Die Lehrerbildung darf nicht privatisiert werden!
von Helmut SeelArtikel drucken
Zu hinterfragen ist die derzeit geltende Bestimmung über die Studiengebühren an Pädagogischen Hochschulen. Denn Bildungsdienstleistungen, die „gegen Entgelt erbracht werden“, fallen unter die Bestimmungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie, von der nur der „öffentlich finanzierte Unterricht im Rahmen des nationalen Bildungssystems“ ausgnommen ist.
In einer „Aktuellen Information“ berichtet im April 2011 die „Standesvertretung der Pädagogischen Hochschulen“ über die verhandlugen mit der Unterrichtsministerin zum neuen Dienstrecht. Besonders wurde betont: „Die universitäre Situation der freien Kollektivverträge ist abgewendet !“ Zur Erläuterung: „Die pädagogischen Universitäten sollen nicht wie die wissenschaftlichen Universitäten aus dem Bund ausgegliedert werden, sondern zur Absicherung österreichweit vergleichbarer Curricula und regionalspezifisch geprägter Fortbildung ienme Bdungsministerium unterstellt bleiben. Der Bund und die Länder als exklusive Abnehmer und Dienstgeber müssen auch weiterhin zentrale Steuerungsfunktionen ausüben können.“
Der Entwurf einer entsprechenden Novellierung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes wurde wurde im Herbst 2011 vorgelegt. Im Frühjahr 2012 wurde das Gesetz im Parlament beschlossen (Dienstrechts-Novelle 2012 – Pädagogische Hochschulen). Der Sektor der Lehrerbildung ist damit in Österreich nicht von der Dienstleistungs-Richtlinie der EU betroffen. Diese verfolgt die Absicht, auch berufliche Ausbildung insbesondere im tertiären Sektor des Bildungswesens als Dienstleistung zu betrachten, die dem Prinzip der Freizügigkeit des Angebots als marktfähige Ware unterliegt, für welche angemessene Preise verlangt werden können. Da im übringen auch die Berufsausbildung im sekundären und postsekundären Bildungsbereich für die Liberalisierung in Frage kommen könnte, war die SPÖ gut beraten, bei der Novellierung des Artikels 14 der Bundesverfassung 2005 (Abschaffung der Notwendigkeit der Zweidrittelmehrheit für Beschlüsse der Schulgesetzgebung) ausdrücklich für den gesamten Sekundarbereich der Schule die Schulgeldfreiheit als Verfassungsbestimmung abzusichern. Die Regelung der Lehrerbildung entspricht damit den Bestimmungen über das Schulsystem. Die öffentliche Schule in Österreich ist eine staatliche Institution und die Lehrer sind öffentlich Bedienstete. Dies wird auch im Rahmen der laufenden Verhandlungen über ein neues Lehrerdienstrecht nicht in Frage gestellt.
Die östereichischen Unversitäten sind hingegen bereits auf einem anderen Weg. Ihre Entstaatlichung wurde im Universitätsgesetz 2002 im Zuge der neo-liberalen Politik festgelegt. Die österreichischen Universitäten sind nun Körperschaften öffentlichen Rechts, ihre Bediensteten einschießlich der Professoren Privatangestellte mit einem eigenen Kollektivvertrag. Der Staat finanziert sie zwar weiterhin auf der Basis von Leistungsvereinbarungen, der Miteleinsatz wird aber weitgehend vom Universitätsrat und dessen Vollzugsorgan, dem von ihm gewählten Rektor bestimmt. Vollkommen autonom sind die Universitätem in der Erstellung des Lehrangebots, die Curricula werden durch Senatsbeschluss festgelegt.
Die Einführung von Studiengebühren 2001 war daher konsequent im Sinne der oben genannten Dienstleistungsrichtlinie der EU. In einer Aussage der EU („Effizienz und Gerechtigkeit in den Europäischen Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung“) aus dem Jahr 2006 ist zu lesen: „Es ist daher erforderlich, sich auf die Investitionen in die Hochschulbildung zu konzentrieren, vor allem auf die Einführung von Studiengebühren. Damit kann ein ausgeglicheneres Verhältnis zwischen den von den Einzelpersonen und der Gesellschaft getragenen Kosten erreicht werden“.
Die SPÖ hat das Universitätsgesetz 2002 im Parlament abgelehnt, wurde aber von der ÖVP-FPÖ/BZÖ-Koalition überstimmt. Damit ergab sich für die SPÖ, welche die universitäre Lehrerbildung ein Jahrhundert lang gefordert hatte, eine schwierige Situation: Universitäre Lehrerbildung ja, aber nicht in Universitäten im Sinne des Universitätsgesetzes 2002.
In der laufenden Auseinandersetzung zwischen dem Wissenschaftsminister (ÖVP) und der Unterrichtsministerin (SPÖ) geht es daher nicht nur um Kompetenzen. Es handelt sich vielmehr um einen Konflikt zwischen grundsäzlichen bildungspolitischen Positionen. Die Lehrerbildung darf nicht privatisiert werden !
Dieser politische Grundsatzkonflikt steht auch im Hintergrund der derzeitigen Auseinandersetzungen über die Rektorsbesetzung an der Pädagogischen Hochschule Tirol. Die Unterrichtsministerin lehnt einen Rektorskandidaten ab, der sich im Gegensatz zu ihr für den Transfer der gesamten Lehrerbildung an die Universität ausspricht.
Die Konsequenz für die Lehrerbildung muss vielmehr eine andere sein: Auch die Ausbildung der Lehrer für die allgemeinbildenden Gegenstände in den mittleren und höheren Schulen ist von den Universitäten abzuziehen und in zu schaffende Pädagogische Universitäten zu transferieren. Deren rechtliche Position müsste eine andere sein als die der Universitäten des UG 2002. Man könnte sie mit der der Universitäten des Universitätsorganisationsgesetzes 1993 vergleichen: Universitäten als Institutionen des Bundes, denen durch verfassungsrechtliche Ausnahmebestimmungen die notwendige Autonomie zugestanden wird. Für das Studienrecht könnte das Universitätsstudiengesetz 1997 maßgebend sind.
Dazu müssen allerdings die Pädagogischen Hochschulen zu tatsächlichen Einrichtungen des tertiären Sektors weiterentwickelt werden. Das neue Dienstrecht für die Pädagogischen Hochschulen trägt dem bereits Rechnung: Die Lehrerkategorie PH 1 ist für Habilitierte oder gleichwertig Qualifizierte vorgesehen. In einer Novellierung des Gesetzes über die Pädagogischne Hochschulen 2005 muss weiters die hochschulmäßije Autonomie gewährt werden. Die Anerkennung der Curricula sollte der 2011 geschaffenen „Agentur zur Qualitätssicherung und Akkreditierung“ übertrgen werden, welche im übrigen auch die Akkreditierung der Studiengänge der Fachhochschulen vom Fachhochschulrat übernommen hat.