dürfe, sondern nur als Teil des Anerkennungsverfahren der Bachelor-Arbeit zu verstehen sei.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen der universitären Lehrerbildung und der Lehrerbildung an Pädagogischen Hochschulen stellt das Unterrichtspraktikum dar. Trotz einer - wie oben dargestellt - umfangreichen und anspruchsvollen Lehramts-Diplomprüfung wird der Abschluss nicht als Berufsqualifizierung anerkannt, sondern berechtigt nur zum Eunritt in das einjährigen Unterrichtspraktikum, das mit einer Prüfung durch die Schulbehörde abzuschließen ist. Alle Absolventen des Studiums haben Anspruch auf Aufnahme in das Unterrichtspraktikum. Da dieses Ausbildungsverhältnis als Beschäftigungsverhältnis gewertet wird, erwächst daraus nach ihrem Abschluss ein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Eine analoge Regelung im Bereich der Lehrerausbildung an den Pädagogischen Hochschulen fehlt bislang. Auch hier ist die Vergleichbarkeit der beiden Ausbildungen im Bereich des Lehramts nicht gegeben.