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Klaus Satzke / Das Kapitel "Bildung" im neuen Regierungsprogramm - Eine umfassende Bildungsreform sieht anders aus!

von Klaus Satzke
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Das neue Regierungsprogramm hat in der medialen Öffentlichkeit keine begeisterte Aufnahme gefunden. Es wird in vielen Kommentaren als visionslos, unpräzis und unverbindlich bezeichnet. Nun sind allerdings zu hohe Erwartungen an derartige Programme wenig begründet, wenn man die Art und Weise ihrer Entstehung kennt. Trotz der neuerdings fast schon zur Pflichtübung gewordenen Bekenntnis zur konstruktiven Zusammenarbeit zwischen den beiden Koalitionspartnern ist unverkennbar, dass beim Ressort des jeweiligen politischen Gegners nicht zu viele öffentlichkeitswirksame „Knüller" ermöglicht werden dürfen. Das führt dann nicht selten zu sehr merkwürdigen Textpassagen, die mit einem Halbsatz etwas ankündigen, was im 2. Halbsatz teilweise schon wieder zurückgenommen wird. Fritz Neugebauer hat in dieser Hinsicht erkennbar gute Arbeit geleistet. Wozu hat man eigentlich die früher erforderliche 2/3 Mehrheit bei Schulgesetzen aufgehoben, wenn man sich in einer Koalition in gewohnter Weise blockiert?
Gerade im Bildungsbereich durfte man sich diesmal etwas mehr erhoffen, als jene dünne Suppe, die im Programm der Gusenbauer -Regierung ausgeköchelt wurde und dann mit den bekannten Schwierigkeiten auszulöffeln war. Damals saß im Verhandlungsteam der ÖVP eine Ministerin Gehrer, die wenig Interesse daran hatte, den von ihr selbst zu verantwortenden Reformstau zu lösen. Diesmal saß im Verhandlungsteam aber Ministerin Schmied, die in den letzten 1 ½ Jahre bewiesen hatte, dass sie Reformideen mit Nachdruck verfolgen kann, auch wenn sie in vielen Punkten dann am Koalitionspartner scheiterte.
Um es gleich vorweg klar auszusprechen: Hoffnungen in Richtung eines klar strukturierten Programms, das die brennenden Probleme des österreichischen Bildungswesens präzis benennt und überprüfbare Handlungsanweisungen gibt, haben sich nicht erfüllt. Eine Kurzanalyse des Kapitels „Bildung" kommt zu folgendem Ergebnis:

Bei den Themen „Bildungsgarantie" und „Schulen der 10-14-jährigen" findet ein ziemliches „Herumeiern" statt, das das Kernproblem zu wenig klar herausarbeitet.
Nun ist das Thema der wenig qualifizierten Pflichtschulabgänger, deren weiterer Weg in keine Berufsausbildung mündet (siehe Kapitel 6, Bildungsgarantie), eines der ganz ernsten und drängenden Problems dieser Gesellschaft, weil hier die Grundlagen für individuelle Tragödien sowie wirtschaftliche und soziale Krisenherde gelegt werden. Allerdings findet sich in diesem Abschnitt nichts, was nicht schon im letzten Regierungsprogramm stand, außer dem Vorschlag einer „Neuorientierung der 9. Schulstufe mit besonderem Fokus auf die Attraktivierung der Polytechnischen Schule und der Einrichtung einer ExpertInnenkommission." Das ist entschieden zu wenig! Bitte nachlesen, was dazu im Weißbuch des Wirtschaftsforschungsinstitutes sowie dem Papier der Sozialpartner steht! Das komplexe Thema wieder einmal auf eine Reform der Polytechnischen Schule zu reduzieren, ist entschieden zu wenig. Man kann nur hoffen, dass sich die künftige ExpertInnenkommission über die engen Vorgaben hinwegsetzt.

Wenn bei den Modellen zur „Neuen Mittelschule" (Kapitel 9) das Ziel eine „Erhöhung der horizontalen und vertikalen Durchlässigkeit" sein soll, dann würde das im Rahmen regionaler Cluster Sinn machen, nicht aber bei miteinander unverbundenen Einzelstandorten, an denen größtenteils Hauptschulen mitwirken. Eben diese Clusterbildung wird aber nach wie vor per Gesetz verhindert.
Der Nachsatz „Zusätzlich ist die qualitative Weiterentwicklung der Hauptschulen und der AHS - Unterstufe sicherzustellen" ist einerseits ein „No Na" - Satz, lässt andererseits die Frage nach Zielen und Inhalten völlig offen.

Eines der gravierendsten Probleme im ö. Bildungswesen resultiert aus der Tatsache, dass es eine völlig unzureichende Ausbildung für die Sekundarstufenlehrer I (also für die Lehrer der Altersgruppe der 10-14-jährigen) gibt, unzureichend sowohl auf der universitären Schiene (AHS-Lehrer) als auch auf der hochschulischen Schiene (Hauptschullehrer).
Im Kapitel 13 (LehrerInnen sind ein Schlüssel zum Erfolg) wird dieses Problem richtig erkannt und benannt, allerdings weitgehend reduziert auf den organisatorischen Aspekt einer Abstimmung von universitären und hochschulischen Bachelor-Absolventen und der Durchlässigkeit zwischen Uni und PH. Das sind gewiss wichtige Punkte! Aber was ist aus dem Ziel einer universitären Ausbildung für alle Lehrer geworden, das noch in der letzten Legislaturperiode angekündigt wurde? Qualität soll durch ein Aufnahmeverfahren und eine gemeinsame Studieneingangsphase gesichert werden. OK, aber das alleine wird für eine dringend notwendige Qualitätsverbesserung der Ausbildung nicht reichen. Wir brauchen beispielsweise eine Neugestaltung der schulpraktischen Ausbildung, davon ist aber nicht einmal andeutungsweise die Rede. Während andere universitäre Berufsausbildungen (Medizin) neue Konzepte einer theorie- und praxisbezogenen Berufsvorbereitung erproben, herrscht im Bereich der Lehrerbildung Stillstand.
Wenn die Dinge falsch laufen - und das Regierungsprogramm schließt das zumindest nicht aus - haben wir am Ende dieser Entwicklung weiterhin den Etikettenschwindel der Pädagogischen Hochschulen, gemildert durch mehr oder weniger geklärte Übertrittsmöglichkeiten in ein Masterstudium an der Uni und ein bisschen Kooperation zwischen Uni und PH. Der Uni-Bachelor wird kein Sekundarstufenlehrer für die 10-14-jährigen sein, sondern bestenfalls ein Aushilfslehrer, der weiterstudieren muss, um eine vollwertige Ausbildung zu besitzen. Damit ist der exklusive Lehrer für die AHS - Langform gesichert und von den künftigen HS-Lehrern wird nur eine verschwindende Minderheit weiterstudieren, weil beim zu erwartenden Lehrermangel ohnehin jeder Absolvent eine Anstellung erhält.

Alle Versuche, zu einer umfassenden Reform der österreichischen Bundesverfassung zu gelangen, sind bekanntlich am Widerstand mächtiger Interessengruppen gescheitert. Lediglich im Schulwesen werden jetzt „die Bezirks- und Landesschulräte und deren Kollegien abgeschafft. Beiräte sollen als beratende Organe auf Landesebene mit Vertretern von Schülern, Eltern und Lehrern eingerichtet werden" (Kapitel 12, Modernisierung von Schulverwaltung und -management). Das klingt nach einem einseitigen Schritt einer stärkeren Verländerung des Schulwesens, dem keine Stärkung oder zumindest Präzisierung von Bundeskompetenzen - wie im Khol-Kostelka-Entwurf noch vorgesehen - gegenüberstehen. Die einzurichtenden Bildungsdirektionen können wohl nur Landeseinrichtungen sein; was mit der Bundesschulaufsicht im Hinblick auf Dienstrecht und Organisation geschieht, bleibt völlig unklar, allerdings soll das Aufgabenprofil der Schulaufsicht weiterentwickelt werden. Wie sich das alles zu einer „Modernisierung von Schulverwaltung und Schulmanagement" zusammenfügen soll, bleibt unklar. Im Übrigen werden die Einsparmöglichkeiten, die aus dieser „Reform" resultieren, mit ziemlicher Sicherheit bei weitem überschätzt.

Im Detail enthält das Programm auch eine ganze Menge wichtiger und zukunftsweisender Absichtserklärungen. Eine Auseinandersetzung im Rahmen der BPAG wird in Kürze erfolgen.
Für ein umfassendes längerfristiges Reformkonzept hat es aber leider unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen dieser Koalition nicht gereicht.