« vorheriger Artikel | Home | nächster Artikel »

Ortwin Wingert / Es soll alles anders werden - in der Schulverwaltung!

Artikel drucken

Im Folgenden soll in aller Kürze auf die bisherigen rechtsstaatlichen Grundlagen der Institution Schule eingegangen werden (Artikel 14 sowie 81a und 81b B-VG). Dies ist zweckmäßig, damit dem Leser bewusst wird, was man nicht mehr hat. Es ist dann die Frage zu stellen nach der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Reform des B-VG im Be¬reich der schule: cui bono? Die Fülle der (nicht beantwortbaren) Fragen zu weiteren Konsequenzen in der praktischen Umsetzung der Schulverwaltungsreform gibt Anlass zu weitreichenden Befürchtungen und zu tief greifenden Turbulenzen bei der möglichen Umsetzung.

1) Bisherige Schulgesetzgebung in Österreich im Widerstreit von Staat und Kirche sowie von Bund und Ländern
Die Basis für die Gesetzgebung und Verwaltung des Schulwesens wird in der Bundes¬verfassung (B-VG) gelegt. Schule ist in Österreich eine öffentliche, also vom Staat zu erfül¬lende Aufgabe. Dies ist im Staatsgrundgesetz aus dem Jahr 1867 festgelegt, das noch aus einer Zeit stammt, in der die Interessen von Staat und Kirche aufeinander prallten (Art. 17 Abs. 5 StGG). Wegen divergierender politischer Interessen (auch in den verschiedenen Bundesländern) kam die Kompetenzregelung bezüglich des Schulwesens (Art. 14 B-VG) lange Zeit nicht zustande, auch nicht in den Novellierungen 1920 oder1925 bzw. 1929. Erst 1962 wurde die österreichische Bundesverfassung durch eine komplizierte Regelung (Schul¬gesetzwerk 1962) vervollständigt. Bei der Rahmengesetzgebung und beim Vollzug konnte man eine deutliche Tendenz zugunsten des Bundes feststellen. In der Verantwortung verblieb lediglich die Kompetenz zum Erlassen von Ausführungsgesetzen. Im vorliegenden Entwurf zu einer „Staats- und Verwaltungsreform" (2008) sind die Kompetenzen von Bund und Ländern nach einem sog. „Drei-Säulen-Modell" (Bund, Länder Bund-Länder) gestaltet. In der Schulverwaltung sollen daher Doppelgleisigkeiten beseitigt und eine einzige Organisa¬tionseinheit (Bildungsdirektion, Abs. 4, Art. 106) für die Angelegenheiten der Schul¬verwaltung des Bundes und der Länder auf Landesebene geschaffen werden (Abschaffung der Landesschulräte und der Bezirksschulräte - Wegfall der jetzigen Art. 81a und 81b B-VG).

2) Mögliche Intentionen der geplanten Schulverwaltungsreform
Die oa derzeit bestehenden Parallelstrukturen im Bereich der Schulverwaltung sollen beseitigt werden. Dies gilt auch für das landwirtschaftliche Schulwesen. Die wesentlichen Inhalte des Art. 14 B-VG sollen in einem neuen Art. 81a zusammengefasst werden:
Die Schulverwaltung des Bundes erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung (Steuerungs- und Kontrollinstrumente) und die Schulverwaltung des Landes nach Art. 106 Abs. 4 B-VG durch die Einrichtung einer Bildungsdirektion im Amt der Landesregierung (Wahrnehmung der schulischen Angelegenheiten). Im Art. 106 soll die Bestellung zum Bildungsdirektor
(-Stellvertreter?) an das Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister gebunden sein.
Ausdrücklich festgehalten wird im Art. 81a Abs. 1 B-VG auch, dass alle Lehrer an öffent¬lichen Schulen in Hinkunft Bedienstete des Bundes sind. Eine weitere Überraschung findet man im vorgeschlagenen Art. 81a Abs. 7 B-VG: Statt der demokratisch legitimierten Kolle¬gien (Beschlüsse zu Begutachtung von Gesetzen, von allgemeinen Weisungen, zu Dreier-Vorschlägen zur Bestellung von Direktoren und Lehrern sowie Schulaufsichtsbeamten, zu Verordnungen und Erlässen) „lediglich" ein Beirat mit Beratungsfunktion. Dieser soll die Einbindung der Schulpartner „sicherstellen".
Welche politischen Absichten könnten in diesen dürren, aber weit reichenden Artikeln versteckt sein? Die Doppelgleisigkeit (Bund-Land-Bezirk) wurde gründlich beseitigt. Der Bund (Minister) hat nunmehr alle LehrerInnen zu betrauen, also auch die Anzahl der Dienst¬posten und deren finanziellen Kosten. Das „lästige" Finanzausgleichgesetz für den Bereich Schule fällt weg. Der Bund „schafft" an und sorgt auch für die finanzielle Bedeckung (in der Folge nach einem Schlüssel „gedeckelt"?) In Zeiten des Schülerrückganges ist diese Vor¬gangsweise möglicherweise einsichtig. Statt des früheren Landesschulrates als Bundes¬behörde in den Ländern gibt es nur mehr eine Bildungsdirektion für alle Schulen (Pflicht¬schulen, Bundesschulen, Berufsschulen) als Abteilung der jeweiligen Landesregierung (LSR = BDir. unter einem LR). Die „Machtfülle" im Land (Landeshauptmann) wird deutlich vergrößert, allerdings mit dem möglichen Wermutstropfen für die Landesregierung, dass die Bundesbediensteten in Hinkunft (wieder) Landesbedienstete sein werden. So gesehen aber doch für die betroffenen Schulpolitiker eine „win-win-Situation".

3) Weitreichende Veränderungen und tiefgreifende Irritationen der betroffe¬nen Lehrer, Direktoren, Eltern und Schulpolitiker - in Frageform
Die stilistische Form der Frage ist angebracht, weil in der vorgelegten Begutachtungs¬fassung kein Motivenbericht enthalten ist und die erläuternden Bemerkungen und Gesetzes¬texte unvollständig, oft in Form von Alternativfassungen formuliert oder zu Stellungnahmen auffordert. Nun also in willkürlicher Reihenfolge und sicherlich auch nicht vollständig:
• Das bisherige beschlussfassende Kollegium wird durch ein „zahnloses" Beratungs¬gremium ersetzt. Welche Konsequenzen sind zu erwarten, wie ist das Gremium zusam¬mengesetzt und gibt es wenigstens eine Berichtspflicht für den Bildungsdirektor an die Mitglieder des Gremiums?
• Welche Aufgaben haben der Bildungsdirektor und sein Stellvertreter? Haben diese (mit ihren Beamten) auch alle Agenden der bisherigen Schulaufsichtsbeamten (und Schul¬psychologen)? Ist ein vergleichbares Bundes-Schulaufsichtsgesetz erwartbar? In wel¬cher Form werden Erlässe und Verordnungen im Sinne der früheren „allgemeinen Wei¬sungen" legitimiert?
• Wie werden in Hinkunft Formen der „Schulautonomie" bewältigt? Die Einstellungs¬modalität der Lehrer wurde in den medialen Aussendungen der Frau Min. Dr. Schmied schon kundgetan. Die DirektorInnen sind auf solche Aufgaben wenig vorbereitet. Sollen sie dieses Geschäft wirklich bewältigen? Wenn dann eventuell auch die Schulpartner noch mitreden, feiern die ursprünglich überwundenen Situationen des „Ortsschulrates" fröh¬liche (?) Urstände! Nach welchen Kriterien werden die LehrerInnen aus¬gesucht?
• Die „Zusammenfassung" aller LehrerInnen im Bundesministerium scheint verlo¬ckend, wenn man auch alle LehrerInnen in Hinkunft in gleicher weise (universitär) aus¬bildet und nach vergleichbaren dienst- und besoldungsrechtlichen Gesetzen behandelt?!
• Nach Artikel 81a Absatz 3 B-VG hat die Gesetzgebung ein differenziertes Schulsystem vorzusehen, ... und nach Bildungshöhe in Primar- und Sekundarbereiche gegliedert ist, wobei den Sekundarschulen eine weitere angemessene Differenzierung vorzusehen ist. Kann damit eine „gesamtschulartige" Entwicklung in absehbarer Zeit Platz greifen?
Das sind nun einige dieser oa. Fragen, es sind weitere zu stellen. Eine gediegene Auseinander¬setzung weiterer Probleme soll a.a.O. geschehen.
Für die Verwaltungsreform kann frei nach E. Kästner formuliert werden: Wird es besser, wird es schlimmer? Seien wir ehrlich - Schulpolitik war schon immer „lebensgefähr¬lich"! Hoffentlich nicht für die betroffenen SchülerInnen!?