Universitäre Lehrerbildung: Kein Macht- sondern ein Systemstreit !
von Helmut SeelArtikel drucken
„Ministerielles Gerangel um die neue Lehrerbildung“ titelt L. Nimmervoll in ihrem Artikel im „Standard“ vom9.1.2012. Die Auseinandersetzung von Unterrichtsministerin Dr. Schmied und Wissenschaftsminister Dr. Töchterle wird als Kompetenzstreitigkeit dargestellt. Ziel der Unterrichtsministerin sind eigene Pädagogische Universitäten in ihrem Verantwortungsbereich, welche sie aus den Weiterentwicklung der Pädagogischen Hochschulen erreichen will. Der Wissenschaftsminister strebt die Eingliederung der Lehrerbildung in die in seinem Kompetenzbereich liegenden Universitäten an und will Pädagogische Universitäten nur dort zulassen, wo keine Volluniversität als Träger der Lehrerbildung gegeben ist. Die Autorin lässt dabei völlig außer Acht, dass dahinter gravierende institutionelle Differenzen zwischen den beiden Einrichtungen stehen.
Die bestehenden Universitäten wurden durch das Universitätsgesetz 2002 aus Einrichtungen des Bundes zu Körperschaften öffentlichen Rechts gemacht. Darin kommt die Privatisierungstendenz der schwarz-blau/orangen Koalition zum Ausdruck, welche mit dem Versprechen größerer Autonomie den Universitäten schmackhaft gemacht wurde. Dass dabei die Mitbestimmungsrechte des akademischen Mittelbaus und der Studenten demontiert wurden, sei nur am Rande angemerkt. Der Staat wurde zum Zahlmeister mit wenig Einflussmöglichkeiten degradiert, ist mit steigenden finanziellen Forderungen konfrontiert, hat aber beispielsweise keine Möglichkeit, Einsparungsmaßnahmen im Bereich der hypertrophen Verwaltungsstrukturen der Universitäten zu ergreifen. Für das Personal hatte das Universitätsgesetz 2002 zur Folge, dass es seinen Status als öffentlich Bedienstete verlor und zu Vertragsangestellten mit einem eigenem Kollektivvertrag mutierte. Die SPÖ hat das Universitätsgesetz 2002 im Parlament abgelehnt.
Für die Lehrerbildung ist vor allem die völlige Autonomie der einzelnen Universitäten
hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Curricula der Studiengänge von Bedeutung. Diese können nur indirekt durch Anerkennungsrichtlinien und Anstellungsvoraussetzungen beeinflusst werden, welche Kammern und andere Berufsverbände für die Ausübung freier akademischer Berufe festlegen. Ein weiteres Regulativ sind beispielsweise die Dienstprüfungen im öffentlichen Dienst.
Für die Ausbildung der Lehrer, für welche der Staat ein weitgehendes Dienstgebermonopol ausübt, ergeben sich in dieser Hinsicht nur zwei Alternativen. Entweder er geht den Weg, wie er beispielsweise in Deutschland eingeschlagen wurde, und schließt an das Universitätsstudium eine weitere, durch den Dienstgeber gestaltete Ausbildungsstufe an: zweijähriges Referendariat als Voraussetzung für die Berufsausübung. Oder der Staat nimmt über die Vorgabe von Rahmenbedingungen für das Studium (Studienordnungen GN StG 1971/Verfahrensvorschriften mit Untersagungsrecht UStG 1997) auf die Ausbildung Einfluss. Dies ist jedoch nur in weisungsgebundenen staatlichen Institutionen möglich. Eine solche Regelung bestand in Österreich bis 2002 durch das Universitätsorganisationsgesetz 1993, ergänzt durch das Universitätsstudiengesetz (UStG) 1997. Letzteres fundierte das Diplomstudium „Lehramt an höheren Schulen“, in dem jeweils die Grundlagen für zwei Unterrichtsgegenstände vermittelt werden, neben den anderen Diplomstudien. Alle werden nach acht bis zehn Studiensemestern mit dem Magistergrad abgeschlossen. Dieses Gesetz sah im Übrigen erstmals auch eine Brücke zur Hauptschullehrerausbildung an den damals bestehenden Pädagogischen Akademien vor. Absolventen dieser Ausbildung konnten mit gewissen Auflagen in den zweiten Studienabschnitt des einschlägigen Universitätsstudiums eintreten. Die Hauptschullehrerausbildung wurde damit als erster Studienabschnitt und erste Diplomprüfung anerkannt.
Aus den Vorschlägen der Reformkommission für die „PädagogInnenausbildung Neu“ in Österreich ist der zweite Weg abzulesen. Auch der kürzlich vorgelegte Entwurf des Dienstrechts an den 2005 geschaffenen Pädagogischen Hochschulen weist darauf hin, dass die Lehrerausbildung in Österreich auch zukünftig in staatlichen Institutionen erfolgen wird. Die Lehrer aller Kategorien an den Pädagogischen Hochschulen bleiben öffentlich Bedienstete. Dieser Dienstrechtsentwurf stellt auch bereits einen Rahmen für die Weiterentwicklung der bestehenden Pädagogischen Hochschulen dar. Durch die Festlegung der Anstellungsvoraussetzungen für die Lehrer der Kategorie PH 1, welche die Habilitation oder eine vergleichbare Qualifikation verlangen und ausgeschrieben werden müssen, wird ein Schritt in die Richtung der Pädagogischen Universität gesetzt.
Für die Entwicklung der Pädagogischen Hochschulen des Gesetzes von 2005 zu Pädagogischen Universitäten sind folgende Schritte sinnvoll und notwendig:
1. Anhebung der bestehenden Pädagogischen Hochschulen auf den Status von Fachhochschulen. Diesen Schritt hat die Unterrichtsministerin versäumt, als sie bei der Übernahme ihres Amtes nicht auf die Ablehnung des Gesetzes über die Pädagogischen Hochschulen durch die SPÖ reagierte und den von der schwarz-orangen Mehrheit im Nationalrat abgelehnten Alternativvorschlag der SPÖ zu einem Gesetz über Pädagogische Hochschulen aufgriff und anstrebte. Zwei Aspekte erscheinen dabei wesentlich: die hochschuladäquate organisatorische Autonomie mit einem Kollegialorgan zur Erlassung der Satzung und der Mitwirkung bei der Leiterbestellung sowie die Sicherung der hochschuladäquaten Forschungs- und Lehrfreiheit. Diese Bestimmung des Artikels 17 des Staatsgrundgesetzes ist institutionell den Universitäten zugeordnet und wird personell durch die Habilitation entsprechend qualifizierten Wissenschaftlern zuerkannt. Diese müssen nicht Mitglieder der Universitäten sein (Privatdozent). Für die Fachhochschulen ist der Fachhochschulrat die akademische Behörde, welches die Studienprogramme approbiert und evaluiert. Per Gesetz ist außerdem die Mitwirkung von Personen mit einschlägiger universitärer Lehrbefugnis beim Entwurf von Studienprogrammen vorgesehen. Einem entsprechenden „Rat der Pädagogischen Hochschulen“, bestehend aus Personen mit universitärer Lehrbefugnis in den für die Lehrerbildung relevanten Disziplinen und Vertretern der Schulverwaltung wäre die Überprüfung der Qualifikation von nicht habilitierten Bewerbern um die PH 1-Professorenstellen, die Approbation der von den Studienkommissionen entwickelten Curricula und die Steuerung und Beurteilung von Forschungsvorhaben an den Pädagogischen Hochschulen zu übertragen. Das Recht zur Graduierung der Absolventen zum Bachelor und Master kann dann den Pädagogischen Hochschulen in Analogie zu den Fachhochschulen gewährt werden. Wesentlich ist, dass alle PH 1-Stellen (in den Erläuterungen zum Dienstrechtsgesetz sind durchschnittlich fünf Stellen an jeder Pädagogischen Hochschule geplant) auf dem Weg der Ausschreibung besetzt werden und keine automatische Überleitung der bisherigen LP H- Lehrer erfolgt, wie dies allerdings in § 248c des Gesetzesentwurfs vorgesehen ist.
2. Nach Ausstattung der Pädagogischen Hochschulen mit Personen mit universitärer Lehrbefugnis (Habilitation) oder gleichzuhaltender Qualifikation in den für die Lehrerbildung relevanten Disziplinen könnte diesen der Universitätsstatus zuerkannt werden. Die akademische Betreuung durch den Rat der Pädagogischen Hochschulen wäre nicht länger notwendig. Den Pädagogischen Universitäten kann dann auch das Promotionsrecht zuerkannt werden (Doktoratsstudium). Organisationsrechtlich könnte man sich am Universitätsgesetz 1993 orientieren. Die notwendigen Autonomiebestimmungen könnten durch verfassungsrechtliche Ausnahmebestimmungen geregelt werden. In das zu schaffende Gesetz über die Pädagogischen Universitäten sollte
das Studienrecht (vgl. Universitätsgesetz 2002) einbezogen werden. Dann wäre es möglich, auf gleicher rechtlicher Ebene mit den traditionellen Universitäten zu kooperieren, wobei die beruflich-professionelle Komponente auch der Lehramtsstudien für die höheren Schulen den Pädagogischen Universitäten übertragen werden müsste (Übersiedlung der universitären Institute für Schulpädagogik und Lehrerbildung). Die fachwissenschaftlichen Grundlagen sollten alle Lehrer für die Sekundarstufen I und II an den traditionellen Universitäten erwerben. Solche Studien wären nur an Pädagogischen Universitäten einzurichten, die nicht am Ort mit einer Volluniversität kooperieren könnten. Für die Mitglieder der Pädagogischen Universitäten müssen auch die Bestimmungen des Artikel 81c des Bundes-Verfassungsgesetzes hinsichtlich der Weisungsfreiheit gelten.
Neben den Universitäten als Körperschaften des öffentlichen Rechts und den anerkannten Privat-Universitäten würden die Pädagogischen Universitäten als Institutionen des Bundes stehen.